In der DDR verlor der Arzt Ravindra Gujjula seinen Job, weil er das System kritisierte. Nach der Wiedervereinigung wurde er Bürgermeister. Nun berät er seinen Nachfolger in Corona-Fragen.
Ravindra Gujjula parkt seinen schwarzen Mercedes an seinem Stammplatz im Hof des Rathauses, auf der Nummer eins. Dabei ist er schon lange nicht mehr der Bürgermeister hier in Altlandsberg. Durch die Hintertür geht er ins Rathaus. Stuck, hohe Decken, pastellgrüne Wände. Im Erdgeschoss schließt er die Tür zu seiner Praxis auf, die er als Arzt für Innere Medizin seit etwa 30 Jahren führt. Es ist 8 Uhr früh in Altlandsberg, einer brandenburgischen Stadt östlich von Berlin, die etwa so groß ist, wie sie klingt. Knapp 9500 Einwohner. Der 65-jährige Ravindra Gujjula hat noch nicht gefrühstückt, aber er muss schon drei Menschen dringend anrufen.
Er setzt sich auf seinen Ledersessel, der in der Höhe des Kopfes abgenutzt ist, und lehnt sich nach vorn. Auf dem Schreibtisch ein Drachenbaum, das Plastikmodell eines menschlichen Herzens und ein Bär aus Schokolade.
Erster Anruf, beim Bürgermeister: noch nicht da, also auf dem Handy. "Hallo Arno, hast du gleich zehn Minuten für mich? Okay, 8.30 Uhr bin ich oben bei dir." Zweiter Anruf: Er sucht einen Betriebsarzt für seine Angestellten. Mit dem letzten war er nicht zufrieden. Dritter Anruf: Jobvermittlung für eine 60-jährige Frau. Er fragt eine Bekannte, ob sie vielleicht eine Stelle habe. Gujjula, mit grauem Haarkranz, das Hemd in die Jeans gesteckt, wirkt wie einer, der in To-do-Listen denkt. Eins nach dem anderen. Check.
30 Jahre Deutsche Einheit
Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Projekts der Evangelischen Journalistenschule (EJS) zum Thema 30 Jahre Deutsche Einheit.
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