Mit "Der Pate" und "Apocalypse Now" schreibt Regisseur Francis Ford Coppola Filmgeschichte. Fünf Oscars später folgt der finanzielle Ruin. Auftragsarbeiten werden zur Notwendigkeit. Ein Filmpionier auf der Suche nach seiner künstlerischen Identität.
Am Ende kann Francis Ford Coppola seinen eigenen Anspruch nicht halten. Seinen Anspruch, sich vom kommerziellen Hollywood nicht korrumpieren zu lassen. Seinen Anspruch, dem oberflächlichen Geschäft zum Trotz mit niveauvollen Filmen zu überleben. Daran musste er scheitern - und die Treue zu seinen Werten wird zur Gratwanderung zwischen cineastischen Höchstleistungen und kreativen Tiefpunkten.
Im Alter von zehn Jahren erkrankt Coppola schwer an Kinderlähmung. Er kann das Bett fast zehn Monate nicht mehr verlassen. Filme im Fernsehen werden zu seinen Therapeuten. Als er sich in den Alltag zurück gekämpft hat, bekommt er von seinen Eltern eine Super-8-Kamera geschenkt. Filme werden von nun an sein Dreh- und Angelpunkt.
Während er in Hollywood erste Erfahrungen sammelt, arbeitet er für den Independent-Regisseur Roger Corman. Die Unabhängigkeit von den Geldgebern der Filmindustrie wird für den jungen Filmkünstler ein goldenes Gebot. Mit seinem Kumpel George Lucas gründet er Anfang der 70er das Filmunternehmen American Zoetrope. Coppola inszeniert das Sozialdrama "Liebe niemals einen Fremden" und Lucas sein Debütfilm "THX 1138". Mit 32 Jahren hält Francis Ford Coppola 1971, als Drehbuchautor von "Patton", seinen ersten von bislang fünf Oscars in den Händen.
Die jungen Wilden einer neuen Generation von Filmschaffenden sind dabei, die US-Filmindustrie und ihre gängigen Mechanismen zu verändern. Coppola und seine Zeitgenossen wollen das Kino aus seiner starren Form lösen und ihm neues Leben einhauchen.
"Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen"
1979 erschuf Regisseur Francis Ford Coppola mit dem Vietnamkriegs-Drama "Apocalypse Now", nach Joseph Conrads Erzählung "Heart of Darkness", die perfekte Sinfonie aus Kunst, Film und kommerziellem Erfolg. Kino in Vollendung. Die Geschichte um Captain Willard (gespielt von Martin Sheen), der auf eine Reise in die Finsternis der menschlichen Seele geschickt wird, bei dessen Ende er auf Colonel Walter E. Kurtz (in wahnsinniger Weisheit brillant von Marlon Brando dargestellt) trifft, ist nicht nur eine filmische Aufarbeitung des Vietnamkriegs, sie ist ein Trip zur Unschuld und Reinheit des notwendigen Bösen.
In der New-Hollywood-Ära gefeiert, zählt "Apocalypse Now" heute zu den einflussreichsten Werken der Filmgeschichte. Die drei Jahre währenden Dreharbeiten führten den am 7. April 1939 in Detroit, Michigan geborenen Regisseur Francis Ford Coppola an den Rand seiner finanziellen und geistigen Möglichkeiten. Bei der Vorstellung des Films in Cannes sagte der Filmemacher: "Der Film handelt nicht über den Vietnamkrieg. Er ist Vietnam. Wir waren im Dschungel. Wir waren zu viele. Wir hatten Zugriff auf zu viel Geld, zu viel Ausrüstung - und nach und nach wurden wir wahnsinnig."
"Luca Brasi liegt jetzt bei den Fischen"
Sieben Jahre zuvor hatte sich Coppola, mit der Verfilmung von Mario Puzos Bestseller "Der Pate" (1972), den Ruf eines exzellenten Filmemachers erarbeitet. Nachdem namenhafte Regisseure das Projekt ablehnen, gibt das Filmstudio Paramount dem damals noch relativ unbekannten Filmvisionär eine Chance. Drei Oscars für den besten Film, das beste adaptierte Drehbuch und die beste Hauptrolle sind der Lohn.
Als Coppola zwei Jahre später die Familiengeschichte der Corleones in "Der Pate - Teil II" fortsetzt, beweist er erneut sein Talent als Filmemacher. Der zweite Teil der Mafia-Trilogie gilt als eine der besten Fortsetzungen des Kinos. Der Film erhält sechs Oscars. Coppola bekommt die Trophäe für Regie und für das erneut mit Schriftsteller Mario Puzo adaptierte Drehbuch.
Der Filmkünstler hat die Entertainment-Maschinerie erfolgreich gezähmt und ihr mit klaren Vorstellungen und neuen Impulsen seinen Stempel aufgedrückt. Mit seiner eigenen Produktionsfirma im Rücken und fünf Oscars auf dem Stubentisch gibt es für Coppola in Hollywood keine verschlossenen Türen mehr.
Doch nach dem von Presse und Publikum gefeierten "Apocalypse Now", sollte ein Liebesfilm den Maler der bewegten Bilder auf den harten Boden der Realität zurückholen.
Die Farbe des Geldes und das Ende einer ÄraNach den Strapazen seines Vietnam-Epos will sich der Regisseur auf ein kleineres Projekt konzentrieren. Der Liebesfilm "Einer mit Herz" (1982) scheint diesem Vorhaben zu entsprechen. Die veranschlagten zwei Millionen US-Dollar Produktionskosten für den Film wachsen im Laufe der Dreharbeiten aber auf 25 Millionen US-Dollar an. Demgegenüber steht ein Einspielergebnis von 636.796 US-Dollar, denn der Film fällt an der Kinokasse und bei den Kritikern gnadenlos durch. Coppola, dessen Geld in der Produktion steckt, bleibt nichts anders übrig als in die Insolvenz zu gehen.
Als Galionsfigur des Neuen Hollywood scheitert er an seinem eigenen künstlerischen Anspruch. Der Filmemacher verliert seine Unabhängigkeit. Es folgen Auftragsarbeiten um seine Schulden zu tilgen. Auch sein nächstes Wunschprojekt "Cotton Club" (1984) bleibt hinter den Erwartungen zurück. Erneut sieht er sich genötigt, Filme zu realisieren, mit denen er sich nicht identifizieren kann. Ein Umstand, der 1990 in der Verfilmung von "Der Pate - Teil III" seinen vorläufigen Höhepunkt findet. Coppola, der geschworen hatte, den "Paten" nicht fortzuführen, brach sein Versprechen aus finanzieller Not heraus.
In den Folgejahren gelingt es dem Regie-Genie von einst nicht mehr an seine glanzvolle Zeit anzuknüpfen. Seine finanziellen Ressourcen bezieht der Pate-Regisseur heute überwiegend aus einem Weingut im nordkalifornischen Napa Valley.
Francis Ford Coppola war das Sinnbild eines unabhängigen Filmemachers, der seine Vorstellung von Kino nicht einschränken lassen wollte. Wenn aber die finanziellen Not den Traum von der Freiheit der Kunst nicht nur einholt, sondern überdeckt, dann wird auch die reinste und leuchtendste Vision nach und nach verblassen und die Farbe des Geldes annehmen.
Heute wird Francis Ford Coppola 75 Jahre alt.