Wählen Sie beim Spülen das Energiesparprogramm? Dann freuen sich die ganz fiesen Bazillen.
Zenzi ist die Beste für mich. Ein Leben ohne sie mag ich mir gar nicht vorstellen. Auch meine Frau liebt sie. Wer Zenzi ist? Oh, pardon: So heißt die Haushaltshilfe, die seit vielen Jahren für uns arbeitet und derzeit ein Imageproblem hat. Dabei pritschelt die brave Teilzeitkraft alle ein, zwei Tage knapp zwei Stunden herum, ohne Urlaub, ohne Lohn, ohne Murren. Allenfalls unsere treue Minna kann ihr das warme Wasser reichen - natürlich nur im übertragenen Sinn.
Wir wollen ja keine Überschwemmung: Zenzi steht in der Küche und erspart mir einen Nebenjob als Tellerwäscher, während Minna unten in der Waschküche rotiert. Dank unserer elektrischen Fachkraft Nummer eins beschränkt sich meine Aufgabe darauf, Teller, Tassen und Töpfe auszuräumen und jeden Tag aufs Neue zu staunen, welche Guinness-Preis-verdächtigen Mengen an Geschirr und Besteck meine Frau in einer einzigen Spülmaschine unterbringt. Zenzi geizt mehr mit Strom und Wasser als jede schwäbische Hausfrau, und wenn nicht gerade ihr Sieb verstopft ist, kommt das Spülgut auch blitzblank heraus.
Aber es gibt da dieses Aber. Und damit meine ich nicht, dass Zenzi immer eine Pfütze in den umgedrehten Tassenböden stehen lässt.
Biotop auf der GummidichtungAls eifriger Leser des „Spektrums der Wissenschaft" musste ich neulich die betrübliche Nachricht lesen, dass Zenzi - wie Millionen ihrer Kolleginnen - eines Hygieneproblems verdächtig ist. Auf den Gummidichtungen von Spülmaschinen bilden sich einer slowenisch-dänischen Studie zufolge Biotope voller Hardcore-Mikroorganismen, wie man sie in freier Wildbahn höchstens in Geysiren vorfindet. „Polyextremotolerant" nennen Jerneja Zupančič und Nina Gunde-Cimerman von der biotechnischen Fakultät der Uni Ljubljana und ihre Kopenhagener Forscherkollegen die Bakterien und Hefepilze aus dem „Biofilm", den sie von den Dichtungsgummis gekratzt haben. Sprich: Die kleinen Biester sind nicht nur gegen einen einzigen Extrem-Stressfaktor abgehärtet, sondern halten im Schutz ihrer Lebensgemeinschaft den Wechsel von Hitze und Kälte ebenso aus wie den von Nässe und Trockenheit, und sie stören sich auch weder an Spülmittellauge noch an Regeneriersalz.
Wo bleiben die türkisen Algen?Die fiesen Pilze waren den Forschern nicht neu; das Wissenschaftsmagazin hatte sie denn auch schon vor Jahren in seiner Rubrik „wir werden alle sterben" vorgestellt. Neu gesellen sich den schwarzschimmeligen Überlebenskünstlern nun die linken Bazillen der Gattungen Pseudomonas, Escherichia und Acinetobacter hinzu. Was nicht gefunden wurde, sind die malerisch in Türkis und Schwefelgelb schimmernden Algen, die wir aus den heißen Quellen des Yellowstone Parks kennen, also aus den natürlichen Lebensräumen, die denen im Innern von Zenzi & Co. am nächsten kommen. Deshalb muss man schon genau hinschauen, um im Grau-in-Grau die Gefahr zu erkennen. Aber welche Gefahr eigentlich? Die Proben stammten von gerade mal zwei Dutzend Zenzi-Schwestern in einem kleinen Land hinter den Bergen. Vielleicht haben es die polyextremtoleranten Bazillen von dort noch gar nicht über den Alpenhauptkamm zu uns geschafft, und wir essen ja auch nicht von Gummidichtungen, sondern von Gabeln und Tellern.
Und wenn doch: Man solle Geschirrreiniger verwenden, die Bleichmittel enthalten (und das sind die handelsüblichen eigentlich alle), die Maschine vor dem Öffnen abkühlen lassen, um den Dampf nicht einzuatmen, und bei mindestens 60 Grad spülen. Hallo? Wollten wir nicht Energie sparen?
Bazillen in Bad und BartDie Autoren der Studie sind wirklich gut darin, uns Angst zu machen. Ähnliche Schlaraffennester für extra taffe Mikrobiester gebe es laut wissenschaftlicher Literatur auch im Badezimmer oder im Mülleimer - was jetzt beides vielleicht weniger verwundert - und sogar in Kaffee- und Waschmaschinen. Und das erfahren wir erst jetzt, nachdem wir uns nicht nur die umweltfeindliche Kochwäsche abgewöhnt haben, sondern nur noch Wäsche kaufen, die laut Waschzettel allerhöchstens 40 Grad verträgt? Muss ich Minna jetzt etwa nach jedem Waschgang einmal leer im 95-Grad-Programm laufen lassen, um sie zu sterilisieren? Dann können wir das tolle A++-Effizienzlabel in der Pfeife rauchen.
Ach was. Es wird Zeit, die Ehre der Mikroben zu retten. Nicht nur unsere Umwelt ist voll davon. Wir selbst auch, inwendig wie auswendig. Und die allermeisten tun uns nix, wie vor Jahren herauskam, als Bärte als Brutnester für Bazillen verunglimpft worden waren. Zenzi, mein Bart bleibt dran!