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Viel Wärme --- Liz Mohn empfiehlt Angela Merkel als Kanzlerin

Es gibt Texte, die werden zum Scoop - nicht weil sie so gut sind, sondern weil sie besser nie geschrieben worden wären. 


Der Text, um den es hier geht, ist so einer. Er macht Schlagzeilen, noch ehe das Heft, in dem er steht, am Kiosk ist. Am Donnerstag erscheint das Magazin Cicero mit der zweiten Ausgabe. Darin: ein Artikel, in dem Liz Mohn, Chefin von Bertelsmann, über Angela Merkel, Chefin der CDU, schreibt. Cicero führt den Text mit den Worten ein: "Seit zwei Jahren hört Bertelsmann, Europas größter Medienkonzern, auf das Kommando von Liz Mohn. Viele Dinge ändern sich. Auch die politischen Bande? In Cicero erklärt sie ihre persönliche Sympathie für Angela Merkel." Unter dem Titel "Da ist viel Wärme" schreibt Liz Mohn über die CDU-Vorsitzende: "Es heißt, dass sie ein kalter Mensch sei. Wer ihr aber gegenübersteht, erkennt: Das sind keine kalten Augen. Im Gegenteil: Da ist viel Wärme. Es heißt, ihr Wille zur Macht sei ausgeprägt, dass es aber an Substanz fehle. Wer sie aus persönlichen Gesprächen kennt, der weiß, wie falsch diese Kritik ist. Ihre Herkunft hat sie stark geprägt, ihre Wertordnung steht auf festem Fundament. ... Wer Angela Merkel aus dem persönlichen Gespräch kennt, der weiß, wie viel Sympathie sie ausstrahlen kann; der weiß, dass sie genaue Vorstellungen davon besitzt, wie unsere Gesellschaft, die Welt und das Leben zu gestalten sind."Liz Mohns Mann Reinhard wollte sich politisch nie festlegen. Anders als Springer sollte Bertelsmann alles publizieren können. Er hatte den liberalen "Stern" - und wollte ihn einst mit der reaktionären Bild-Zeitung kombinieren. Als die Pläne publik wurden, gab es einen Aufschrei - Springer wie Mohn machten einen Rückzieher. Zu Zeiten von Kanzler Kohl galt Bertelsmann als SPD-nah, was vor allem daher kam, dass Kohl gut mit Bertelsmann-Konkurrent Leo Kirch konnte. Angela Merkel habe sie einmal auf die Berichterstattung in ihren Medien angesprochen, schreibt Liz Mohn. Sie habe ihr gesagt: "Bei Bertelsmann herrscht Pluralität. Es gibt keine Interventionen für eine bestimmte Partei oder einen bestimmten Artikel." Das Management gebe keine Linie vor. Offenbar glaubt man bei Bertelsmann, es genügt, dies zu sagen, um dann Partei beziehen zu können und kaum verhüllt einen Regierungswechsel zu empfehlen. Sollten wirklich weder Liz Mohn noch einer ihrer zahlreichen Berater gemerkt haben, dass sie genau dies mit dem Beitrag tun? Manfred Bissinger, der als "Stern"-Vize den Kauf von Springer vereitelt hatte, schrieb im Tagesspiegel, Liz Mohn erweise Merkel keinen Dienst. Wie sollen die Bertelsmann-Journalisten künftig Positives über sie schreiben, ohne sich verdächtig zu machen? Dass nun "die letzte verlässliche Maxime des Hauses, die die strikte Nichteinmischung der Führung in die aktive Politik vorsah, auf der Strecke zu bleiben droht, könnte bittere Folgen haben".Bissinger selbst war und ist politisch nicht neutral. Man weiß, dass er Gerhard Schröder berät. Aber das macht seine Verwunderung, ja Empörung nicht falsch. Spätestens bei Liz Mohns Forderung, Angela Merkels Einsatz für die Bürgergesellschaft "muss unsere Zukunft sein", mahnt Bissinger, man sollte "einen Moment innehalten und uns vorstellen Friede Springer, die Witwe des großen deutschen Gründungsverlegers hätte so einen Text publiziert. Ein Aufschrei erschütterte die Medienlandschaft. Die Pressefreiheit gelte als angeschlagen."Laut Cicero kam der Anstoß zu dem Text aus der Redaktion. Man habe Liz Mohn einfach gefragt, ob sie über Merkel schreiben will, weil man wusste, dass die CDU-Chefin und sie sich verstünden. Dass sie eine derart eindeutige Stellungnahme für Merkel abgab, dürfte auch bei dem Blatt großes Erstaunen ausgelöst haben. Gut möglich, dass es Liz Mohn gar nicht um Merkel als Kanzlerin geht, sondern um sich selbst als legitime Nachfolgerin ihres Mannes bei Bertelsmann. Denn projiziert sie nicht in Merkel all jene Werte - "keine Eitelkeiten", "Offenheit", "Kritikfähigkeit", "Härte zeigen", "Macht im Sinne von machen", "gesellschaftliche Verantwortung", "Zukunft" gestalten -, die zum Moralgerüst ihres Mannes gehörten? Im Grunde schreibt Liz Mohn über Liz Mohn. Angela Merkel kam da gerade recht. Das macht den Artikel freilich nicht besser.



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