Tim Beyer

Freier Journalist, Köln

17 Abos und 4 Abonnenten
Artikel

Ich heiße Thomas, wie kann ich dir assistieren?


Thomas Müller zeigte beim Sieg des FC Bayern in Köln, wie gerne er unter Trainer Hansi Flick Tore vorbereitet. Zwei Assists steuerte er schon in den ersten Minuten bei. Dass es nicht mehr wurden, lag nicht nur an ihm.


Aus Köln berichtet Tim Beyer


Mit dem Orkantief "Victoria" hatten sie gerechnet in Köln, der Wetterdienst hatte vor Sturmböen von 90 Kilometern pro Stunde gewarnt und vor Unwettern. Doch "Victoria" blieb zunächst ein laues Lüftchen, stattdessen fegte ab 15.30 Uhr ein Sturm durch das Rheinenergiestadion, der die Spieler des 1. FC Köln völlig überraschte. Orkantief "Thomas", nach Thomas Müller, dem besten Spieler auf dem Platz.


Beim 4:1 (3:0) des FC Bayern in Köln war Müller zunächst kaum zu stoppen. Schon nach zwölf Minuten lagen die Bayern mit drei Toren vorne, zweimal hatte Müller die Vorarbeit geleistet. Vor dem Führungstreffer von Robert Lewandowski sezierte er Kölns Abwehr mit einem einzigen Pass, dem 2:0 von Kingsley Coman ging ein so simpler wie effektiver Müller-Querpass voraus. Es waren in dieser Bundesliga-Saison bereits die Torvorlagen 13 und 14 für Müller. Beinahe wären gar noch zwei hinzugekommen, doch Serge Gnabry traf nach Müllers Vorlage nur die Latte und Coman schob knapp daneben.


Als er später gefragt wurde, wie ihm das Spiel gefallen habe, sagte Müller: "Die erste Hälfte war zum Zungeschnalzen." Er wird damit die gesamte Bayern-Elf gemeint haben; den umsichtigen Thiago und auch Gnabry, der in seinem 50. Pflichtspiel für den Rekordmeister doppelt traf und nun in fünf Spielen gegen Köln sechs Tore erzielt hat. Womöglich hat Müller aber auch über sich selbst gesprochen.


Es hatte in der Karriere von Thomas Müller über viele Jahre nur gute Zeiten gegeben. Erst war er der schlaksige Junge aus dem Bayern-Nachwuchs, der so regelmäßig traf, dann ein gefürchteter "Raumdeuter" und ein Nationalspieler, den die Fans liebten. Doch als bei den Bayern der Trainer Niko Kovac hieß, büßte Müller an Status ein. Einmal, im Herbst 2019, sagte Kovac über Müller: "Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen."


Zwei Hälften, zwei Gesichter

Nicht einmal ein halbes Jahr ist seitdem vergangen und doch hat sich einiges geändert: Aus dem Bayern-Trainer Kovac ist einer ohne Job geworden, der Coach in München heißt nun Flick und Müller spielt wieder wie Müller. In den letzten zwölf Bundesligaspielen hat er fünf Tore erzielt und zehn Treffer vorbereitet, eine famose Quote. "Dass Thomas seine Mitspieler gut in Szene setzen kann, ist klar", sagte Torhüter Manuel Neuer. "Er hat einfach den richtigen Riecher."


Dass man bei den Bayern nach diesem Spiel und der Rückeroberung der Tabellenspitze dennoch nicht nur freudestrahlende Gesichter sah, lag daran, wie sich die Mannschaft in der zweiten Hälfte in Köln präsentiert hatte. Orkan "Thomas" wirbelte zwar noch immer, doch die Sturmböen, die er Kölns Defensive entgegenpustete, verloren an Kraft. Seine beste Szene nach Wiederanpfiff hatte Müller, als er mit der Hacke fast zärtlich für Gnabry ablegte, der jedoch das Tor verfehlte.


Stattdessen spielten plötzlich die Kölner auf, die vor der Pause nicht einmal aufs Tor geschossen hatten. Sie waren dem Rekordmeister nun ein ebenbürtiger Gegner. Zweimal innerhalb von neun Minuten traf Kölns Jhon Córdoba - doch die Tore zählten nicht, weil einmal der Torschütze und einmal Passgeber Ellyes Skhiri im Abseits standen. Als später Uth traf, hätte das durchaus der Beginn einer Aufholjagd werden können, doch Córdoba und Anthony Modeste vergaben auch beste Möglichkeiten.


"Das Leben selber schwer gemacht"

Bei den Bayern war zu diesem Zeitpunkt längst auch Linksfuß Lucas Hernández als rechter Innenverteidiger auf dem Platz, was dem Spielaufbau der Bayern nicht gut tat. Sicher sei das eher unüblich gewesen, sagte Neuer und sprach von einem Gewöhnungsprozess. Doch als Ausrede mochte er diese Umstellung nicht gelten lassen. "Mich ärgert, dass wir nicht so konstant weitergespielt haben, weil wir uns das Leben damit selber schwer gemacht haben", sagte Neuer.


Es war nicht das erste Mal in den vergangenen Wochen, dass die Bayern sich zunächst eine deutliche Führung herausspielten und anschließend stark nachließen. Zuletzt war ihnen das im Achtelfinale des DFB-Pokals passiert, als sie zehn Minuten vor Ende 4:1 geführt und dann doch noch zwei Gegentreffer kassiert hatten.


Er habe das Gefühl, seine Mannschaft "fühle sich manchmal zu sicher", sagte Müller. Nur dürfe man sich das "in der Champions League nicht erlauben". Dort tritt der FC Bayern im Achtelfinale am 25. Februar zunächst beim FC Chelsea an (21 Uhr, Liveticker SPIEGEL.de). Im Wissen darum, dass die Angreifer dort nicht Córdoba oder Modeste heißen, sondern Tammy Abraham oder Olivier Giroud.

Zum Original