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SZ-Serie "In den Startlöchern" - Freiheit unterm Hallendach

Valerie Weikert verbringt viel Zeit auf und über dem Tuch des Trampolins. Mitunter auch deshalb, weil sie warten muss, bis sie an der Reihe ist.(Foto: Angelika Bardehle)

Als Kind konnte es Valerie Weikert kaum erwarten, bis sie aufs Trampolin durfte. Heute ist die 16-Jährige stellvertretende Jugendgruppenleiterin beim SV-DJK Taufkirchen und trainiert zweimal die Woche. Trotzdem ist der Sport für sie ein reines Freizeitvergnügen.

Die kleine Gruppe der Trampolinturner des SV-DJK Taufkirchen hat sich zum Aufwärmen nach Alter und Größe aufgestellt. Unter Anleitung von Trainer Andi Beier, 40, führen die dreizehn Turnerinnen und Turner die obligatorischen Bein-, Balance- und Koordinationsübungen aus. Bereits beim Aufwärmen macht sich bemerkbar: Die höchste Sprungkraft aus dem Stand heraus hat derjenige, der am längsten geübt hat. "Ohne Aufwärmen darf man nicht springen", erklärt die stellvertretende Jugendgruppenleiterin Valerie Weikert. "Die Verletzungsgefahr ist groß." Ausfälle wegen Verletzungen durch das Trampolinturnen - die 16 Jahre alte Fachoberschülerin hat in den vergangenen zehn Jahren einiges erlebt auf dem Tuch, wie es im Turnerjargon heißt. Ein Junge sei beim gemeinsamen Springen auf ihrem Sprunggelenk gelandet, ein halbes Jahr war sie damals außer Gefecht gesetzt.

Als Valerie Weikert mit dreieinhalb Jahren ihre ältere Schwester auf dem Trampolin sah, war sie selbst noch zu jung dafür. Das Mindestalter liegt je nach Wachstum bei sechs Jahren. Davor wären die Kinder noch zu leicht, das Skelett sei noch nicht stabil und ausgewachsen, erklärt sie. Seit Weikert selbst springen darf, trifft man sie mindestens zweimal in der Woche, mittwochs und freitags, in der Halle an. Für die 16-Jährige ist die olympische Sportart ein reiner Freizeitsport: "Ich kann es mir nicht vorstellen, das als Leistungssport zu machen. Wir nehmen nur dann an Wettkämpfen teil, wenn wir wollen." Da wären beispielsweise die Gau- oder Bezirksmeisterschaften. Dabei belegte die Schülerin in ihrer Altersgruppe in den vergangenen Jahren die Plätze acht und 16. Zehn Mal denselben Sprung immer wieder zu üben, ist ihr zu langweilig. Was sie am Trampolinturnen liebt, ist die Freiheit, über sich selbst bestimmen zu können. Auch wenn sie es als reines Hobby betreibt, weiß Weikert, dass das Trampolin den Turnern einiges abverlangt: Kraft und Gewicht sind für die Sprunghöhe und Sprungzeit wichtig, daraus ergeben sich Aktion und Reaktion zwischen Mensch und Tuch. In der Mitte des mit vier bis sechs Millimeter breiten Bändern bespannten Sprungtuches befindet sich die höchste Federkraft. Beim Sprung an den Seiten würde man sich ansonsten zu sehr nach vorne oder rückwärts bewegen. Vorrangig geht es darum, den gesamten Körper angespannt zu halten, damit die Energie für die Sprunghöhe, die bei einer Rückfederung des Tuches entsteht, nicht verloren geht.

Wenn sie alles geben würde, sagt die Taufkirchnerin, die alle Trampolinparks in München kennt, könnte sie aus den oben angebrachten Fenster in der Halle herausblicken. Das Trampolin, das vor ihr aufgebaut ist, hat eine Aufbauhöhe von 1,10 Meter. Ganz bis zur Hallendecke von neun Meter, schaffe sie es allerdings nicht. Ihr Trainer Andi Beier, seit 2010 beim SV-DJK Taufkirchen, witzelt: "Wir hatten in den letzten Jahren nur einen da, der da oben öfters die Lampen gewechselt hat." Trampolinturnen könnten leider nur sehr wenige betreiben, denn es sei kostspielig, besonders für die Vereine, sagt Beier. "Eines von drei Geräten hier hat gebraucht schon 5000 Euro gekostet."

Für die Freizeitturner heißt Trampolinturnen, dass sie nicht nur viel Zeit auf dem Tuch verbringen, sondern auch viel warten. Denn grundsätzlich darf nur ein Springer auf das Tuch. Wie lange ein einzelner Turner springen kann, bestimmt ein Timer. Nach zwei bis drei Minuten ist der nächste dran. Allerdings reicht es aus, die Turner kommen auch nach wenigen Minuten schnell aus der Puste. Eine Stunde durchzuspringen, das komme hier eher selten vor. Während die 1,60 Meter große Valerie, einen Dreiviertelsalto rückwärts aus dem Rücken zum Stand springt, in Turnersprache umgangssprachlich auch "Muffel" genannt, schiebt der Trainer hin und wieder eine Matte unter ihre Füße. Um Verletzungen vorzubeugen und die Landung abzudämpfen. Die Sicherheit geht vor. Vor allem verlangt das Trampolinturnen den Sportlern vollste Konzentration ab und eine saubere Ausführung. In der Luft vergesse man manchmal, sich weiterzudrehen, sagt Weikert. Für Fehler dieser Art gäbe es beim Wettbewerb Punktabzug. Dort werden Pflichtübungen vorgegeben - die Kampfrichter sollen bei der Bewertung sehr streng sein, erklärt Trainer Beier.

Eine der Hauptfiguren beim Trampolinturnen ist der Salto. Bis sie den Rückwärtssalto in der gehockten Position geschafft hat, hat Weikert vier Jahre gebraucht. Doch die Schülerin hat nicht aufgegeben: "Bei mir hat es solange gedauert, weil es eine reine Kopfsache war", sagt sie. "Und irgendwann, da hat es einfach Klick gemacht."

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