Tim Beyer

Freier Journalist, Köln

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Artikel

Rumäniens U21-Spielmacher Ianis Hagi: Fast wie der Papa

Rumänien ist die Überraschung bei dieser U21-EM. Das hat viel zu tun mit Ianis Hagi, dem Sohn des früheren Weltklassefußballers Gheorge Hagi. Ihm wird eine große Karriere zugetraut.


Als Deutschlands U21-Nationalspieler Nadiem Amiri vor dem EM-Halbfinale nach dem Gegner Rumänien gefragt wurde, sagte er, vor dem Turnier habe er keinen einzigen Spieler gekannt. Jetzt kenne er einige. Vor allem ein Spieler habe ihn beeindruckt: "Ianis Hagi, der Sohn vom großen Gheorge Hagi."


Als Amiri im Oktober 1996 geboren wurde, war Gheorge Hagi 31 und wenige Monate zuvor von Real Madrid zu Galatasaray gewechselt. Zwei Jahre später kam Ianis Hagi auf die Welt, heute Spielmacher der rumänischen U21 und gerade auf dem besten Wege, selbst ein Star zu werden, so wie sein Vater einer war.


Es gibt Fotos, die den kleinen Ianis zeigen, in voller Galatasaray-Montur und neben einem Pokal, der fast so groß ist wie er. Gheorge Hagi hatte da gerade den Uefa-Cup mit den Istanbulern gewonnen, er trägt einen weißen Anzug, zeigt mit einer Hand auf sich. Mit dem anderen Arm hält er seinen Sohn fest.


Gheorge Hagi ist immer noch ein Held in Rumänien, er ist der beste Fußballer, den dieses Land jemals hatte. Als die U21 vor einigen Tagen bei dieser EM in Cesena spielte und 4:2 gegen England gewann, war natürlich auch er dort. Es gibt ein Video, das zeigt, wie er sich einen Weg vom Stadion zum Parkplatz bahnte, vorbei an verzückten Fans. Sie riefen "Hagi!, Hagi!, Hagi!", manche machten Fotos und es küsste auch jemand die Schulter des ehemaligen Spielmachers. Hagi Senior kam kaum voran.


Englands Albtraum trug die Nummer zehn

Sein Sohn hingegen war im Spiel gegen die Engländer von niemandem zu stoppen gewesen. Ein Tor hatte er selbst erzielt, mit einem feinen Schuss aus 20 Metern, es war das 2:1 in der 85. Minute. Er hatte viele tolle Pässe gespielt und war überall auf dem Spielfeld aufgetaucht, für Englands Abwehr war Rumäniens Spielmacher mit der Nummer zehn ein Albtraum.


Es war jedenfalls überhaupt nicht schwer, an diesem Abend zu einem ähnlichen Schluss zu kommen wie Stefan Kuntz, der Trainer der deutschen U21. Als er vor dem Halbfinale gefragt wurde, ob man denn besonders auf Hagi Junior achten müsse, sagte er: "Er ist wirklich ein außergewöhnlich guter Spieler, keine Frage."


Rumänien hat nicht nur Hagi

Kuntz sagte aber auch, er finde es nicht besonders clever, sich auf einen einzigen Spieler zu fokussieren. Denn dann ergäben sich Räume für alle anderen, das sei ja auch nicht hilfreich. Und da sind ja wirklich noch andere tolle Fußballer, man kann das leicht vergessen bei all dem Wirbel um den jungen Hagi.


Der Torhüter Ionut Radu spielt beim CFC Genua in der Serie A und wird dort oft gelobt für sein Spiel, auch der Angreifer George Puscas hatte bei dieser Endrunde schon tolle Szenen. Puscas hat auch schon für die A-Nationalmannschaft gespielt, dort hat er in acht Spielen vier Tore geschossen.


Vergleiche mit dem Papa - und mit Zidane

Und doch gehört die Aufmerksamkeit in diesen Tagen vor allem Ianis Hagi, 20, auch er schon fünfmaliger A-Nationalspieler. Als Jugendlicher spielte er in der Academia Hagi, der Fußballschule seines Vaters. Später gründete Gheorge Hagi den FC Viitorul, seit 2012 spielt der Klub in Rumäniens erster Liga, seit 2014 ist der ehemalige Weltstar auch gleich noch Trainer. Ianis Hagi war 16, als er dort debütierte, noch im selben Jahr hat ihn der Papa zum Kapitän gemacht.


Das hat Gheorge Hagi dem Magazin "11Freunde" in einem Interview erzählt. Man liest darin wunderbare Sätze ("Die Nummer zehn arbeitet nicht. Sie macht den Unterschied"), man erfährt aber auch, dass Hagi Parallelen zwischen sich und seinem Sohn festgestellt hat, aber auch Unterschiede. Verglichen mit ihm früher sei Ianis Hagi "beidfüßig, größer und schlanker". Überhaupt hatte der stolze Papa beobachtet: "Er spielt nicht wie Gheorghe Hagi, eher wie Zinédine Zidane."


Hagi hatte in Florenz Probleme

Natürlich sind das schöne Worte, doch ob Ianis Hagi diesem Vergleich irgendwann tatsächlich einmal gewachsen sein wird, muss sich zeigen. Mit 17 war er nach Florenz gewechselt, kam dort aber in anderthalb Jahren nur auf zwei Einsätze. Zu wenig für einen Hagi, also kehrte er zurück zum Papa, zurück nach Rumänien. Gut möglich, dass Ianis Hagi nach dieser EM erneut in eine größere Liga wechselt. An Interessenten, so war es in den letzten Tagen überall zu lesen, mangele es nicht. Galatasaray, der Klub, bei dem sein Vater die Karriere beendete, soll dazuzählen, auch Ajax Amsterdam.


Doch erst einmal ist ja die EM, das Halbfinale gegen Deutschland in Bologna. Gheorge Hagi wird dann wieder im Stadion sein, wahrscheinlich wird er auch diesmal wieder große Schwierigkeiten haben, sich seinen Weg durch die Zuschauer zu bahnen. In Deutschland sollten sie nun hoffen, dass es da keine Parallelität der Ereignisse gibt, dass Ianis Hagi nicht wie gegen England von niemanden aufzuhalten ist. Sonst könnte der englische Albtraum mit der Nummer zehn auch ein deutscher werden.

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