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Jungpolitikerinnen: Sigrid Maurer : „Die Grünen wollen möglichst viel in der Kronen Zeitung vorkommen"

In unserer Reihe „Jungpolitikerinnen im Gespräch" treffen wir auf Österreichs einflussreichste Politikerinnen unter 30. Heute: Sigrid Maurer, grüne Nationalratsabgeordnete und Wissenschaftssprecherin. Okay, Sigrid Maurer ist nicht ganz unter 30. Sie hat ihren 30. Geburtstag heuer im März gefeiert, entspricht damit aber trotzdem nicht unbedingt dem parlamentarischen Durchschnitt eines 52-jährigen Mannes. Ohne jemandem etwas unterstellen zu wollen, glauben wir ja fast, dass auch ihr politischer Ethos und ihre Arbeitsmoral nicht dem Durchschnitt entsprechen. "Das finden vielleicht manche langweilig, aber ich will ernsthafte Politik machen", sagt sie. "Das heißt parlamentarische Arbeit, Anträge stellen, Positionsfindung betreiben. Ich habe schon einen Anspruch, das was ich mache, seriös zu machen." Als ÖH-Vorsitzende erntete sie für ihre seriöse Arbeit noch Hausverbot im Parlament. Die Arbeit aus Uni brennt-Zeiten verfolgt Maurer als Wissenschaftssprecherin weiter. Im Gegenteil zu Minister Mitterlehner ist ihr die nämlich nicht scheißegal. Mit 54,17% haben die Grünen den bei weitem größten Anteil an weiblichen Nationalratsabgeordneten. Ist es als junge Frau leichter, sich bei den Grünen Gehör zu verschaffen und auch in eine Position zu kommen als bei anderen Partei?

Das müsste man wahrscheinlich trennen, in jung und Frau. Grundsätzlich auf jeden Fall, im Vergleich zu allen anderen Fraktionen. Aber bei den Neos gibt's ja die Claudia Gamon zum Beispiel.

Ist aber auch nur eine von 9. Insgesamt würden Sie das System also als demokratischer einstufen, als die der anderen Fraktionen? (Anm.: Mit 11,11 Prozent haben die Neos den geringsten Anteil an weiblichen Abgeordneten von allen Fraktionen) Über den grünen Kommunikationskurs der letzten Jahre wird oft gesagt, er wäre zu populistisch, weichgespült und boulevardesk. Gleichzeitig werden die Grünen das Image der Akademikerpartei, deren Diskurs an der breiten Masse vorbei geht nicht los. Wie kann man es denn nun richtig machen?

Ja stimmt, sie ist die einzige Frau. Es ist sicher leichter bei den Grünen aufgrund vom Wahlsystem. Die Quote hilft, und die offenen Wahlen auch. Da bestimmt kein Vorstand wer auf die Liste kommt, sondern es wird gewählt.

Ja, wobei es gleichzeitig auch dazu führt, dass sich alte Männer sehr gut halten. Manche Männer gelten halt als unverzichtbar für die Partei und werden von der Basis immer wieder gewählt. Trotz dieser Offenheit haben Sie letztens im Profil gesagt, dass der aktuelle Führungsstil bei den Grünen darin besteht, interne Debatten abzudrehen. Wie demokratisch sind die Grünen also noch?

Das ist eine gute Frage. Der Punkt ist, es gibt interne Kritik und die will man aber nicht hören und man will sich nicht damit beschäftigen. Dementsprechend wird die Kritik dann als Einzelproblemfall abgetan. Beim Bundeskongress zum Beispiel hat man zweieinhalb Tage Zeit, aber erst ganz am Schluss gibt es die Möglichkeit, Anträge zu stellen. Da hätte es einen wichtigen Antrag aus Vorarlberg gegeben, und die Antragstellerin hatte nur mehr 3 Minuten Zeit zu präsentieren und es gab 2 Minuten für Repliken. Man kann sich das ja richten. Man hätte die Möglichkeit gehabt, diesen Raum zu schaffen, aber das wollte man nicht.

Die Kritik kommt ja von zwei unterschiedlichen Gruppen. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass die Grünen in den letzten Jahren zu sehr in Richtung Boulevard gegangen sind. Das hat auch was mit dem insgesamten Medienwandel zu tun. Qualitätszeitungen bauen ab, und die Gratisblätter, die von Inseraten gefüttert werden, die auch keinen seriösen Journalismus machen können oder wollen, profitieren von diesem System der inseratenfinanzierten Presse. Der grüne Fehler ist aus meiner Sicht, dass man versucht, sich dem anzupassen und möglichst viel in der Krone vorzukommen. Das ist aus meiner Sicht aber sinnlos, die Kronen Zeitung wird nie grüne Positionen vertreten. Die Kronen Zeitung ist ein Kampagnenblatt, deren Funktion eine ganz andere ist. Das ist Kampagnenjournalismus auf unterster Stufe, und ich denke nicht, dass es in irgendeiner Weise sinnvoll ist, da drinnen vorzukommen. Schon gar nicht auf so populistische oder billige Art. Bei TTIP ist die Krone dann aufgesprungen, aber halt mit den plumpesten aller Argumente. Da geht es dann nur mehr um's Chlorhuhn und um die EU, und nicht mehr um die relevanten Fragen, nämlich: Was steht in diesem Vertrag tatsächlich drinnen? Diese Hinwendung zum Boulevard bewirkt mehrere Dinge. Zum einen, dass man sich nicht traut pointierte Positionen zu beziehen. Wenn wir zu irgendeinem Thema, sagen wir „Autorennen Spielfeld" oder irgendwas anderes, eine radikale Position einnehmen würden, würde das nur gebasht werden. Das lässt keine politische Diskussion mehr zu. Dementsprechend ist ein häufiger Satz, der hier herinnen schon oft fällt: Was schreibt denn dann die Krone? Und das find ich halt so grundfalsch. Ich find nicht, dass sich Politik daran ausrichten sollte, was die Kronen Zeitung schreibt, oder was Meinungsumfragen gerade als grundsätzliche Stimmung der Österreicher und Österreicherinnen gegenüber Flüchtlingen wiedergibt. Und das ist ein grundsätzliches Problem, dass wir uns da anpassen. Auf lange Sicht ist Populismus immer ein Problem. Wie kann man dann aber grüne Themen so aufbereiten, dass sie mehr als 14 Prozent der Bevölkerung interessieren? Ich hab da auch nicht die große Lösung, aber ein positives Beispiel ist, dass wir Themenführer beim Thema Bildung sind. Das ist ganz klar zugeschrieben, da wird davon ausgegangen, dass wir was zu sagen haben, das wir gute Ideen dazu haben, und so weiter. Ich glaube, dass das der Erfolg jahrelanger seriöser Politik in dem Bereich ist, und nicht, weil es auf einem Plakat drauf gestanden ist. Auch in der Umweltpolitik haben wir uns über Jahre eine Kompetenz erarbeitet. Korruption ist das nächste Thema. Es weiß jeder, dass die Grünen ganz stark gegen Korruption arbeiten und dass die Fälle Grasser und Hypo ohne grüne Aufdeckerarbeit heute nicht so behandelt werden würden. Aber das ist alles nicht durch Plakatkampagnen oder markige Sprüche passiert, sondern durch harte parlamentarische Arbeit. Ich finde das wesentlich nachhaltiger. Und ich muss auch sagen, mein Ziel ist nicht Stimmenmaximierung um jeden Preis. Es gibt grüne Grundwerte, die einzuhalten sind. Wenn jemand wie Peter Pilz in der Flüchtlingsfrage nach rechts blickt, weil der findet, dass die Stimmung in der Bevölkerung gerade so ist, dann find ich das falsch. Glauben Sie, Peter Pilz macht das tatsächlich aufgrund der von ihm wahrgenommenen Stimmung in der Bevölkerung oder beruht das auf seinen tiefsten innersten Werten?

(lacht) Also die Psyche des Peter Pilz zu ergründen, ist ziemlich unmöglich. Aber man muss schon die Frage stellen, was dient dem Ego, und was der ernsthaften politischen Auseinandersetzung.

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