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Als Berlin von Franken aus regiert wurde / 2020

Die Cadolzburg im mittelfränkischen Landkreis Fürth erinnert in einer Ausstellung an ein bedeutsames Detail der Geschichte der Hohenzollern: Der Sprung an die Macht in Preußen gelang ihnen in Franken. Die Bayerische Schlösserverwaltung nennt die Cadolzburg daher „eine Art Motor- und Scharnierfunktion für diese dynastische Karriere." Die Burg steht für den Aufstieg der Hohenzollern zum bestimmenden Adelsgeschlecht in Deutschland. Die Zollern kamen von der Schwäbischen Alb, wo in Hechingen noch heute ihr Stammsitz liegt. 1191/92 habe sie der Kaiser zu Burggrafen von Nürnberg ernannt und fortan habe ihr Herrschaftsschwerpunkt in Franken gelegen, betont Uta Piereth, die Museumsreferentin der Cadolzburg, auf einem Blog der Schlösserverwaltung. Als der König dann den Burggrafen der Cadolzburg 1415 zum Kurfürsten der Mark Brandenburg ernannte, zählten die Zollern zu den sieben Königswählern und nutzten das, um 1701 zu Königen in Preußen und 1871 zu Kaisern des Deutschen Reiches aufzusteigen. „So kommt es, dass im späten Mittelalter eine ganze Weile lang Berlin von Cadolzburg und Ansbach aus regiert wurde." Lange her. Im Sommer 2019 wurde bekannt, dass der Prinz von Preußen vom Bund und von den Ländern Berlin und Brandenburg Tausende von Kunstwerken zurückfordert, die als Leihgaben in Museen ausgestellt sind und Werte in dreistelliger Millionenhöhe darstellten. Zudem fordert er Entschädigungen in Höhe von 1,2 Millionen Euro auf Grundlage der Verstaatlichung in der sowjetischen Besatzungszone. Es geht außerdem um ein dauerhaftes unentgeltliches Wohnrecht im Potsdamer Schloss Cecilienhof. Gerungen wird seit mehr als 25 Jahren. Das maßgebliche Gesetz von 1994 schließt Entschädigungen aus, wenn der Begünstigte der DDR-Diktatur oder dem Nazi-Regime „erheblichen Vorschub geleistet hat". Die Hohenzollern beauftragten den Historiker Christopher Clark mit einem Gutachten. Er bescheinigte dem Kronprinzen, nur eine Randfigur beim Aufstieg Hitlers gewesen zu sein.

Gutachter liegen im Clinch

Bevor die Verwaltung zugunsten der Hohenzollern entschied, holte Brandenburg weitere Gutachten ein. Stephan Malinowski, der an der Universität Edinburgh lehrt und zum Adel im Dritten Reich forschte, betonte: Der Kronprinz sei - obwohl kein Mitglied der NSDAP - am rechten Rand „als Symbol jener Kollaboration" zu verstehen, „die Hitler den Zugriff auf den Staatsapparat ermöglichte". Er habe sich in Uniform mit Hakenkreuz porträtieren lassen, sei mit Hitler öffentlichkeitswirksam aufgetreten und habe 1932 eine Wahlempfehlung für ihn veröffentlicht. Insgeheim habe der Thronfolger gehofft, unter Hitler als Reichspräsident zurück an die Macht zu kommen. Er pries ihn in Briefen als „genial" und tat die Internierung von Juden gegenüber dem Ausland als notwendige „Aufräumarbeiten" ab. Die Hohenzollern bestellten ein weiteres Gutachten und kündigten 2016 neue Quellenfunde an, wonach der Kronprinz 1932 „Hitler verhindern" wollte. Zudem verwiesen sie auf bisher kaum bekannte „Kontakte zum Widerstand" gegen Hitler und darauf, dass der Kronprinz von den Verschwörern um Stauffenberg im Erfolgsfall „als Staatsoberhaupt auserkoren" war. Malinowski widersprach: „Aus Kontakten zwischen der Familie zu dem rechten Rand im Spektrum des 20. Juli eine Zugehörigkeit zum Widerstand ableiten zu wollen, erscheint beim Forschungsstand abenteuerlich." Diese Deutung sei „durch kein einziges Dokument erhärtet". Dazu liefere auch das vierte Gutachten, das sich teilweise selbst widerspreche, keine Belege. Alle vier Gutachten sind auf der Website Hohenzollern.lol des Fernsehsatirikers Jan Böhmermann einsehbar. Der Streit beschäftigt mittlerweile Kultur-Stiftungen, das Kulturministerium im Kanzleramt, Länderregierungen und -parlamente in Berlin und Brandenburg, einen Ausschuss im Bundestag, Dutzende von Historikern und Juristen sowie mehrere Gerichte. Bund und Länder wiesen die Forderungen des Prinzen zurück. Das Kulturstaatsministerium will offenbar Streit vermeiden und äußerte sich zurückhaltend, man strebe eine dauerhafte Gesamtlösung für verschiedene Kunst- und Sammlungsgegenstände an, sei aber noch weit entfernt von einer Einigung. Auf seiner Website preussen.de zeigt der Prinz von Preußen nicht nur den Stammsitz in Hechingen; sie dient seit einer Überarbeitung im Dezember vor allem dazu, die Ansprüche der Hohenzollern zu untermauern. Sie verlinkt auch Orte zahlreicher ehemaliger Besitztümer der Hohenzollern, viele davon in Bayern gelegen: Ansbach, Abenberg, Bayreuth, Cadolzburg, Erlangen, Heilsbronn, Kulmbach, Nürnberg, Roth, Schwabach, Weißenburg, Zirndorf und andere. Ein dezenter Hinweis auf Ansprüche auf Residenzen und etwaige Leihgaben? Franziska Wimberger, Sprecherin der Bayerischen Schlösserverwaltung, betont, dass sich die Hohenzollern 1918, als die Monarchie abgeschafft und der Freistaat ausgerufen wurde, nicht mehr in Bayern befanden. „Da die Bayerische Schlösserverwaltung keine Leihgaben vom Hause Hohenzollern besitzt, können keine vertraglichen Ansprüche geltend gemacht werden." ( Thomas Schuler)

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