Akrobatisch, schnell, dynamisch: So wird Klettern bei Olympia aussehen. Die Sportart ist in diesem Jahr in Tokio erstmals Teil der Sommerspiele. Das olympische Format fasst gleich drei Disziplinen zusammen. Für die Zuschauer ist das toll, für die Sportler ein Problem.
Alexander Megos, Olympia-Teilnehmer und Kletterprofi:"Natürlich sind die meisten Athleten damit nicht sehr zufrieden, einfach weil sie eine oder eine zweite Disziplin trainieren müssen, die sie vorher gar nicht trainiert hatten." Alexander Megos, Olympia-Teilnehmer und Kletterprofi:"Es gibt halt den einen Typus Kletterer, der in allen drei Disziplinen relativ gut ist, aber in keiner spitzenmäßig. Dazu gehöre ich nicht. Ich gehöre in die Kategorie, dass ich eine Disziplin sehr, sehr gut kann und eine mittelmäßig gut kann und die andere relativ schlecht." Ludwig "Dickie" Korb, Trainer Alexander Megos:"Es sind immer die gleichen Griffe. Es ist immer die gleiche Abfolge. Es ist praktisch das Einstudieren einer Kür. Diese Griffabfolge muss blind laufen. Und es ist so ein Auswendiglernen, Optimieren, was eigentlich der restlichen Kreativität des Kletterns widerspricht."Die drei Disziplinen sind extrem unterschiedlich, passen eigentlich kaum zusammen. Sie heißen Speed, Bouldern und Lead. Das IOC hat das kombinierte Format extra für Olympia geschaffen, weil es in Tokio für Sportklettern nur eine Medaillenvergabe geben wird und keine Disziplin bevorzugt werden soll. Es ergibt sich ein Kompromiss, der praktisch für alle Sportler zum Problem wird. In Tokio wird es keine Athleten geben, die in allen drei Bereichen gleichermaßen zur Elite gehören.
Richtig gut ist Megos im Leadklettern, denn am liebsten klettert er draußen am Fels. Dort ist der Deutsche einer der Besten der Welt. Relativ schlecht, wie er es ausdrückt, ist er im Speedklettern. Die Disziplin ist für Megos neu und setzt sich deutlich von den anderen beiden ab. Bouldern und Lead vereint, dass die Athleten eine unbekannte Route innerhalb eines Zeitlimits auch taktisch geschickt angehen müssen, um möglichst hoch zu klettern. Beim Speed geht es allein um die Geschwindigkeit.
Und weil das für Megos so ungewohnt ist, muss er gerade in dieser Disziplin aufholen. Aber die nächste Speedkletterhalle liegt für ihn fast zwei Stunden entfernt, in München. So bereitet sich der 26-Jährige vor allem in einer Boulderhalle in Nürnberg vor - mit spezifischen Kraftübungen. In der oberen Etage der Halle hat sich Megos zwei individuelle Kletterwände aufgebaut. Wettkampfspezifisch sind die nicht. Denn Wettkampf-Bouldern findet vor allem an großen Volumen statt, an denen man sich nur schwer festhalten kann. Dann geht es vor allem um Balance. Und so ist auch das Klettern an der Wand in Nürnberg vor allem auf Kraft ausgerichtet. Aber eben mit Boulder-Elementen.
Alexander Megos, Olympia-Teilnehmer und Kletterprofi: "Ich denke mir quasi an dieser Wand einen Boulder aus. Ich denke mir dann: Ich möchte gerne von dem Griff zu dem Griff zu dem Griff - und dann versuche ich, das zu klettern. Und das dauert manchmal fünf Minuten, bis ich es schaffe. Manchmal dauert es fünf Stunden, bis ich es schaffe.
Diesmal schafft er seine Route schnell, nach wenigen Versuchen. Wichtig wird aber sein, dass er im Wettbewerb im entscheidenden Moment seine Bestleistung bringt.
Alexander Megos, Olympia-Teilnehmer und Kletterprofi:"Natürlich bricht sich dann quasi das gesamte Training, diese ganzen Monate an Training, am Ende im Wettkampf auf eine Route runter. Und daher, denke ich, spielt die mentale Stärke eine ganz große Rolle. Man muss es eben schaffen, auch wenn man einen schlechten Tag hat, muss man es schaffen, seine ganze Energie auf den Punkt zu bringen."
Ludwig "Dickie" Korb, Trainer Alexander Megos:"Man hat auch Mentaltrainer, man arbeitet ganz viel in diese Richtung, weil die Leute einfach physisch schon sehr ausgereift sind - oft jahrelang trainieren. Aber der Druck, der jetzt da entsteht, da braucht man schon wirklich mental auch echt einiges an Stärke."
In Tokio wird der Klettersport eine neue, größere Bühne betreten. Und wie fast immer, wenn ein neuer Sport olympisch wird, gibt es Kritik. Passt Klettern zu Olympia? Und noch viel mehr: Passt Olympia zum Klettern?
Alexander Megos, Olympia-Teilnehmer und Kletterprofi:"Ich denke auch, dass Klettern im klassischen Sinne und Olympia nicht sehr gut zusammenpassen, das ist einfach so. Dadurch dass Klettern immer ein Sport war, wo es um Freiheit ging, wo es um Lifestyle ging. Aber mittlerweile ist es meiner Meinung nach wirklich so, dass heutzutage Klettern outdoor und Klettern indoor zwei verschiedene Sportarten sind. Und ich denke doch, dass das Klettern indoor und der Wettkampfsport im Klettern vermutlich sehr, sehr gut zu Olympia passen. Einfach weil es eine relativ neue Sportart ist. Weil ich glaube, dass es sehr, sehr publikumswirksam ist."
Aber natürlich öffnet sich der Klettersport auch all dem, was den Ruf der Olympischen Spiele in den vergangenen Jahren so sehr verschlechtert hat. Der Gigantismus. Der Kommerz. Und: Doping. Es liegt nahe, dass ein Sport, bei dem es so sehr um Kraft geht, auch anfällig für unerlaubte Hilfsmittel sein dürfte.
Alexander Megos, Olympia-Teilnehmer und Kletterprofi:"Ich gehe mal davon aus, dass, wenn mehr Gelder vorhanden sind im Sport, dass dann auch die Dopingproblematik vermutlich schlimmer wird. Aber um ehrlich zu sein: Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass jemand im Klettern dopt."
Megos sollen die vielen Kritikpunkte bei der ersten Olympia-Teilnahme nicht ablenken. Bei der WM im August verletzte er sich im Finale, brach den Wettbewerb ab und wurde Achter. Aber in Tokio traut ihm sein Trainer an einem guten Tag auch die Goldmedaille zu.