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"Wir sind nicht mehr in der Krise"

Karlsruhe - Gut 560.000 aller Gesamtmitglieder des ADAC sind im ADAC Nordbaden organisiert. Am Samstag kamen die Delegierten der 74 Ortsclubs zur jährlichen Mitgliederversammlung in Karlsruhe. ka-news-Mitarbeiter Tim Kummert über eine Veranstaltung, die auf Vertrauensrückgewinn abzielte - und eine Entschuldigung bereithielt.



Der hagere Mann im Anzug sitzt schon bei der Pressekonferenz vor der Mitgliederversammlung des ADAC Nordbaden stillschweigend neben den Medienvertretern. Ab und zu schreibt er mit Füller in seine mitgebrachte Mappe, ansonsten verhält er sich ruhig und unauffällig.


Himmelfahrtskommando aufhalten

Später jedoch nimmt er abermals bei den Journalisten im Presseblock Platz. Eine journalistische Randnotiz, so könnte man meinen. Doch der wach in die Gegend blickende Mann mittleren Alters ist kein ins Notizbuch kritzelnder Berichterstatter, sondern Unternehmensberater. Er wurde vom ADAC engagiert, um den Reformprozess kritisch zu begleiten und von außen Rückmeldung zu geben. Seinen Namen will er gegenüber ka-news nicht nennen, doch zeigt allein seine permanente Anwesenheit, dass es dem ADAC mit dem anberaumten Reformprozess nach Bekanntwerden diverser Skandale offenbar ernst ist. Der Club der gelben Engel will das Himmelfahrtskommando aufhalten.

Man will aufräumen, dies betont der Geschäftsführer Matthias Schmitting: "Wir sind nicht mehr in der Krise, sondern auf dem Weg der Reform", obwohl man einen merklichen Vertrauensverlust erfahren habe. Tatsächlich hat die Anzahl der Neueintritte in den ADAC Nordbaden abgenommen: 774 Neueintritte weniger - allein im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr hat der ADAC Nordbaden zu verzeichnen. Hinzu kommen 10.474 eingegebene Kündigungen, gut dreimal so viele wie im selben Zeitraum des Vorjahres.


Strukturen auf dem Prüfstand

Deshalb sei jetzt, so Schmitting weiter, der "ganzheitliche Reformprozess" unabdingbar. Dieser zieht unter Anderem den Einsatz eines externen Beirats nach sich, dem mitunter der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier und der Vorsitzende von Unicef Deutschland, Jürgen Heraeus, angehören. Dieser prüft Entscheidungen kritisch, begutachtet die Reform - und kann sich bei Fehlentwicklungen an die Öffentlichkeit wenden.


Auf Nachfrage von ka-news bei dem eingangs erwähnten Unternehmensberater, wie ernst es dem ADAC denn nun wirklich mit seinen Reformplänen sei, antwortet dieser: "Der von Herrn Schmitting erwähnte externe Beirat spricht schon eine deutliche Sprache" - und tatsächlich wirkt es, als kämen alle Strukturen auf den Prüfstand. Von Kündigungen geht Schmitting aber nicht aus.


Die Manipulation der Zahlen bei der Vergabe des "Gelben Engel" hat dem ADAC schwer zugesetzt. Der Vorsitzende Günther Bolich zieht den Vergleich zu einer Partei: Es gebe in größeren Organisationen ab und zu eben Querelen, der ADAC habe insgesamt an die 6.500 Mitarbeiter, da gebe es eben gewisse Unregelmäßigkeiten. Aber: "Wir wollen den Stolz zurückgewinnen", so Bolich. Ein hehres Vorhaben.


ADAC-Ortsverbände: ""Wir spüren die Krise null"

Die gesamte Mitgliederversammlung stand ganz im Zeichen der aktuellen Krisen um den ADAC. Deutlich mehr als 100 Delegierte aus den einzelnen Ortsverbänden waren gekommen, der Gesandte Horst Kretschmer sagte gegenüber ka-news: "Wir spüren die Krise null - und haben eigentlich keinen Gedanken an Austritte verschwendet". Ein weiteres Mitglied betont, dass man "sehr wohl zwischen Karlsruhe und München differenzieren" könne.


Die wesentlichen Fehler seien in München gemacht worden, dennoch entschuldigt sich Bolich deutlich vom hellerleuchteten Podium herunter vor der versammelten Mannschaft, dennoch sei die Krise "von oben" ausgegangen. Aktuell liegt der Grund-Mitgliedsbeitrag bei 49 Euro pro Jahr. Damit bekämen die "Gelben Engel" der Straßenwacht rund 86 Prozent der Fahrzeuge wieder in Gang gesetzt.


Bolich betont, dass der ADAC bei seinen Vereinsstrukturen bleiben wolle, wenngleich bei einem so geringen Mitgliedsbeitrag der ADAC auch in Zukunft man "eine gewisse Wirtschaftlichkeit" brauche. Anfang Mai 2015 sei der Reformprozess abgeschlossen, dann könne man auch endgültige Aussagen zu den Auswirkungen der Krise machen. Einer der wenigen Sätze, die der omnipräsente Unternehmensberater noch sagt, ist: "Ich bin ADAC-Mitglied. Und ich bleibe es." Nach der totalen Bruchlandung muss der gelbe Engel das Fliegen wohl erst wieder lernen.

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