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Reportage

Der Gipfel kommunaler Geheimhaltung

Im Harz herrscht Goldgräberstimmung. Nach Jahrzehnten der Stagnation blühen allerorten Träume von der Renaissance touristischer Glanzzeiten. Befeuert mit Fördermitteln ist manche Kommune bereit, auch noch das Tafelsilber zu veräußern. So etwa in Bad Sachsa, wo die Bürgermeisterin plant, den Ravensberg mit einem Bergdorf zu besiedeln. Wo jetzt noch der Geist der 60-er Jahre weht, soll ab 2017 Exklusiviät und internationaler Flair herrschen . Als Vergleich muss das Harz Resort in Torfhaus herhalten. Mit massiver Unterstützung des Landes und des damaligen Ministerpräsidenten McAllister war der gesamte Ort 2012 und 2013 umgebaut worden.

Der gefühlte Boom im Fremdenverkehr scheint bisher einen Bogen um die in die Jahre gekommene Kurstadt gemacht zu haben. Während in der Region überall neue Projekte und Attraktionen aus dem Boden gestampft werden, tritt Bad Sachsa auf der Stelle. Die Stadtoberen und eine Investorengruppe um die Glücksburg Consulting (GLC) haben einen Trumpf im Ärmel und der heißt Ravensberg.  Der glänzt durch zwei Standortvorteile. Er ist der einzige Harzer Gipfel, der mit einer öffentlichen Straße erschlossen ist und er bietet einen Panoramablick vom Brocken im Norden über die Goldene Aue zum Kyffhäuser im Südosten und bis ins Weserbergland. Deswegen erfreut sich der Berg trotz mangelnder Attraktionen immer noch einer großen Beliebtheit als klassisches Ausflugsziel.


Mitten im Wahlkampf


Für Bürgermeisterin  Helene Hofmann wäre der Bau des Bergdorfs eine Höhepunkte ihrer 18 Jahre währenden Regentschaft. Im Juni 2014 wählt Bad Sachsa ein neues Stadtoberhaupt und die Amtsinhaberin befindet sich seit Ende letzten Jahres im Dauerwahlkampf. Nun müsste endlich ein Befreiungsschlag her. Trotzdem macht Hofmann aus ein Geheimnis aus den Planungen. Erst nachdem der Harzer WochenSpiegel über das Projekt berichtet hatte, bestätigte die Verwaltungschefin erstmals im April offiziell die Gespräche mit einer Investorengruppe. Dabei machte sie schon im Dezember 2013 der gegenüber der WochenSpiegel-Redaktion keinen Hehl daraus, dass es für sie nur noch um Detailfragen geht. Das hielt Helene Hofmann aber nicht davon ab, anschließend weitere Auskünfte zu verzögern oder gar zu verweigern, eine kommunale Nachrichtensperre über den Harzer WochenSpiegel zu verhängen und auf allen Ebenen gegen die Redaktion zu arbeiten. Diese Form der Zensur will die Bürgermeisterin aber nicht als Eingriff in die Pressefreiheit verstanden wissen.

Zugesagte Gesprächstermine mit der Presse wurden immer wieder auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Auch Planet Haus, Wunschpartner der Kommunalpolitikerin, wollte über Monate hinweg keine Stellungnahme abgeben. Dabei hatte Edith Seemann als Pressesprecherin der GLC die Gespräche bereits im November 2013 bestätigt. Damals war das Bergdorf erstmals Thema einer Geheimsitzung des städtischen Bauausschusses. Es folgten mehrere Sitzungen des Gremiums unter Ausschluss der Öffentlichkeit und im Verwaltungsausschuss stand das Thema mehrfach auf der Tagesordnung. Dessen Ergebnisse sind in Bad Sachsa grundsätzlich vertraulich.


Anspruch und Realität


Diese Geheimhaltungspolitik steht im direkten Widerspruch zu den offiziellen Verlautbarungen der Stadtverwaltung und der Ratsspitzen. So hatten die Bürgermeisterin und Horst Schwedhelm, Vorsitzender der SPD-Fraktion, auf einer Bürgerversammlung am 22. November versprochen, dieBürger künftig stärker in die Stadtentwicklung einzubinden. Schwedhelm lobte damals die Einwohner auf der Versammlung für ihr großes Interesse am Gemeinwesen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte es bereits zwei vertrauliche Sitzungen zum Thema Bergdorf gegeben. Esentsteht der Eindruck, dass die Verwaltung und die Investoren erst an die Öffentlichkeit treten wollen, wenn die Planung und Realisierung stehen. Sie hoffen darauf, dass es dann keine Widerworte gegen das Mammutprojekt geben wird. Angesichts stagnierender Übernachtungszahlen fallen Argumente gegen den Neubau auch schwer. Selbst der CDU-Fraktionsvorsitzende Lutz Rockendorf hält sich mit Kritik zurück.

Begründet wird die Informationssperre mit den Interessen der Investoren. Treibende Kraft bei dem Projekt ist die Glücksburg Consulting. Die Unternehmensberater aus Hamburg betreiben im kommunalen Auftrag die Tourist-Information in Bad Sachsa. Auch in anderen Harz-Orten übernimmt die GLC öffentliche Dienstleistungen.

Erst 2009 hatte die Stadt Bad Sachsa das begerte Grundstück in einer Zwangsversteigerung erworben. Begründet wurde der tiefe Griff in die kommunale Tasche mit einem anderen Interessenten. Nun betreiben die Stadtväter und -mütter genau das, was sie damals verhindern wollten: die Privatisierung der Aussicht.

Klaus Liebing, Berater des Landal Ferienparks in Bad Sachsa, kann das Wahren eines Geheimnisses, das keins mehr ist, nicht nachvollziehen. In Personalunion auch ehrenamtlicher Landrat im Kreis Osterode, fordert er eine Diskussion über die Zukunft des Tourismus im Südharz. Dabei müsse man die Bevölkerung aber frühzeitig mitnehmen.


Die Partner


Derzeitiger Projektpartner ist Planet Haus. Die Dänen mit Filiale in Kiel haben mit Ferienhäusern von der Stange schon 8.000 Wohnungen in Norddeutschland und Skandinavien erstellt. Im Harz hat Planet Haus schon den PanoramaPark St. Andreasberg gebaut, die Häuser an Privatpersonen verkauft und die Vermietung an den Ferienwohnung-Giganten Novasol übergeben. Auch für das Bergdorf ist Novasol im Gespräch.

Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger kommen in den knappen Äußerungen der Verwaltungsspitze nicht vor. Ebenso verschweigen Bürgermeisterin und die GLC auch, dass die derzeitige Konstellation nicht die erste Wahl ist. Bereits Ende 2012 hatte die GLC ihre Fühler in Richtung Landal Green Parks ausgestreckt. Die Niederländer betreiben in Bad Sachsa seit 2009 den Ferienpark Salztal, doch die Gespräche wurden ohne Ergebnis abgebrochen.


Die Fragezeichen


Mit der Schweigepflicht für alle Beteiligten versucht die Bürgermeisterin die Probleme, die mit dem Projekt verbunden sind, zu verdrängen. Denn der Reiz der Lage ist zugleich das große Manko. Derzeit ziert nur eine Sendeanlage der Telekom und ein Berggasthof die Kuppe.

Aber der Gipfel liegt nicht nur drei Kilometer vom nächsten Ortsschild weg. Die vorhandene Infrastruktur wäre einem Bergdorf gar nicht gewachsen, eine Wasserversorgung gibt es gar nicht. Das Restaurant versorgt sich aus einem Trinkwasserbrunnen, die Abwässer werden einmal wöchentlich per Lkw entsorgt, auch die Stromversorgung stellt die Gastronomie gelegentlich vor Problem. Also müssten sämtliche Versorgungsleitungen über viele Kilometer neu verlegt werden. Unter der Hand spricht man von Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe. Für eine Kommune, die unter dem Spardiktat des niedersächsischen Zukunftsvertrag haushalten muss, ist dies wohl nicht machbar. Eine öffentlich-private Partnerschaft steht ins Haus und die städtische Sparkasse steht bereit, um bei der Finanzierung zu helfen.

Auch die Straße auf den Ravensberg dürfte dem erhofften Gipfelsturm nicht standhalten.Schon jetzt an einigen Stellen sanierungsbedürftig, müsste die Zuwegung deutlich verbreitert werden. Ein teueres Vorhaben angesichts der schwierigen Topographie.


Der Umweltschutz


Also können sich die Ausgaben nur lohnen, wenn die Anlage großzügig dimensioniert wird. War anfangs nur von 8 Ferienhäusern die Rede, spricht Martin Weigel, Vorstandsvorsitzender der GLC, nun von 55 Ferienwohnungen und einer dreigeschossigen Bebauung. Schließlich ist das bebaubare Areal begrenzt, denn der Ravensberg liegt im Landschaftsgebiet Harz und der Berggasthof wird von den Naturschutzbehörden nur geduldet. Der Erste Kreisrat Gero Geißlreiter hat dem WochenSpiegel gegenüber schon deutlich gemacht, dass ein Neubau mit drei Etagen nur schwer mit den gesetzlichen Vorgaben in Einklang gebracht werden.

Die Untere Naturschutzbehörde hat noch einen Trumpf im Ärmel. Der Ravensberg ist auch Wasserschutzgebiet und Trinkwasserschutz hatin Deutschland höchste Priorität.

Die Frage, warum Verwaltung, Rat und Investoren trotz der gesetzlichen Barrieren am Bergdorf festhalten, wollte bisher niemand beantworten.


Öffentlich finanziertes Überangebot?


Das Projekt Bergdorf kommt zudem zur Unzeit. So will Landal Greenpark seine Kapazitäten vor Ort noch einmal erhöhen. Die Hotelgruppe Göbel, seit kurzem in Bad Sachsa vertreten, will ebenfalls eine Offensive starten. Damit zweihundert neue Betten fernab der Stadt sich rentieren, müssten die Übernachtungszahlen für Bad Sachsa im zweistelligen Bereich wachsen. Doch trotz eines gefühlten Booms stagnieren diese Zahlen seit langer Zeit bei etwa 250.000 Übernachtungen jährlich. Zudem will Planet Haus seinen Kapazitäten im PanoramaPark in St. Andreasberg noch einmal deutlich ausbauen. Ähnliche Projekte sind in der Vorbereitung. Für die Jordanhöhe wird derzeit ein Bebauungsplan erstellt. Novasol spricht mittlerweile von 2 neuen Anlagen im Harz.

Zur gleichen Zeit reden die Investoren des Harzresort die Zahlen schön. Die Auslastung von knapp über 50 Prozent liegt wohl unterhalb der Rentabilität. Die aktuellen Zuwachsraten bei den Übernachtungen im Westharz liegen eher im Promillebereich und sind auch nur dem sehr schlechten Vergleichszeitraum 2012 zu verdanken.

Ob Bad Sachsa ein Projekt in dieser Größenordnung überhaupt vertragen kann, scheint fraglich. „Irgendwer wird ganz sicher auf der Strecken bleiben“, vermutet Mario Dornieden.


Kollateralschaden


Die ersten Opfer könnten der Gastronom und seine Familie sein. Seit 2010 sind Mario Dornieden und seine Frau Doreen Pächter im städtischen Berggasthof Ravensberg. Egal, in welcher Größenordnung die Investoren planen. Klar ist schon jetzt : das Gebäude aus den sechziger Jahren muss weg. Dabei hat Familie Dornieden schlechte Karten. Ihr Pachtvertrag hat immer nur ein Jahr Laufzeit. Zwar wurde das Vertragsverhältnis gerade verlängert, aber was dann kommt ist fraglich.

Als das Ehepaar die Gaststätte übernahm, gab es nur Tische, Bänke und eine Theke. Die Kücheneinrichtung musste der Pächter selbst kaufen. „Wir haben hier 60.000 Euro in den letzten vier Jahren investiert“, zählt Mario Dornieden auf. Was ein internationales Unternehmen aus der Portokasse bezahlen kann, ist für eine Familie mit zwei kleinen Kindern eine Summe mit hohen Existenzrisiko. Von seinen Vertragspartner ist Mario Dornieden enttäuscht: „Bisher hat niemand mit uns geredet.“