Thomas Hürner

Journalist und Autor, München

8 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

Für 112 Millionen Euro: Cristiano Ronaldo wechselt zu Juventus Turin

Bild: AFP

Die Titelseiten der Turiner Sportzeitung „Tuttosport" dürften in der vergangenen Woche ganz nach dem Geschmack des portugiesischen Ausnahmekönners gewesen sein: Cristiano Ronaldo mit entschlossenem Blick, Cristiano Ronaldo posierend mit dem „Ballon d'Or", Cristiano Ronaldo tagein, tagaus. So richtig ernstgenommen hatte die Gerüchte zunächst niemand, immerhin ist die „Tuttosport" so etwas wie das Hausblatt von Juventus und bekannt dafür, dass es in der Sommerpause traditionell allerlei Größen aus der Branche nach Turin schreibt.

Irgendwann meldete sich auch der ehemalige Juve-Manager Luciano Moggi, der zwar immer noch als bestens vernetzt gilt, dessen Informationen jedoch mit Vorsicht zu genießen sind, seit er im Zuge des Calciopoli-Manipulationsskandals im Jahr 2006 mit einem lebenslangen Berufsverbot bestraft wurde. „Ronaldo hat bei Juventus unterschrieben", sagte er im italienischen Fernsehen, „ich habe mit wichtigen Menschen gesprochen, er war deswegen schon beim Medizincheck in München."

30 Millionen netto

Seit Dienstagabend ist es nun offiziell: Cristiano Ronaldo wechselt zu Juventus, es ist der der wohl größte Transfer im italienischen Fußball seit den neunziger Jahren. Schon damals war es ein Weltfußballer, und auch dieser hieß Ronaldo. Das war es aber auch schon mit den Parallelen. Der brasilianische Stürmer wechselte 1997 nicht zu Juve, sondern zu Inter Mailand. Vor allem hatte der kometenhafte Aufstieg des bis heute jüngsten Weltfußballers aller Zeiten gerade er erst begonnen. Der portugiesische Ronaldo hingegen ist im Alter von 33 Jahren im Herbst seiner Karriere angelangt, er fühlte sich in Madrid nicht mehr wertgeschätzt und missverstanden. Seine Forderung nach einer Gehaltserhöhung, um genauso viel wie sein Rivale Lionel Messi in Barcelona zu verdienen, wurde von Real-Präsident Florentino Perez eiskalt abgewiesen.

Laut spanischen und portugiesischen Medien ist es zum endgültigen Bruch zwischen den beiden während der brisanten Steueraffäre Ronaldos gekommen. Ronaldo sei „enttäuscht", von Perez fühle er sich „hintergangen", weil dieser ihn während der schwierigen Zeit in der Öffentlichkeit nicht genug in Schutz genommen hatte, schrieb etwa die portugiesische Zeitung „Récord" vor einigen Wochen. Und was dort steht hat durchaus Gewicht: Die „Récord" gilt als so etwas wie der Lautsprecher von Ronaldos Berater Jorge Mendes. Nach dem Champions-League-Triumph im Mai gegen den FC Liverpool hatte Ronaldo seine Zukunft in Madrid erstmals öffentlich infrage gestellt, Perez rügte ihn dafür umgehend: „Er muss seine Worte erklären. Er hat einen gültigen Vertrag, an diesen gilt es sich zu halten."

Die Einigung zwischen Ronaldo und Juve bestehe jedoch bereits seit einigen Wochen, berichten die italienischen Gazzetten. In Turin soll man mit seiner Forderung nach einem Nettogehalt von 30 Millionen Euro gleich einverstanden gewesen sein, auch die beiden Klubs hätten nicht lange über die offizielle Ablösesumme von 100 Millionen Euro verhandelt. Dass sich die Verkündung des Transfers um ein paar Tage hinausgezögert hat, lag offenbar an etwas ganz anderem: Die Art und Weise von Ronaldos Abschied aus Madrid. Perez soll darauf bestanden haben, dass sich Ronaldo öffentlich zu den Gründen seines Wechsels erklärt, um den Unmut der Real-Anhänger moderat zu halten.

Der Portugiese habe sich jedoch geweigert, diesen letzten Wunsch von Perez zu erfüllen. Am Ende einigten sich die beiden Parteien auf einen öffentlichen Brief Ronaldos an die Fans: Der „richtige Moment für einen neuen Lebensabschnitt" sei für ihn gekommen, deswegen habe er „den Klub darum gebeten, einem Transfer zuzustimmen". Perez bekam also noch was er wollte: Einen offiziellen Wechselwunsch des Portugiesen.

Die Sehnsucht Ronaldos nach einem Klubpatron, der ihm die nötige Wertschätzung entgegenbringt, scheint sich mit dem Transfer jedenfalls erfüllt zu haben. Um seinen neuen Superstar herzlich willkommen zu heißen, machte sich Juve-Präsident Andrea Agnelli bereits vor der offiziellen Verkündung des Wechsels auf den Weg nach Griechenland, wo Ronaldo gerade seinen Sommerurlaub verbringt. Der Angreifer soll den italienischen Serienmeister nach den beiden verlorenen Endspielen in der Königsklasse in den Jahren 2015 und 2017 auch international endlich wieder in die vordersten Sphären stoßen lassen. Einen Vorgeschmack dafür gab es jedenfalls an der Mailänder Börse zu sehen: Parallel mit dem gefühlten Wahrheitsgehalt der Wechselgerüchte stieg auch die Juve-Aktie, seit dem 28. Juli hatte sie am Dienstagnachmittag um satte 38 Prozent zugelegt. Eines seiner Ziele hat Agnelli also erreicht, noch bevor Ronaldo sein erstes Tor im Trikot der „Bianconeri" erzielen konnte.

Zum Original