"You(th) Lab und Spinatsuppe im Wiener Konzerthaus"
Ganz ehrlich: Wenn mir einer sagt, Konzerthäuser sind was für junge Leute, dann glaube ich das nicht - denn ich bin beides: jung und leider zu oft in Konzerthäusern allein. Umso neugieriger hat mich das Programm "You(th) Labs" des Wiener Konzerthauses gemacht, welches allen Interessierten unter 26 Jahren exklusive Einblicke in die "coole Welt" der hohen Kunst verspricht. Das wollte ich doch mal selbst sehen und habe schnell online meine Jugendmitgliedschaft bestellt, plus Eintrittskarte um 12 Euro (!) für das Konzert "The Duke Ellington Songbook" mit Al Jarreau und der NDR Bigband.
Raus aus der U-Bahn und kaum angekommen, begrüßt mich am Sockel des stürmisch schauenden Beethovens Katja Frei, Senior Manager Education des Hauses. Und die Katja - wir dürfen natürlich Du sagen - nimmt uns gleich mal mit auf eine Privatführung durch das Konzerthaus. Vor uns öffnen sich die schweren Türen zum Allerheiligsten der Kunst und kurz darauf sitzen wir in dem riesigen Prunksaal, den Kaiser Franz Joseph I. 1913 (vielleicht von meinem Stuhl aus!?) als Herz des "Hauses für Musikfeste" eröffnete. Hier hat die Katja für uns "mal eben" ein Meet & Greet mit dem Produktionsleiter der NDR-Bigband-Tournee organisiert und der hat gleich noch seinen ersten Trompeter, Ingolf Burkhardt, mitgebracht.
Während vorne letzte Lichtchecks gemacht werden, erzählt uns Ingolf - ja, wir bleiben beim Du - ganz offen vom guten Klima in der Band, dem Spaß bei der Arbeit, seinen Anfängen in Kindertagen und von der Leidenschaft, die es braucht, um dranzubleiben - besonders in den zähen Stunden des Übens. Die Atmosphäre ist locker, wir dürfen fragen, was wir wollen. Also wirklich alles. Und so erfahren wir nebenbei noch ein gut gehütetes Geheimnis: Der Star des Abends, die US-Jazz- und Pop-Legende, Al Jarreau, schwört auf Spinatsuppe. Heiße, pure Spinatsuppe.
Nach einer guten Dreiviertelstunde trennen wir uns aber doch, denn - ach so: Es gibt ja noch ein Konzert. Ich suche schnell meinen Platz, dann geht's auch schon los: Präzise Rhythmen von "special guest" Wolfgang Haffner am Schlagzeug swingen mit dem "Drive" der NDR Bigband prickelnd durch den Saal. Den guten Sound, so habe ich vorher gelernt, macht nicht nur die akustisch optimierte Bestuhlung, sondern auch der eigens mitgereiste Toningenieur.
Jetzt gilt: Elektroswing war gestern. Mit unglaublicher Stimmvariation interpretiert der vielfache Grammy-Gewinner Al Jarreau so manchen Jazz-Standard wie "Take the ‚A' Train" oder "Satin Doll" ganz neu - natürlich von der hervorragenden NDR Big Band modern und knallig begleitet. Der US-Star führt uns humorvoll durch ein Programm, das Klassiker ebenso wie unbekannte Schätze aus dem Werk von "Jazz-Fürst" Duke Ellington miteinander verbindet.
Ich darf sagen: Al Jarreau rockt die Bühne - und beweist einmal mehr, was Popeye schon immer wusste: Spinat bringt Power. Aber so richtig. Und als der Sänger schließlich zum "Mas Que Nada" anstimmt - Sérgio Mendes und "The Black Eyed Peas" lassen grüßen -, da stehen fast 2000 Leute auf und machen mit. Der Saal jubelt und ich bin sprachlos: Wenn das der junge Beethoven gewusst hätte ... Ich glaube, er wäre mitgekommen.
Die nächste Veranstaltung im Zyklus "You(th)" findet am 13. Dezember statt: "Martin Grubinger meets Yuja Wang".