Traditionell ist ein nachhaltiges Gebäude ein Bau, der aus guten Materialien errichtet wurde, gut ausgerichtet war und dessen Flächen sich in der Zukunft umnutzen ließen und der schließlich auch erinnerungswert war, dessen Erhalt wichtig war. Aber ich würde sagen, dass heute Nachhaltigkeit komplett anders gedacht werden muss. Sie sollte als bezahlbarer Wohnraum begriffen werden. Denn was ist Nachhaltigkeit? Eine Stadt, die funktioniert.
Und wenn man nicht in der Lage ist, eine Gesellschaft hervorzubringen, in der Reiche und Arme nicht in Ghettos getrennt voneinander leben, dann muss man ausreichend bezahlbaren Wohnraum schaffen, um die Stadt selbst nachhaltig zu machen. Anderenfalls wird die Stadt künftig nicht erhalten bleiben. Wir sehen den Zusammenbruch von Städten in vielen Teilen der Welt, weil es nicht genügend Wohnraum gibt, den sich die Menschen leisten können. Ich würde also sagen, dass sich im 21. Jahrhundert die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung gewandelt hat und dass es heute um bezahlbaren Wohnraum geht.
Bildergalerie: Daniel Libeskind in Deutschland Welche Rolle spielen dabei Architekten?Architekten allein können das nicht. Wir brauchen in erster Linie aufgeklärte Politiker. Wir brauchen eine Zivilgesellschaft, die soziale Gerechtigkeit fordert. Wir brauchen eine Führung, die nicht nur über Chancen spricht, sondern Menschen in der Stadt wirklich die Möglichkeit gibt, zur Stadt beizutragen. Menschen wollen in Städten leben, weil sie ihrem Wesen nach kreative Orte sind. Und Architekten können dazu beitragen, wenn man Wohnraum genauso viel Aufmerksamkeit schenkt wie öffentlichen Gebäuden oder Museen. Dabei sind Wohnhäuser vom Typus her sehr viel schwieriger, weil sie für jeden bezahlbar sein müssen, jeden Wohnstil ermöglichen und gleichzeitig die Lebensqualität erhöhen und schön sein müssen.
Dabei folgt nachhaltiger Wohnungsbau nicht überall auf der Welt einem universellen Schema. Man muss einen Bezug zum Ort haben, wo man baut. Wenn man in China baut, in Berlin, New York oder Mumbai, muss man die lokalen Traditionen bedenken, lokale Technologien und vor allem die lokale Kultur, um architektonische Ideen zu entwickeln, die tatsächlich implementiert werden können und keine Gimmicks sind.
Sie sagten einmal, dass eine demokratische Gesellschaft eine pluralistische Architektur braucht. Was meinen Sie damit?Pluralistische Architektur meint Meinungsfreiheit. Wir brauchen Toleranz. Wir haben ja gerade gesehen, was in Paris mit den Karikaturisten passiert ist. Ich mag Vielfalt. Nicht so wie Ludwig Hilberseimer (Der Architekt und Stadtplaner lehrte u.a. am Bauhaus, Anm. d. Red.), der meinte, dass eine Stadt aus einheitlichen Blöcken bestehen sollte. Das ist tödlich. Er und auch andere Architekten wie Le Corbusier dachten, dass die beste Architektur funktional ist, wo jeder in einer kleinen Box lebt. Aber das ist keine vielfältige Stadt. Das ist ein Albtraum. Um Pluralität zu erzeugen, muss man Vielfalt und Unterschiede zulassen. Etwas, das für uns normal ist, ist es für andere nicht. Ich glaube, das ist es, was großartige Städte in der Vergangenheit gemacht haben. Sie haben diese Vielfalt zugelassen, diesen Reichtum an Platz, diesen Charakter von vielfältigem Leben in schönen Straßen.