Tina Epking

Freie Autorin/Journalistin, Hamburg

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Wie die dressierten Dackel

Auf die Idee zu ihrem Experiment kam die Journalistin, die unter anderem für die New York Times und die Los Angeles Times arbeitet, als sie für eine Recherche Trainer beobachtete, die Delfine, Löwen und Wale dressierten. Deren Methoden beeindruckten sie sehr. So sehr, dass sie ihre Techniken selbst ausprobieren wollte.

Tatsächlich liebt Amy Sutherland Tiere. Und Männer. Auch wenn ihr Ansatz auf den ersten Blick ein bisschen befremdlich wirkt, hat Sutherland eigentlich nur das getan, was sehr, sehr viele Frauen - sagen wir, ungefähr 95 Prozent - seit Jahrtausenden tun: Sie hat versucht, ihren Mann Scott abzurichten. Dabei ging sie richtiggehend wissenschaftlich vor, ordnete ihn einer Spezies zu, die sie als Amerikanischen Ehemann bezeichnete. Die ist laut Sutherland unter anderem scharfsichtig, nachtblind und kühlschranklichtblind, außerdem unfähig, höhere Dezibelwerte wahrzunehmen, besonders die, aus denen eheliches Sprechen besteht. "Viele Angehörige dieser Spezies ernähren sich überwiegend von Fleisch, unter anderem Rind, Schwein, Vogel, außerdem von Vogeleiern und Getreide, Letzteres vorzugsweise in vergorener oder zu Chips gepresster Form", heißt es auf Seite 69.

Das Wissen über ihren Mann machte sie sich zunutze: Immer wieder war sie zum Beispiel genervt davon, dass er in der Küche herumlungerte und sie einengte, wenn sie kochte. Immer wenn sie ihn dafür anraunzte, schien er selbst überrascht über sein Verhalten. Um ihn davon abzuhalten, ihr auf die Nerven zu gehen, wandte sie jetzt einen Trick an: Sie stellte eine Schüssel Chips und eine Flasche Bier ans andere Ende des Raumes. Dort hielt Scott sich plötzlich automatisch auf. Er folgte seinen natürlichen Bedürfnissen - der Vorliebe für Knabberzeug und Alkohol.

Amy Sutherland ging es bei ihrem - nicht ganz ernst gemeinten - Experiment nach eigener Aussage in erster Linie darum ihre Ehe zu verbessern. Sie trieb aber noch eine andere Motivation: Sutherland ist besessen vom Trainieren von Tieren. Da ihre beiden Hunde schon erzogen waren, blieb nur noch einer im Haus, den sie dressieren konnte: Ehemann Scott. Der - man mag es kaum glauben - auch noch von den merkwürdigen Vorlieben seiner Frau profitierte.

Eine der wichtigsten Grundregeln des Tiertrainings galt nämlich auf einmal auch für ihn: "Es ist niemals die Schuld des Tiers". Ein Grundsatz, der das Zusammenleben mit seiner Frau schlagartig sehr viel angenehmer machte. Viele Regeln ließen sich ganz einfach übertragen: Eine sich häutende Schlange zum Beispiel fasst man nicht an, sie wird sonst gefährlich. Eine Redewendung der Tiertrainer lautet "Alles, was einen Mund hat, beißt." Für einen Ehemann, der gestresst ist, weil er einen Schlüssel nicht findet, gilt dasselbe. Wenn man ihn anfasst oder -spricht, wird er bissig.

Dass die Sutherlands noch zusammen sind, liegt wohl außerdem daran, dass Amy anfing, darüber nachzudenken, dass auch ihrem Verhalten einige klitzekleine Korrekturen nicht schaden könnten. Ein ganzes Kapitel hat sie dem Thema "Nörgeln" gewidmet. Ihr war nämlich aufgefallen, dass man dem Seelöwen nicht durch Nörgelei das Salutieren beibringt. Oder dem Pavian einen Salto durch Meckern, dem Elefanten das Malen, in dem man ihm erst mal alles vorhält, was Elefanten generell so falsch machen. Im Gegenteil, die Trainer, die sie begleitete, korrigierten ihre Tiere nicht einmal. Also hörte auch sie damit auf.

Sutherlands Mann wurde von Tag zu Tag zufriedener und aufmerksamer, je mehr sie sich an die Regeln hielt. Eine lautete "Zurück in den Kindergarten": Wenn das Tier/der Ehemann Schwierigkeiten beim Erlernen eines Verhaltens zeigt, darf es/er eine leichtere Übung machen. Außerdem kam dem Verhältnis der beiden "Trainiere jedes Tier, als wäre es ein Schwertwal" zugute. Sie setzt voraus, dass man das Tier/den Ehemann weder gewaltsam vom Fleck rühren noch dominieren kann.

All diese Regeln klingen banal, aber sie wirkten. Scott Sutherland machte auf einmal, was seine Frau von ihm wollte. Ganz ohne viele Worte. Amys Experiment brachte ihr nämlich noch eine Erkenntnis: Ihr Training gelingt am besten, wenn sie nicht redet und sich konsequent verhält. Die meisten Eltern wissen das. Und, mal ehrlich, in der Kommunikation zwischen Mann und Frau bilden Worte seit jeher das größte Hindernis. Sinnvolleres Vorgehen: Unerwünschtes Verhalten ignorieren, richtiges belohnen. Wenn Scott seine durchgeschwitzten Fahrradklamotten aus dem Bad entfernte, wies Amy ihn nicht mehr darauf hin, dass sie einen feuchten Fleck auf dem Boden hinterlassen hatten. Sie lobte ihn nur.

Wenn ihr Mann etwas machte, was sie toll fand, sagte sie "Danke", küsste ihn, umarmte ihn, streichelte seinen Kopf. Daraufhin machte er noch mehr Dinge, die sie toll fand. Und wenn er sich richtig ins Zeug legte, gab es einen "Jackpot". Seelöwen bekommen einen ganzen Eimer voll Makrelen, wenn sie es endlich schaffen, den Ball auf der Nase zu balancieren. Scott bekam ein Teil für seine Stereoanlage, als er einmal ohne zu murren nach Boston - das zwei Stunden entfernt war - fuhr, um in Amys und seiner gemeinsamen Zweitwohnung die Heizung abzustellen, die Mieter vergessen hatten auszumachen. Eine große Aufgabe gibt eine große Belohnung.

Eigentlich alles sehr logisch.

Der Einfall, Scott wie ein exotisches Tier zu trainieren, stieß aber auch auf Widerstand - vor allem bei Männern, mit denen die Autorin nicht verheiratet war. Sie bekam wütende E-Mails, in denen stand, sie erniedrige und manipuliere ihren Ehemann. Amy Sutherland blieb cool. Ihr Grundsatz: "Menschen sind auch nur Tiere". Auch Männer. Auch die intelligentesten. "Außerdem bin ich noch niemals einem Mann begegnet, der etwas dagegen hatte, mit einem Löwen oder einem Tiger verglichen zu werden", fügt sie in ihrem Buch hinzu. Mag sein, dass sie Recht hat. Dass sie "Die Männerbändigerin" geschrieben hat, lehrt uns aber vor allem auch eins: Menschen sind Tiere. Auch Frauen. Auch die intelligentesten.

Amy Sutherland, Die Männerbändigerin, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 220 Seiten, 8,95 Euro

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