Tobias Appelt

Freier Journalist, Duisburg

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Die "Rü" - Im Essener Kneipenviertel pulsiert das Leben

Essen/Bochum. Wo lässt sich die Nacht besser zum Tag machen, welches der großen Ausgeh-Viertel im Ruhrgebiet ist szeniger, lebendiger authentischer? In unserem großen Vergleich stellen wir die Rüttenscheider Straße alias "Rü" in Essen und das Bermudadreieck in Bochum einander gegenüber. Hier: Die Rü.

Wer in den 1960er-, 1970er-Jahren in Rüttenscheid ein Haus gekauft hat, freut sich heute über eine enorme Wertsteigerung. Kein anderer Stadtteil in Essen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so prächtig entwickelt. Rüttenscheid ist zur heimlichen Innenstadt geworden - ohne seinen Charme und sein liebenswertes Ambiente einzubüßen. Hier wohnt man nicht nur, hier lebt man. In Rüttenscheid spielt das Leben, hier geht man aus, hier kauft man ein, hier trifft man sich.

Rüttenscheid vereint auf kleinem Raum all' das, was sich anderswo über die ganze Stadt verteilt. Der Stadtteil ist geprägt von einem Mix, der ihn für alle Altersgruppen interessant macht. Es locken hunderte Fachgeschäfte, aber auch genügend Einkaufsorte für Dinge des täglichen Bedarfs. Besonders die gastronomische Vielfalt des Viertels schätzen Einheimische und Besucher.

Über 100 Restaurants, Kneipen, Bars und Clubs liegen an oder im Umfeld der überregional bekannten „Rüttenscheider Straße". Die Einkaufs- und Flaniermeile nennt hier aber niemand bei vollem Namen. Die Lebensader des Stadtteils ist für alle einfach nur die „Rü". Schnurgerade, wie mit einem Lineal gezogen, erstreckt sie sich auf über zwei Kilometern Länge vom Essener Hauptbahnhof gen Süden, wo sie in den schicken Stadtteil Bredeney übergeht.

Ein Erkundungsspaziergang erfordert etwas Zeit. Wer abkürzen möchte, nimmt die Straßenbahn, die unterirdisch unter der Rü verläuft. Wer mit dem Auto anreist, stellt es am besten so schnell wie möglich ab, und zwar sobald er einen freien Parkplatz entdeckt - denn die sind rar. Einmal angekommen braucht es eh keinen fahrbaren Untersatz mehr. Wer flaniert, gehört dazu. Sehen und gesehen werden - dieses Motto gilt auf der Rü mindestens ebenso sehr wie auf der Kö in Düsseldorf.

Doch wo beginnt ein Rü-Bummel? Warum nicht bei den frisch-frech-modernen Sweet Coffee Pirates nahe der Florastraße? Die kleine Terrasse vorm gemütlichen Freibeuter-Café ist die Erste auf der Rü, der die Morgensonne einen Besuch abstattet. Zeit für ein „Piratenfühstück". Ganztägig kommen hier allerlei süße Leckereien auf den Tisch. Dabei gilt das Motto: Das Dessert ist die neue Hauptspeise. Wer dabei über den Kaloriengehalt nachdenkt, ist selber schuld.

Lunch in "Little Italy"

Ein paar Meter weiter sticht das Ristorante Lucente ins Auge - ein moderner, durchgestylter Italiener mit sehr guter Küche und hervorragenden Weinen zu angemessenen Preisen. Macht das nicht Lust auf Mittagessen? Dazu gibt es reichlich Gelegenheit, schließlich beginnt hier der Part der Rü, der gemeinhin auch als „Little Italy" bezeichnet wird. Nicht nur zum Business-Lunch locken Restaurants wie das schicke, kleine Palladio, das sympathische Il Pomodoro oder die Trattoria Trüffel da Diego von Padrone Diego Palermo, Essens ungekröntem Hummerkönig, bei dem neben der exzellenten Meeresfrüchte-Auswahl natürlich die exquisiten Erdpilze als Spezialität des Hauses gelten. Beim Gang in Richtung Innenstadt passieren Flaneure bald zwei der alteingessenen Rü-Treffpunkte, das südländisch-mediterran inspirierte Oliv und das plan b, in dem sich die Sehen-und-Gesehen-werden-Crowd (nicht nur) vorm gemeinsamen Ausflug ins Nachtleben trifft.

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