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Partner-Tattoos: Ewig dein, ewig mein, ewig uns - WELT

Liebes-Tattoos galten lange als Todsünde der Tattoo-Kunst, schlimmer noch als das Arschgeweih. Aber wo ist das Problem, wenn das Tattoo bleibt, obwohl die Liebe geht? Es gibt keins. Im Gegenteil.


Es ist seit jeher ein romantisches Grundbedürfnis des Menschen, Liebe nicht nur auszusprechen, sondern auch zu beweisen. Und zwar nicht nur mit Seele, sondern möglichst auch mit Leib. Früher schenkten Liebende sich eine Haarlocke. Heute schenken sich Paare ein Stückchen Haut.

Etwa 15 Prozent der Deutschen sind tätowiert. Und weil kein Gefühl so sehr unter die Haut geht wie die Liebe, lassen einige Paare dem Gefühl auch direkt Tinte folgen. Und legen sich entweder für den Partner oder mit ihm gemeinsam unter die Nadel.

So geschehen auch bei Heidi Klum und ihrem Freund Vito Schnabel. In glücklichen Jahren ließ sich Klum ein Liebestattoo für ihn stechen, ein winziges „V" für Vito auf die Innenseite des Ringfingers der linken Hand. Doch jetzt hat es sich ausgeschnabelt. Und nach der Trennung der beiden vergangene Woche fragen viele hämisch: Wann macht sie das Tattoo jetzt endlich weg?


Hautgewordenes Post-it

Eine Debatte, die erstaunt, schaut man darauf, wie sich das Verhältnis der Gesellschaft zu Tätowierungen in den letzten Jahren verändert hat. Früher galt: Wer tätowiert ist, kommt entweder: a. aus dem Knast, b. aus Asien oder c. aus einem asiatischen Knast. Heute ist das anders, vom Fernsehmoderator bis hin zur Großküchenköchin ziehen sich Tattoos quer über die Häute unserer Republik.

Doch was Liebes-Tattoos angeht, lautet die vorherrschende Meinung noch immer: Wer sich ein Tattoo mit oder für seinen Partner stechen lässt, ist ein naiver Trottel. Der dann im Falle einer Trennung mit einem hautgewordenen Post-it herumläuft, das ihn und den Rest der Welt jeden Tag an sein vermeintliches Scheitern erinnert. Und der dadurch für eventuelle neue Partner in etwa so attraktiv ist wie der Bewohner einer mittelalterlichen Lepra-Kolonie.

Es gilt darum fast als moralische Verpflichtung, sofort nach Beziehungsende die Tintenspuren der vergangenen Liebe aus seinen unteren Hautschichten herausbrennen zu lassen.

Würde es sich bei Liebes-Tattoos heutzutage noch um die fetten, roten Herzen im Seemanns-Stil handeln, in denen ein „Maria" oder ein „Frank" prangt, wäre die Aufregung über Paar-Tattoos vielleicht etwas nachvollziehbarer. Aber ein Blick auf Instagram und Pinterest zeigt: Liebende gehen mittlerweile subtiler vor.


Schachfiguren, Löwen, Striche

Reine Namens-Tattoos in fetten Lettern auf dem Oberarm sind schon lange nicht mehr en vogue. Natürlich sollte erlaubt sein, was gefällt. Aber es fällt schon schwer, bei einem fetten „Mariella" auf dem Bizeps nicht an mittelalterliche Brandzeichen zu denken, die stolze Pferde- und Viehbesitzer ihrem erworbenen Eigentum auf den Hintern dampften.

Mit dem Wissen, dass der Anspruch, die Hoffnung oder der Wunsch nach einer lebenslangen Bindung eher nicht erfüllt werden wird, haben sich neue Formen von Liebes-Tattoos gebildet, die Verbundenheit demonstrieren, aber auch allein stehen können. Die Schachfigur des Königs für den Mann, die der Königin für die Frau. Einen grafischen Löwen für den einen Partner, eine Löwin im gleichen Stil für die Partnerin. Manche Partner setzen auch auf Micro-Tattoos, wie ein winziges Dreieck an der Ferse oder einen simplen, schwarzen Strich.

Die Körperstellen: oft intim, verdeckt, kaum sichtbar. Keine Brandzeichen für die Öffentlichkeit, die großspurig das eigene Revier markieren, sondern eher filigrane Bekenntnisse der Zuneigung. Auch beliebt: Muster wie Mandalas, die sich zu einem Ganzen zusammensetzen, wenn die Partner die Füße zusammenlegen, die Hüften aneinanderschmiegen oder Händchen halten. Die aber auch trotzdem allein funktionieren würden. Ganz gemäß dem Zeitgeist der Generation Tinder, in der man davon ausgehen muss, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum einer Liebe eher an das von H-Milch rankommt als an das von Dosenthunfisch.


Der Ex am Frühstückstisch und unter der Dusche

Die neuen Liebes-Tattoos spielen mit dem Gedanken, dass es auch ohneeinander weitergehen könnte. Und dass die Tätowierung im Fall einer Trennung als Erinnerung bleibt. An eine wichtige Zeit im Leben, eine schöne Zeit. Oder, in jedem Falle: eine lehrreiche Zeit.

Natürlich, für den neuen Partner wird es kaum einen Unterschied machen, ob er beim Aufwachen am Sonntagmorgen als Erstes ein fettes „Mariella" auf dem Oberarm sieht oder eine tätowierte Schachfigur. So oder so wird es sein, als läge der Ex-Partner mit im Bett. Und säße mit am Frühstückstisch, wäre mit unter der Dusche, unter dem Weihnachtsbaum ...

Aber genauso ist es schließlich auch. Die Ex-Partner sind immer mit in der Beziehung. Denn jeder, der nicht gerade mit 18 Jahren seine Jugendliebe geheiratet hat, bringt Spuren auf seiner Seele mit in die neue Liebe. Warum ist es dann ein Problem, wenn diese Spuren auch auf dem Körper sichtbar sind?


Der erste und der letzte Mensch auf Erden

Mitunter kann es für den neuen Partner ganz heilsam sein, buchstäblich vor Augen gehalten zu bekommen: Dieser Mensch, den du liebst, hatte ein Leben vor dir. Er wurde komplett anders sozialisiert als du. Er hat sich vollkommen anders angelernt, zu lieben, Probleme zu lösen, Leidenschaft zu zeigen. Alles gemeinsam mit einem geliebten Wesen, das nicht du warst. Das den Menschen, den du jetzt liebst, maßgeblich mit zu dem gemacht hat, was er heute ist. Und das vielleicht zehn oder 20 Jahre lang, bis du dann ankamst und dachtest: Das gehört mir.

Der Impuls, den Partner ins nächste Laserstudio zu schleifen, zeigt, wie sehr man sich an die Illusion klammert, der erste und letzte Mensch auf Erden zu sein, den der Partner geliebt hat und lieben wird. Aber wer die Vergangenheit des Partners nicht an sich ranlässt, der braucht über eine gemeinsame Zukunft gar nicht nachzudenken.

Paar-Tattoos vergangener Lieben sind ein Versprechen

Die wahren Tattoo-Künstler können über die ganze Paar-Tattoo-Debatte nur die Augen verdrehen. Wer mit der Körperkunst-Avantgarde über Liebes-Tattoos spricht, erntet höchstens ein missbilligendes Augenbrauenzucken: Tattoos mit Bedeutung, pffff. Die einzige Bedeutung, die ein Tattoo braucht, ist die Kunst selbst! Der Körper ist eine Leinwand, und herkömmliche Tattoos, egal ob Löwenkopf oder Namenszug, sind sowieso Verrat an der Kunst. Da könnte man sich ja gleich einen Sticker irgendwohin kleben.

Sicher, wenn Paar-Tattoos die nächste Stufe erreichen und sich Liebende in Zukunft gemeinsam abstrakte Muster tätowieren lassen, die keinerlei Bedeutung haben, außer der Kunst an sich, wäre die ganze Paar-Tattoo-Diskussion überflüssig. Und die Kunst wäre wieder einmal die Lösung.

Aber mal aus Sicht des Tattoo-Mainstreams gesprochen, dem derzeit noch der Mut zur absoluten Bedeutungslosigkeit fehlt: Letztendlich sind Paar-Tattoos vergangener Lieben auch immer ein Versprechen. Wie es schon in einem Chanson aus den 1930er-Jahren von Walter Jurmann hieß: „Du bist nicht die Erste - du musst schon verzeihn. Aber meine Letzte - das könntest du sein."

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