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G+J-Chefin Julia Jäkel - Zwischen Journalismus und PR

Sie arbeitet hart. Man weiß, dass sie gegen 5:30 Uhr aufsteht, um vor der Arbeit Zeit mit ihren Zwillingen zu verbringen. Es ist auch bekannt, dass sie oft bis spätnachts telefoniert und E-Mails verschickt, dass sie den Duft von Dior liebt, in einen Kalender von Tiffany's schreibt und dass ihr Mann Ulrich Wickert einst ihr Herz mit Blumen eroberte. All das ist über Julia Jäkel, 41, Vorstand des Medienkonzerns Gruner und Jahr, schon berichtet worden. Aber eines ist seltsam offengeblieben: ihr Verhältnis zum Journalismus.


Jäkel führt seit September das Deutschlandgeschäft und die digitalen Aktivitäten von Gruner und Jahr. Der von ihr berufene Chefredakteur von Brigitte ist zugleich Geschäftsführer geworden, was Debatten über die Abgrenzung des redaktionellen Teils von den Anzeigen auslöste. Gerade hat sie die Financial Times Deutschland eingestellt. Wie viel Journalismus steckt in dieser Frau? Um das zu sehen, lohnt es sich, an den Anfang ihres Berufslebens zurückzugehen.



Es war vor 15 Jahren, als sich Jäkel für den Journalismus entschied. Sie wollte lernen, zu recherchieren und zu schreiben. Ihr standen 1998 die Türen offen bei Bertelsmann, sie hatte nach dem Studium in Heidelberg, Harvard und Cambridge das Karriereprogramm des Konzerns durchlaufen. Sie hätte zurück zum Buchverlag Random House nach München gehen können, wo sie während der Ausbildung ihre erste Praxisstation absolviert hatte. Oder nach Luxemburg, wo der Chef der Fernsehsparte RTL, Rolf Schmidt-Holtz, sie gerne als Assistentin behalten hätte. Jäkel lehnte ab. Sie zog es zu Gruner und Jahr - der Inhalte wegen, wie sie einmal erklärte. Um zu erfahren, wie Journalisten ticken und Journalismus funktioniert, bat sie Verlagschef Gerd Schulte-Hillen nach Ende ihrer Ausbildung, noch in der Redaktion der Berliner Zeitung arbeiten zu dürfen. Das Blatt galt als großes Experiment des Qualitätsjournalismus, als Versprechen. Der Versuch, aus der ehemaligen SED-Zeitung eine deutsche Washington Post zu machen, war gescheitert, aber nun wollte Gruner und Jahr einen zweiten Versuch wagen. Die 27-Jährige kam in eine Redaktion, in der Aufbruchstimmung herrschte: Der Chefredakteur Michael Maier und sein Chefreporter Alexander Osang waren noch keine 40 Jahre alt. In guten Tagen empfahl Maier seinen Schreibern, sie sollten sich in einer Liga mit der New York Times sehen. Manche glaubten ihm. Er durfte Millionen ausgeben, um 50 Mitarbeiter der alten Mannschaft abzufinden und Edelfedern von der FAZ, taz, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Wochenpost zu holen und sie mit Blattmachern von Bild und Focus zu ergänzen.



Für drei Monate bezog Julia Jäkel eine Verlagswohnung am Kotti in Kreuzberg und arbeitete in der 12. Etage im sozialistisch angehauchten Verlagsgebäude am Alexanderplatz. Nur wenige Kollegen in der Wirtschaftsredaktion wussten, dass sie bei Bertelsmann für Höheres auserwählt war. Manche sahen die Arzttochter aus Wiesbaden als ehrgeizige Praktikantin, die jeden Morgen in der Konferenz lauschte, wenn es krachte zwischen den Feuilletonisten und den Lokaljournalisten. Sie suchte Pressestimmen für die Meinungsseite heraus.

Die drei Monate bei der Berliner Zeitung blieben die einzige Zeit, in der Julia Jäkel originär journalistisch arbeitete: Sie recherchierte und schrieb über einen Streit um das traditionsreiche Hotel Bristol am Kurfürstendamm, über Pläne für 500 Entlassungen beim französischen Mischkonzern Alcatel in Berlin. Mit einem Artikel über Ermittlungen gegen die Berliner Bank schaffte sie es sogar auf Seite eins. Mehrmals berichtete sie gemeinsam mit Kollegen. Sie nutzte ihre Kontakte und befragte in einem Bericht über geplante Abhörgesetze auch Gerd Schulte-Hillen. Den Mann also, der sie zur Berliner Zeitung geschickt hatte. In Berlin war eben vieles möglich. Am Ende entschied sich Julia Jäkel jedoch gegen das Schreiben, weil sie fand, dass andere darin besser seien. Sie wurde geschäftsführende Redakteurin beim Promiblatt Gala, doch inhaltlich befriedigte sie das nicht. Als Christoph Keese, der frühere Wirtschaftschef der Berliner, sie anrief und fragte, ob sie die Financial Times Deutschland mitgründen wolle, machte sie mit. Wieder ein Aufbruch, wieder ein Labor des Journalismus, dessen Teil sie sein wollte. Aber sie wurde Keeses geschäftsführende Redakteurin, es ging mehr ums Organisieren als ums Recherchieren und Schreiben. Als die PR-Frau ausfiel, übernahm sie auch deren Aufgaben.


Wieder stellte sich die Frage: Wohin soll sie gehen? Tiefer in den Journalismus? Oder hin zur Verlagsseite? Sie kümmerte sich für die FTD um das Luxusmagazin How to spend it und andere Beilagen, die Anzeigen versprachen. 2004 wechselte sie ins Management von Gruner und Jahr, nun steht sie an der Spitze des Unternehmens. Sie hat ihr eigenes Labor. Mit der FTD wurde sie einen Verlustbringer los, aber ihr Haus büßt damit an Bedeutung ein. Während im Wirtschaftsjournalismus 360 Arbeitsplätze wegfielen, expandiert die Tochter für Firmenmagazine und eröffnete ein neues Büro in München. Wer wird Gruner und Jahr künftig journalistisch repräsentieren: Stern und Geo oder Lifestyle-Blätter wie Couch? Liegt die Zukunft der Medien in der Glaubwürdigkeit oder in der Geschmeidigkeit gegenüber den Anzeigenkunden? Mehr Journalismus - oder weniger? Julia Jäkel wird das wieder einmal entscheiden müssen.

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