Tim Beyer

Freier Journalist, Köln

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Gewichtheben: Florian Sperl - Reformer in Trachtenjacke

Dopingmissbrauch und Korruption - Gewichtheben hatte schon mal einen besseren Ruf. Florian Sperl, der Präsident des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber, möchte den Sport retten. Im Sportschau-Interview spricht er über seine Pläne.

An einem Montagmorgen Ende Januar sitzt Florian Sperl in seinem Büro in München, zum weißen Hemd trägt er Trachtenjacke - er tut das gerne bei offiziellen Terminen. Ein bisschen Folklore kann in Bayern nie schaden, auch dann nicht, wenn man die Welt des Sports verändern möchte. Sperl, 33, ist Bautechniker und Ortsvorsitzender der CSU Egling, doch seine Leidenschaft ist das Gewichtheben. Früher war er selbst aktiv, zweite Liga, immerhin: 117 Kilo im Reißen, 156 Kilo im Stoßen.


Heute hebt Sperl nur noch in der Freizeit Gewichte, doch der Sport lässt ihn nicht los. Noch immer tritt er an gegen Widerstände, nur sind das keine Gewichte mehr und auch nicht der eigene Körper. Sperl kämpft nun gegen Dopingmissbrauch und Korruption, und er kämpft um den Sport, den er liebt.


Kandidatur als IWF-Vizepräsident

Nach dem Ende seiner aktiven Karriere war Sperl vier Jahre lang Vizepräsident des Bayerischen Gewichtheberverbandes, seit Ende 2020 ist er Präsident des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber ( BVDG). Kürzlich hat Sperl einen Brief geschrieben an die Internationale Weightlifting Federation ( IWF), den Weltverband im Gewichtheben. Er hat darin den Rücktritt des amtierenden Vorstands gefordert, er hat aber auch angekündigt, selbst zu kandidieren: als erster Vizepräsident und als normales Mitglied.


Im Interview mit der Sportschau sagt Sperl, er sei ein Idealist und trete für seine Überzeugungen ein - auch dann, wenn er sich damit unbeliebt mache. Er sagt: "Ich kämpfe für einen sauberen Sport und gegen Korruption."


Der Schaden der Aján-Jahre

Gewichtheben war mal eine stolze Sportart, eine von nur zehn, die 1896 bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit dabei war. Der Sport hat früher beeindruckende Geschichten geschrieben, sie handelten von Kraft, Technik, Präzision. Zuletzt waren die Geschichten weniger schön, es ging um Korruption, Dopingvertuschung, Wahlbetrug - und irgendwie immer auch um Tamás Aján, 82.


Fast ein halbes Jahrhundert hatte Aján die Entwicklung der IWF entscheidend mitgeprägt, 20 Jahre war er Präsident. Er tat gerne so, als gehe es ihm nur um den Sport, doch das war eher nicht so. Man weiß das heute. Als im Januar 2020 die ARD-Dokumentation "Der Herr der Heber" ausgestrahlt wurde, war dies der Anfang vom Ende der Aján-Herrschaft. Im April trat er als IWF-Präsident zurück. Mittlerweile ermittelt sogar das FBI gegen Aján.


Gewichtheben hat nun ein Glaubwürdigkeitsproblem - es wird den Sport noch einige Zeit beschäftigen. "Das hat dem internationalen Gewichtheben massiv geschadet", sagt Sperl. Er spricht von der "größten Krise" in der Geschichte dieses Sports. Sperl tritt nun an, um das Gewichtheben zu reformieren - es gibt einfachere Aufgaben.


Yodbangtoey - Sperls Gegenspieler

Gemeinsam mit dem BVDG hat Sperl ein Sieben-Punkte-Programm entwickelt, es könnte ein erster Schritt sein. Ein Auszug: Die Bereiche Anti-Doping und Good Governance müssten endlich wirklich unabhängig sein, fordert Sperl. Mitgliedsverbände, die wegen Dopingmissbrauchs von den Olympischen Spielen ausgeschlossen wurden, sollten auch nicht an der IWF-Wahl teilnehmen dürfen. Das Wirken bei der IWF solle auf maximal zwei Amtszeiten, acht Jahre, begrenzt werden. Und überhaupt müssten alle eingereichten Wahlvorschläge durch eine dem Internationalen Olympischen Komitee ( IOC) unterstellte Integritäts-Komission überprüft werden.


Für Intarat Yodbangtoey wären es keine gute Nachrichten, sollte man Sperls Ideen folgen. Yodbangtoey war einer von Ajáns engsten Verbündeten und lange Vizepräsident - ein Amt, für das er sich nun wieder bewirbt und das auch Sperl gerne antreten möchte. Auch Yodbangtoey wirft man Korruption und Dopingmissbrauch vor, er bestreitet die Vorwürfe.

Bei Olympia 2012 in London war Yodbangtoey Teamchef von Thailand und damit auch verantwortlich für Rattikan Gulnoi, sie gewann damals Bronze. Heute weiß man, dass sie viele Jahre gedopt hat, auch vor den Wettkämpfen in London. Gulnoi hat den Dopingmissbrauch in der Dokumentation "Der Herr der Heber" selbst zugegeben.


Sollte Yodbangtoey tatsächlich wiedergewählt werden, wäre das ein "absolut schlechtes Signal und verheerend", sagt Sperl. Schließlich, so sieht Sperl das, könne es ja "nicht angehen, dass so jemand wieder für so ein Amt kandidiert und womöglich auch noch Chancen hätte." Auch, damit es nicht dazu komme, habe er sich zu einer Kandidatur entschlossen. Er habe viel Unterstützung für seine Vorschläge erhalten, sagt Sperl. Doch wie ernst es den Unterstützern wirklich ist, wird erst die Wahl zeigen.


Parallelen zum Box-Weltverband AIBA

Womöglich hat das Gewichtheben Reformen nie dringender benötigt als heute, und es gibt nun auch Reformer, nicht nur Sperl. Doch noch gibt es auch sie: Athleten, auch Verbände, die vom korrupten System profitiert und kein Interesse an Veränderung haben. Doch weitergehen wie bisher könne es eben auch nicht, hat das IOC gerade erklärt. Dort fordern sie vom Gewichtheben nun Aufklärung statt Verklärung.


Sonst könnte dem Sport ein ähnliches Schicksal drohen wie dem Boxweltverband AIBA. Den hatte das IOC 2019 suspendiert, es ging um Missmanagement im Finanzbereich, Korruption, Ethikverstöße, eine intransparente Verbandsführung und Mängel im Anti-Doping-Kampf. Man kann da schon Parallelen erkennen zum Weltverband im Gewichtheben.


Im Boxen fürchten sie noch immer um den Olympischen Status ihres Sports - es ist ein Szenario, das auch im Gewichtheben möglich ist. Auch hier hat sich das IOC eingeschaltet und über die Zukunft eines Sports beraten. Der Olympiastatus des Gewichthebens sei "in großer Gefahr", sagt Sperl. Ein Sport wie das Gewichtheben, der Tradition habe und Leidenschaft, dürfe nicht verschwinden. Es müsse nun endlich gehandelt werden, sagt Sperl. " Dafür setze ich mich ein."

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