Von Thomas Fritz
"Hier ist deine Jacke", sagt Betreuer Günther Michel. Dann reicht er seinem Schützling die schwere Stabilisierungshilfe, das Luftgewehr und richtet ihn zur zehn Meter entfernten Zielscheibe aus. Fünf Schuss, viermal in die Zehn, eine fast perfekte Serie. Michel (85) ist zufrieden. Großväterliches Schulterklopfen, dann nimmt er die Ausrüstung entgegen, verstaut sie im Schrank. Seine Hilfe ist unerlässlich, denn Sandro Thielemann ist kein Sportschütze wie jeder andere: Der 29-Jährige aus Gera ist von Geburt an blind. Er geht trotzdem einer Sportart nach, für die ein tadelloser Sehsinn an sich als Grundvoraussetzung gilt. Mit Hilfe eines akustischen Signals visiert er die Zielscheibe an.Bei der am heutigen Freitag beginnenden Schießsport-WM der Behinderten in Suhl zeigt der Sportler von der Privilegierten Schützengesellschaft Gera in der Klasse der Sehbehinderten (SH3) in einem Demonstrationswettbewerb sein Können. Bei den Titelkämpfen werden rund 270 Starter aus 55 Nationen auf dem Friedberg erwartet, nach der Umrüstung zu elektronischen Scheiben wieder eine international erstklassige Anlage.Die deutschen Teilnehmer, darunter die mehrfachen Paralympics-Medaillengewinner JosefNeumaier (Burghausen) und Manuela Schmermund, konzentrieren sich auf zwölf Disziplinen. Acht mit dem Luft- und Kleinkaliber-Gewehr, vier mit der Pistole. Es geht eine Woche lang um die ersten Quotenplätze für die Paralympics 2016 in Rio de Janeiro. Thüringer sind in den Wettbewerben der Klassen SH1 (keine Einschränkung der Arme) und SH2 (mit Auflage) nicht am Start. "Unser Ziel sind Finalteilnahmen in allen Einzeldisziplinen und Medaillen in den Mannschaftsentscheidungen", sagt Bundestrainer Rudi Krenn.
Traum von internationalen Wettbewerben
Für Sandro Thielemann ist das noch Zukunftsmusik. Im Vorjahr wurde er bei der DM in München nach 60 Schuss mit 556 Ringen Zweiter, Wettbewerbe für Blinde hat das Internationale Paralympische Komitee jedoch noch nicht im Programm. "Ich bin ehrgeizig und will deutscher Meister werden. Internationale Wettkämpfe wären ein Traum", sagtThielemann, kurze schwarze Haare, grünes T-Shirt, selbstbewusst.Nachdem er das Schwimmen krankheitsbedingt aufgeben musste, fand er 2007 während seiner Ausbildung zum Masseur in Bayern zum Schießen. "In den alten Bundesländern funktioniert die Integration in den Schützenvereinen besser. Im Osten ist vielerorts Aufklärungsarbeit nötig, die Strukturen müssen verbessert werden", sagt Dieter Ohmayer(78), Referent für Behindertensport im Deutschen Schützenbund. Der Bayer war es auch, der Thielemann nach der Rückkehr in die Heimat seinen jetzigen Verein empfahl.Mit Günther Michel, einst Berufsschullehrer, fand er dort auf Anhieb einen engagierten Betreuer. Zweimal in der Woche treffen sie sich zum Training am Südbahnhof. "Bei uns stimmt einfach die Chemie. Wir sind Freunde geworden", sagt Thielemann, der in Gera in einer Physiotherapiepraxis arbeitet. Michel empfängt den 29-Jährigen an der Eingangstür, geleitet ihn zum Platz an der Seilzuganlage, gibt wichtige Hinweise. "Glatte Zehn" oder "Zehn rechts angerissen", sagt er. Je höher das Signal, umso näher die Mitte. Beim höchsten Ton muss Thielemann sofort abdrücken, sonst geht statische Kraft verloren.Sein Sportgerät wiegt rund drei Kilogramm: Armkraft und Ausdauer sind nötig. Und ein exzellentes Gehör. Als leidenschaftlicher Klavier- und Keybordspieler bringt er gute Voraussetzungen mit. "Ihm fehlt ein Sinn", sagt Günther Michel. "Dafür sind die übrigen vier super entwickelt." Das will Sandro Thielemann nun auch dem Publikum bei den Weltmeisterschaften in Suhl beweisen. Zum Original
"Hier ist deine Jacke", sagt Betreuer Günther Michel. Dann reicht er seinem Schützling die schwere Stabilisierungshilfe, das Luftgewehr und richtet ihn zur zehn Meter entfernten Zielscheibe aus. Fünf Schuss, viermal in die Zehn, eine fast perfekte Serie. Michel (85) ist zufrieden. Großväterliches Schulterklopfen, dann nimmt er die Ausrüstung entgegen, verstaut sie im Schrank. Seine Hilfe ist unerlässlich, denn Sandro Thielemann ist kein Sportschütze wie jeder andere: Der 29-Jährige aus Gera ist von Geburt an blind. Er geht trotzdem einer Sportart nach, für die ein tadelloser Sehsinn an sich als Grundvoraussetzung gilt. Mit Hilfe eines akustischen Signals visiert er die Zielscheibe an.Bei der am heutigen Freitag beginnenden Schießsport-WM der Behinderten in Suhl zeigt der Sportler von der Privilegierten Schützengesellschaft Gera in der Klasse der Sehbehinderten (SH3) in einem Demonstrationswettbewerb sein Können. Bei den Titelkämpfen werden rund 270 Starter aus 55 Nationen auf dem Friedberg erwartet, nach der Umrüstung zu elektronischen Scheiben wieder eine international erstklassige Anlage.Die deutschen Teilnehmer, darunter die mehrfachen Paralympics-Medaillengewinner JosefNeumaier (Burghausen) und Manuela Schmermund, konzentrieren sich auf zwölf Disziplinen. Acht mit dem Luft- und Kleinkaliber-Gewehr, vier mit der Pistole. Es geht eine Woche lang um die ersten Quotenplätze für die Paralympics 2016 in Rio de Janeiro. Thüringer sind in den Wettbewerben der Klassen SH1 (keine Einschränkung der Arme) und SH2 (mit Auflage) nicht am Start. "Unser Ziel sind Finalteilnahmen in allen Einzeldisziplinen und Medaillen in den Mannschaftsentscheidungen", sagt Bundestrainer Rudi Krenn.
Traum von internationalen Wettbewerben
Für Sandro Thielemann ist das noch Zukunftsmusik. Im Vorjahr wurde er bei der DM in München nach 60 Schuss mit 556 Ringen Zweiter, Wettbewerbe für Blinde hat das Internationale Paralympische Komitee jedoch noch nicht im Programm. "Ich bin ehrgeizig und will deutscher Meister werden. Internationale Wettkämpfe wären ein Traum", sagtThielemann, kurze schwarze Haare, grünes T-Shirt, selbstbewusst.Nachdem er das Schwimmen krankheitsbedingt aufgeben musste, fand er 2007 während seiner Ausbildung zum Masseur in Bayern zum Schießen. "In den alten Bundesländern funktioniert die Integration in den Schützenvereinen besser. Im Osten ist vielerorts Aufklärungsarbeit nötig, die Strukturen müssen verbessert werden", sagt Dieter Ohmayer(78), Referent für Behindertensport im Deutschen Schützenbund. Der Bayer war es auch, der Thielemann nach der Rückkehr in die Heimat seinen jetzigen Verein empfahl.Mit Günther Michel, einst Berufsschullehrer, fand er dort auf Anhieb einen engagierten Betreuer. Zweimal in der Woche treffen sie sich zum Training am Südbahnhof. "Bei uns stimmt einfach die Chemie. Wir sind Freunde geworden", sagt Thielemann, der in Gera in einer Physiotherapiepraxis arbeitet. Michel empfängt den 29-Jährigen an der Eingangstür, geleitet ihn zum Platz an der Seilzuganlage, gibt wichtige Hinweise. "Glatte Zehn" oder "Zehn rechts angerissen", sagt er. Je höher das Signal, umso näher die Mitte. Beim höchsten Ton muss Thielemann sofort abdrücken, sonst geht statische Kraft verloren.Sein Sportgerät wiegt rund drei Kilogramm: Armkraft und Ausdauer sind nötig. Und ein exzellentes Gehör. Als leidenschaftlicher Klavier- und Keybordspieler bringt er gute Voraussetzungen mit. "Ihm fehlt ein Sinn", sagt Günther Michel. "Dafür sind die übrigen vier super entwickelt." Das will Sandro Thielemann nun auch dem Publikum bei den Weltmeisterschaften in Suhl beweisen. Zum Original