Ein Gewissen kaufen
Kritiker von „ethischem“ Konsum sehen darin nichts als den Luxus
einer bestimmten Gesellschaftsschicht, die es sich leisten kann,
durchschnittlich 20 Prozent mehr für ein Produkt zu bezahlen. Mit diesem
Geld kaufen sie sich ein reines Gewissen, so der Vorwurf. In dieser
pauschalen Kritik mag etwas Wahrheit stecken. Aber…
Ich merke, wie mich die Momente erfüllen, die ich seit Beginn der Fastenzeit in der Küche verbringe. Seit ich keine Kekse mehr kaufe, backe ich sie eben selber. Anstatt Tütensuppe gibt es frisches Gemüse vom Markt. Ich fühle mich gut, wenn ich den klebrigen Nudelteig von meinen Fingern schabe. Nicht nur, weil meine Ravioli nie in einer Plastikverpackung gesteckt haben, sondern auch – und vor allem – weil ich wieder eine neue Beziehung zum Essen aufbauen konnte. Ob ich damit nun auch die Weltmeere von Plastikmüll befreie oder nicht, ist in diesen Momenten nebensächlich.
Aus dem System auszubrechen heißt Konfrontation
Ich habe so viel gelernt während dieser 40 Tage, in denen ich
ständig mit Freunden und Fremden diskutiert habe. Aus dem System
auszubrechen heißt Konfrontation. Der Käseverkäufer auf dem Markt nimmt
inzwischen selbstverständlich meine Tupperschüssel über die Theke
entgegen. Aber abends in der Bar erkläre ich geduldig jedes Mal auf’s
Neue, warum ich keinen Strohhalm in meinem Getränk brauche. Ich habe
gelernt, wie viele verschiedene Arten von Plastik es gibt, und dass
weiches, durchsichtiges Plastik im Müll nichts mehr wert ist, härtere
Kunststoffe ohne farbigen Aufdruck aber wiederverwertet werden können.
Ich bewundere die Mitglieder der „Zero Waste“-Initiativen, die im
Internet ihr Leben ohne Abfall dokumentieren. Aber ich bin vor allem in
der letzten Phase der Fastenzeit vom radikalen Ziel, Plastik aus meinem
Leben zu verbannen, abgekommen. Nicht aus Bequemlichkeit. Sondern weil
mir klar wurde, dass es nicht um „ethischen“, sondern um sinnvollen
Konsum geht. Die Erfindung von Kunststoffen hat große Fortschritte
gebracht: allein in der Medizin und Hygiene, das alles abzulehnen wäre
ein Rückschritt.
Tatsächlich hat das Plastikfasten aber meine Kaufgewohnheiten stark verändert – vor allem habe ich weniger eingekauft: Keine Chips, kein neues Kleid, keine Spülung für superweiches Haar. Weil ich all das nicht brauche. Wenn ich regionales Bio-Obst vom Markt anstatt der eingeschweißten Pomelo aus China kaufe, reduziere ich nicht nur den Plastikmüll, sondern auch die CO2-Bilanz. Das Reflektieren über unseren Verpackungswahnsinn hat mich nicht mehr Geld gekostet, sondern bereichert.
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