3 Abos und 1 Abonnent
Artikel

So grün könnte Paris eines Tages aussehen

Paris im Jahre 2050: grüne Hochhäuser produzieren Energie und Lebensmittel. Foto: "VINCENT CALLEBAUT ARCHITECTURES -WWW.VINCENT.CALLEBAUT.ORG"

Grüne Türme ragen aus der staubigen Stadt heraus, Bäume wachsen in schwindelerregender Höhe, und alles wirkt mehr kurvig als kantig. Auf den futuristischen Bildern von der Millionenmetropole Paris, die ein Architekt angefertigt hat, fehlen nur noch die fliegenden Autos.

Ginge es nach dem belgischen Architektenbüro Vincent Callebaut Architectures, wird aus den spektakulären gezeichneten Visionen so schnell wie möglich Realität. Schließlich gibt der offizielle Klimaschutzplan der Stadt Paris vor, in den nächsten 35 Jahren die Treibhausgasemissionen um ganze 75 Prozent zu reduzieren.

Gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Setec Bâtiment hat Vincent Callebaut, der für seine futuristischen Visionen 'grüner Architektur' bekannt ist, acht Prototypen von pflanzenbewachsenen Türmen entworfen, die das Klima der französischen Hauptstadt verbessern sowie erneuerbare Energien erzeugen sollen.

Paris braucht Plusenergiegebäude

"Paris Smart City 2050" heißt sein Konzept und kommt zu dem Ergebnis: Die französische Hauptstadt braucht Plusenergiegebäude - also Häuser, die mehr Energie gewinnen, als sie von außen beziehen. In diesem Fall sollen es grüne Hochhäuser werden, die ihre überschüssige Energie mit den umliegenden Gebäuden über eine Art Energie-Internet teilen.

"Unser Plan sieht vor, dass die Stadt über den Bau von Hochhäusern und deren Integration in den 20 Stadtteilen von Paris nachdenkt", erklärte Callebaut kürzlich gegenüber dem französischen Magazin "leJDD". "Wir wollen, dass die Stadt darüber reflektiert und beweist, dass sie nicht zur progressiven Gentrifikation und ständig zunehmender sozialer Ungerechtigkeit verdammt ist. Im Gegenteil. Der junge Architekt in mir möchte eine neue soziale und politische Dynamik vorantreiben, indem wir den ökologischen Wandel sicherstellen."

Und dafür hat Callebaut nun acht Gebäudetypen für acht Schlüsselbereiche der französischen Metropole entwickelt.

Entlang der Rue de Rivoli im historischen Zentrum von Paris sollen "Mountain Towers" als solar betriebene hydrodynamische grüne Türme wie eine Art Bioklimaanlage wirken und die Hitzeinseln der Innenstadt klimatisieren.

Die Rue de Rivoli im Jahr 2050: Die grünen Hochhäuser sollen sich in das historische Stadtbild einfügen und die Altbauten nicht verdrängen, sondern modernisieren.

Entlang 23 km der ehemaligen Ringbahnlinie Petite Ceinture sollen in der Pariser Innenstadt die "Antismog Towers" entstehen. Sie sollen zusammen mit einem Begrünungskonzept die innerstädtische Brache renaturalisieren und Aufenthaltsqualität schaffen.

2050 soll der Montparnasse-Turm, das einstmal höchste Hochhaus Europas, ein CO 2-neutrales Plusenergiehaus unter einem vertikalen Stadtpark sein. Geländer sollen sich 58 Stockwerke am höchsten der drei "Photosynthesis Towers" nach oben schrauben. Auf den Grünflächen erzeugen Algen im Bioreaktor Energie für die Nachbarschaft.

Ganz im Sinne der Charta von Athen sind im Stadtteil Massena im 13. Arrondissement Mitte des letzten Jahrhunderts Hochhäuser entstanden. In 35 Jahren soll es hier urbane Landwirtschaft geben. Dazu sollen die "Bamboo Nest Towers" den geeigneten Rahmen bieten. Ihr trichterförmiges Geflecht wird zudem den Venturi-Effekt verstärken, um ausreichend Wind für die eingebauten Turbinen zu erzeugen.

Diese "Honeycomb Towers" sind als Erweiterungsbauten für die Backsteinhäuser zwischen den Boulevards des Maréchaux und dem Ring gedacht. Zum einen sollen sie den Wohnraum hier verdoppeln, zum anderen die Energiebilanz verbessern. Als vorgefertigte Einfamilienmodule produziert, sollen die Waben zum urbanen Gärtnern einladen und eine Selbstversorgung ermöglichen.

Im Nordosten von Paris am Porte d'Aubervilliers sollen 2050 drei "Farmscrapers Towers" Gemüsegärten beheimaten. In einem Stadtwald angesiedelt, sollen sie die Transportwege für Lebensmittel optimieren und die Lebensqualität in Paris erhöhen.

Die "Mangrove Towers" sind dem Wurzelwerk eines Mangrovenwaldes nachempfunden und sollen am Gare du Nord im CO 2-neutralen Bahnhof Büros, Hotels und Wohnungen für internationale Reisende und urbane Nomaden bieten.

Die beiden "Bridge Towers" erinnern an die dicht bebauten Brücken vergangener Jahrhunderte, als Wohnhäuser und Geschäfte die Seine-Brücken belebten. 2050 könnte Paris statt 37 dann 39 Brücken haben, wovon zwei als CO 2-neutrale grüne Wohntürme konzipiert sein könnten.

Zum Original