Mit 31 Jahren ist Christian Preußer der jüngste Trainer im
deutschen Profi-Fußball. Der gebürtige Berliner spricht im Interview über die
Vorzüge der Jugend, RB Leipzig und die sportliche Krise bei Rot-Weiß Erfurt.
Interview: Thomas Fritz
Herr Preußer, nerven Sie Fragen nach Ihrem Alter eigentlich schon?
Preußer: Danach werde ich in der Tat häufig gefragt. Es ist ja auch eine außergewöhnliche Situation, mit 31 Cheftrainer eines Drittligisten zu werden. Für mich spielt es allerdings keine große Rolle, aber das Interesse kann ich durchaus nachvollziehen.
Was haben junge Trainer den älteren Kollegen voraus?
Dass sie ihnen pauschal etwas voraus haben, glaube ich nicht. Auch ich muss mich in meiner täglichen Arbeit beweisen, werde von den Spielern abgecheckt. Vielleicht sprechen wir jüngeren eher die Sprache der Jugend, können besser mit einem 18- oder 20-Jährigen kommunizieren. Außerdem nutze ich gern digitale Kommunikationsmittel, etwa Whatsapp-Gruppen auf dem Smartphone. Aber möglicherweise machen das ältere Kollegen ja auch.
Werden Sie von den Spielern geduzt oder gesiezt?
Das habe ich nie thematisiert. Die Spieler, die mich schon als Nachwuchstrainer in Erfurt kennen, siezen mich eher, andere duzen mich. Das Verhältnis muss von Respekt gekennzeichnet sein, die Spieler müssen meine Autorität anerkennen. Das ist die Anredeform nicht wichtig. Entscheidend ist, dass klare Regeln definiert und eingehalten werden.
Derzeit befindet sich der FC Rot-Weiß nach sieben Pleiten hintereinander in einer sportlichen Krise. Was ist Ihr Anspruch in den letzten fünf bedeutungslosen Spielen?
Erstmal ist es ein Luxus, bei einer solchen Negativserie nichts mehr mit dem Abstieg zu tun zu haben. Trotzdem wollen wir uns vernünftig verabschieden. Das sind wir den Fans, den Verantwortlichen und auch uns selbst schuldig. Mir ist es nicht egal, ob wir Zehnter, Elfter oder Zwölfter werden. Ich werde mich voll reinhängen und erwarte das auch von den Spielern. Außerdem ist die derzeitige Lage ein guter Test herauszufinden, wer sich nicht hängen lässt und mit wem wir künftig planen möchten.
In Erfurt wurde vor zwei Jahren die Mission 2016 ausgerufen, laut der Sie kommendes Jahr aufsteigen müssen. Ist das nicht etwas viel Druck im ersten vollen Jahr als Cheftrainer?
Druck gehört zum Geschäft dazu, damit muss man umgehen können. Und das kann ich auch sehr gut. Aber natürlich müssen die Ziele vor einer Saison realistisch gesteckt werden. Daher finde ich es sinnvoll, zunächst die Kaderplanung für das kommende Jahr abzuschließen und danach eine Zielstellung zu formulieren. Dass ich sehr ehrgeizig bin, steht außer Frage. Doch die Ziele müssen mit dem entsprechenden Personal auch erreichbar sein.
Wie gehen Sie mit Druck um?
Ausgleich zum Fußball ist mir sehr wichtig. Fußball macht Spaß, sollte allerdings nicht der einzige Lebensinhalt sein. Um abzuschalten gehe ich gern laufen, Rad fahren oder ich nehme ein Buch in die Hand. Auch die Familie bedeutet mir viel.
Das heißt, Sie fahren regelmäßig in die Heimat nach Berlin?
Ja, so etwa alle sechs Wochen versuche ich das. Über die Autobahn dauert es ja nur zweieinhalb Stunden. Dann sehe ich meine Eltern, treffe alte Kumpels, fahre zu meinem Heimatverein, der VSG Altglienicke. Ganz vom Fußball abschalten kann ich auch in Berlin nicht (lacht).
Es heißt, Sie sind Fan von Union Berlin.
Als richtigen Unioner würde ich mich nicht bezeichnen, aber beim Blick auf die Tabelle geht der Blick ganz klar zuerst auf Union und dann zur Hertha. In Berlin muss man sich zwischen einem der beiden entscheiden. Mein letzter Stadionbesuch ist allerdings schon zwei Jahre her.
Warum haben Sie sich eigentlich dafür entschieden, so lange in Erfurt zu bleiben?
Ich habe dem Klub viel zu verdanken. Seit 2009 bin ich hier, habe das Nachwuchsleistungszentrum geleitet, die A-Junioren in der Bundesliga trainiert und bin nun zum Cheftrainer aufgestiegen. Erfurt ist ein Traditionsverein mit einen kleinen, jungen Team. Hier geht es fast familiär zu. Ich habe richtig Bock auf RWE. Außerdem passiert hier gerade etwas – mit dem Bau der Multifunktionsarena, mit dem Bau eines beheizbaren Kunstrasenplatzes. Es gibt hier eine tolle Perspektive.
Kam nie ein anderer Klub in Frage?
Es gab sicher das eine oder andere Angebot, auch aus höheren Ligen. Ich hätte das Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten leiten können. Aber ich spüre eine große Dankbarkeit, dass ich mich in Erfurt so hocharbeiten durfte und möchte dem Klub das Vertrauen zurückzahlen.
Vor ein paar Jahren wurde einmal von der stärksten 3. Liga aller Zeiten gesprochen. Wie bewerten Sie die Liga dieses Saison?
Sie ist unheimlich ausgeglichen. Der Letzte kann den Ersten schlagen. Ob das nun an der Stärke der Klubs oder an deren Schwäche liegt, kann ich gar nicht so genau sagen. Mit den ganzen Ostderbys ist es jedenfalls eine sehr interessante Liga. Und nächstes Jahr könnten mit Erzgebirge Aue, dem St. Pauli oder 1860 München weitere attraktive Ansetzungen dazukommen.
Ein großes Thema ist derzeit der umstrittene Zweitligist RB Leipzig. Auch in Erfurt gab es nach der Rückkehr von Kapitän Carsten Kammlott von RB heftige Proteste einiger Fans. Können Sie die Abneigung gegen den Brause-Klub nachvollziehen?
Die Debatte Tradition gegen Kommerz erhitzt verständlicherweise die Gemüter. Ich sehe es aus der sportlichen Perspektive: RB Leipzig hat viel investiert und sich sportlich für die Liga qualifiziert. Das ist erstmal legitim. Ob man das jetzt gut oder schlecht findet, steht auf einem anderen Blatt.
Und wie finden Sie das?
Das möchte ich offen lassen.
RB Leipzig wird manchmal kritisiert, weil es anderen ostdeutschen Klub schon im Juniorenbereich die Talente streitig macht. 2013 sagten Sie in einem Interview, dass der FC Rot-Weiß davon nicht betroffen sei. Stimmt das noch?
Da hat sich in den letzten zwei Jahren tatsächlich etwas verändert. Mit der Professionalisierung ihres Scoutings ist RB mittlerweile auch bei unseren Spielen sehr präsent. Schon bei der U15 oder U14 sind sie knallhart dran. Eine handvoll Akteure haben wir deswegen ziehen lassen müssen. Allerdings ist RB bei weitem nicht der einzige Verein, der aggressiv scoutet. Wolfsburg oder Hoffenheim, um nur zwei zu nennen, tun das auch.
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