Ich fahre gerne Auto. Ich fahre auch gerne schnell. Sogar sehr schnell. Einmal stand die Tachonadel tatsächlich bei 300 Stundenkilometern. Und zwar nicht auf der Rennstrecke. Sondern auf einer öffentlichen Straße, sie können es sich denken, auf der deutschen Autobahn. Was war das für ein Gefühl in dem McLaren! Und damit soll jetzt Schluss sein. Eine Regierungskommission hat von offizieller Seite in den Ring geworfen, was sonst nur die Deutsche Umwelthilfe fordert. Eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 130. Der Verkehrsminister, der die Kommission ins Leben gerufen hat, konnte selbst nicht fassen, was er da losgetreten hat. Das sei „gegen jeden Menschenverstand", urteilte Andreas Scheuer (CSU) über den Vorschlag.
Wo passieren wirklich die meisten Unfälle?Seitdem wird die Diskussion heiß geführt. Jeder hat Argumente für seine Position, vor allem immer die scheinbar besseren. Der aktuelle Deutschland-Trend im ARD-Morgenmagazin zeigt: Die Republik ist bei dem Thema gespalten: 51 Prozent sprechen sich für ein Tempolimit aus, 47 Prozent dagegen. So sieht es auch aus, wenn ich auf meinen Freundeskreis schaue. Die meisten sind sich sicher, dass sie wissen, wie man Auto fährt. Damit inbegriffen: wie man schnell fährt. Alles andere mache ja auch keinen Spaß. Und wer langsamer unterwegs sein möchte, der könne das natürlich tun. Dafür brauche man kein Gesetz. Die Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometer gibt es schließlich schon in Deutschland. Auch auf dem GQ Facebook-Kanal wurde schon viel diskutiert.
Am erfolgreichsten war der Kommentar unter dem Post mit dem Schild „Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben". Dazu der Satz: „Bestes Schild auf der Autobahn und das soll es auch bleiben." Dafür gab es 214 positive Reaktionen. Aber es zeigten sich auch GQ-Fans, die das anders sehen. „Absolut sinnvoll", meldet sich Sebastian Paulußen zum Tempolimit. „Sinnvoll hoch unendlich! Für die Umwelt sowie für die Unfall-Statistiken!", schreibt etwas Cid Stiller. Andere blicken von der Gegenseite auf die Statistik „Die Frage ist, wo passieren die meisten Unfälle? Auf der Autobahn oder im Stadtverkehr?" Also werfen wir einmal selbst einen Blick auf die Statistik: Die letzten Zahlen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) stammen aus dem Jahr 2017.
Autobahnen sind scheinbar am sicherstenZuerst zeigt sich etwas Überraschendes: Es war noch nie so sicher, in Deutschland Auto zu fahren. Punkt. Das kann man doch erst einmal auf sich wirken lassen. Und das bei sagenhaften 57 Millionen Autos, die in Deutschland zugelassen sind. Jetzt die traurige Seite: 2017 waren 3180 Verkehrstote zu beklagen. Aber: Im Vergleich zu 1990 ist das ‚nur' noch ein Drittel. Und: Die meisten tödlichen Unfälle geschahen auf der Landstraße. Eine Maßnahme scheint hier schon einmal diskutabel. Immerhin entfallen über 1300 Verkehrstote auf die Straßen, die allgemein auch gerne einmal als „Selbstmörderstrecken" bezeichnet werden. In der Stadt, wo viele Verkehrsteilnehmer unterwegs sind, müssen noch immer 976 Tote beklagt werden. Und auf Autobahnen? Dort sind es 409 Unfalltote. Letztere sind also am sichersten, wie dieser Vergleich zeigt.
Warum lohnt es also die Diskussion ums Tempolimit zu führen? Weil ein genauer Blick auf Zahlen zeigt, dass es an der Zeit ist. Und nein, es geht nicht um die Deutsche Umwelthilfe, die mit ihrer Abmahnpolitik auf Speed viele wichtige Themen für die Diskussion verbrennt. Es geht auch nicht um 100 Lungenfachärzte, die sich gegen die Grenzwerte beim Thema Stickoxid stellen. Es geht darum, ob nicht schon ein Toter ausreichen sollte, das Tempo aus der Debatte zu nehmen.
Ein kurzes Abtauchen in die Statistik lohnt sichTaucht man einmal tiefer in die Statistik ein, dann zeigt sich: Zuerst einmal ist die Zahl der Gesamtunfälle sogar gestiegen. Das Statistische Bundesamt schreibt, dass es mit 2,6 Millionen Unfällen erstmals wieder mehr dramatische Szenen auf deutschen Straßen gab als 1991. Und die 1990er Jahre waren tatsächlich ein Horror, was Unfälle anging. Nur bleibt es inzwischen meistens, in 90 Prozent der Fälle, beim Sachschaden. Da zeigt sich die positive Entwicklung in puncto Sicherheit bei den Autos. ( Hier können Sie selbst einen genauen Blick auf Unfallstatistik 2017 werfen.)
44,3 Prozent aller Getöteten und 41,5 Prozent aller Schwerverletzten auf deutschen Autobahnen sind auf zu schnelles Fahren zurückzuführen.
Aber es geht nicht nur um die Toten, die auf deutschen Straßen zu beklagen sind. Aus dem Blick verliert man schnell die Zahl der schweren Unfälle: 2017 waren es 74.000. Im Einzelschicksal dürften das Menschen sein, die ihres Lebens nicht mehr froh werden. Hier gab es sogar eine Steigerung von 3,4 Prozent. Und was auffällt, wenn man auf die Zahlen blickt: Hauptunfallursache war der Bleifuß. Auf deutschen Autobahnen ist über ein Drittel der Unfälle auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen, auf Landstraßen sind es sogar 36 Prozent. Im Verhältnis geschehen die meisten tödlichen Unfälle sogar auf Autobahnen und Landstraßen. (Genau sind es 20 bzw. 24 Tote auf 1000 Unfälle. In der Stadt sind es nur 5 auf dieselbe Zahl.)
Und die oft so langweilige Statistik verrät noch etwas anderes: Dort, wo ein Tempolimit herrscht, sind die Straßen sicherer. Auf Autobahnen mit Tempolimit sind 26 Prozent weniger tödliche Unfälle pro Autobahnkilometer zu verzeichnen, berichtet der DVR.
Bei Tempo 200 verwandelt sich das Auto in ein gefährliches Geschoss mit bequemen Sitzen.
Es ist wichtig, sein eigenes Auto zu kennen und im Griff zu haben. Aber wer ehrlich zu sich selbst ist, weiß auch: Trotz allen Könnens und aller neuen Assistenzsysteme: Bei Tempo 200 verwandelt sich das Auto in ein gefährliches Geschoss mit bequemen Sitzen. Bei diesen Geschwindigkeiten hat im Ernstfall kein Mensch mehr die Kontrolle über sein Auto. Aus diesem Grund spricht sich jetzt auch die Gewerkschaft der Polizei für eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h aus. Dazu kommt: Im Ernstfall gefährdet man nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Unfallteilnehmer, Zeugen und Retter erleiden ein lebenslanges Trauma. Vor allem eines, das vermeidbar wäre. (Auch lesenswert: Wenn Sie diese 6 Fehler vermeiden, fahren Sie im Winter besser Auto)
Ende 2018 machte ein Thread auf Twitter die Runde, in dem eine Userin, wahrscheinlich war sie selbst im Rettungsdienst tätig, von Gewalt berichtet, mit der Autofahrer aus dem Leben gerissen wurden. Wegen überhöhter Geschwindigkeit auf der Autobahn.
Solche lässigen Fingerübungen kann man sich besonders gut leisten,wenn man nicht als Sanitäterin und Feuerwehrmann in die mit 230 km/h zerschmetterten Autos steigt,um nur noch Tote zu bergen. Ich habe keinen Einzigen vergessen in all den Jahren meiner Dienste. https://t.co/0d8xRFfXyK
- Fräulein Read On (@MlleReadOn) 18. Dezember 2018Fall A. Männlich,42, Landrover, die Polizei war sich nicht sicher ob 265km/h oder mehr, ich war die kleinste und passte ins Wrack hinein, sein Kopf war abgeschnitten, in der Hand noch sein Telefon, seine Frau schrie noch immer seinen Namen. Die Freiheit kam ans Ende. @ulfposh
- Fräulein Read On (@MlleReadOn) 18. Dezember 2018Die Lösung für das Problem - Tempo 130 auf Autobahnen und Tempo 80 Landstraßen - klingt für Freunde des schnellen Fahrens unerträglich. Dem kann ich nur noch einen Stich versetzen. Neben Tempo 130 muss auch der Bußgeldkatalog nach oben korrigiert werden. Wer das Leben anderer gefährdet, darf sich nicht mit kleinen Summen und einem Punkt freikaufen dürfen. (Außerorts 40 km/h zu schnell zu fahren, kostet 120 Euro und einen Punkt).
Lassen Sie uns mobil bleiben, im Denken.
Das Recht auf Grenzenlosigkeit auf deutschen Autobahnen ist ein „Ich"-Recht geworden, das viele nicht hergeben wollen. Es geht um die individuelle Freiheit. Natürlich. Nur endet diese Freiheit spätestens dort, wo sie anderen die Freiheit nimmt. Oder ganz konkret, das Leben. Die Tempo 300 im McLaren bleiben eine Geschichte, die ich meinen Enkeln erzählen kann. Damit ist dann aber auch Schluss. Seit ein paar Jahren orientiere ich mich an der Richtgeschwindigkeit, fahre selten schneller als 130 Stundenkilometer auf der Autobahn. Auch die Stärke eines Sportwagens kann man bei dem Tempo noch genießen. Zum Schluss bleibt mir nur zu sagen: Lassen Sie uns mobil bleiben. Und zwar im Denken. Die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit ist kein Verbot, sondern ein Gebot, das Leben anderer nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.