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Krieg in Nordsyrien: Türkische Offensive: Was auf dem Spiel steht

Was bedeutet die Türkei-Offensive in Nordsyrien für Deutschland? Welche Auswirkungen hat sie auf Europa? Die Journalisten Deniz Yücel und Düzen Tekkal finden bei Lanz klare Worte.

Die türkische Offensive in Syrien schwäche die Kurden und stärke die Terrormiliz IS, sagt Düzen Tekkal und bekommt dabei Unterstützung von Deniz Yücel. Quelle: ZDF

Sie hat ihr Versprechen eingelöst: Bevor die Talkrunde bei Markus Lanz losging, kündigte die Journalistin und Kriegsberichterstatterin Düzen Tekkal bereits auf Facebook und Twitter deutliche Worte an. Es war kein einfaches Thema, über das sie und ihr Kollege Deniz Yücel bei Lanz sprachen, doch wahrscheinlich das im Moment am meisten diskutierte: Die türkische Offensive in Nordsyrien gegen die Kurden. In dem Gebiet Rojava im Norden Syriens unterhalten Kurden seit 2014 eine Selbstverwaltungszone. Genau dort findet nun "ein völkerrechtswidriger Einmarsch eines Nato-Bündnispartners statt, den wir nicht mehr unter Kontrolle haben und der dort eine ethnische Säuberung und einen Bevölkerungsaustausch plant", sagt Tekkal und beschreibt, dass durch den militärischen Einmarsch eine Rückkehr zu islamistischen Strukturen und quasi die "Errichtung eines Kalifats" geplant sei.

Unmittelbare Auswirkungen auf Deutschland

Das muss man sich mal vorstellen, wenn wir hier in der Kirche für einen Krieg beten würden.

Für Deutschland seien die Folgen ganz real anhand konkreter Zahlen nachvollziehbar: "Es leben 42 Millionen Kurden weltweit verteilt und 1,3 Millionen davon in Deutschland. Wir haben 2,5 Millionen Türken in Deutschland." Unter diesen seien auch viele Erdogan-Anhänger, sagt Tekkal und beschreibt, dass in Nordsyrien ein Krieg stattfindet, bei dem man denke, er sei ganz weit weg. Faktisch werde er aber von Erdogan in die Wohnzimmer der deutschen Türken und deutschen Kurden geholt.

Erdogan hat durch diesen Einmarsch in Nordsyrien den Konflikt in die Wohnzimmer der deutschen Kurden und der deutschen Türken nach Deutschland getragen.

In Deutschland gäbe es 900 Ditib-Moscheen von denen viele regelmäßig ihre Freiheitspredigten über eine Religionsbehörde aus Ankara erhielten. Diese unterstehe Erdogan. In manchen dieser Moscheen werde also "für diesen völkerrechtswidrigen Einmarsch gebetet", sagt Tekkal und zieht einen Vergleich: "Das muss man sich mal vorstellen, wenn wir hier in der Kirche für einen Krieg beten würden."

Tekkal und Yücel ziehen außerdem einen Bezug zur Schlacht um Kobane 2014 und 2015: Damals seien es die Kurden gewesen, die an vorderster Front das Gebiet vom Islamischen Staat befreit haben. "Sie haben nicht nur für sich selbst da gekämpft, sie haben wirklich für uns alle da gekämpft", sagt Deniz Yücel. Zwar wäre der Sieg über den Islamischen Staat nicht ohne die Unterstützung der amerikanischen Luftwaffe möglich gewesen, "aber die größten Opfer im Kampf gegen den IS haben die Kurden gebracht."

"Je suis kurde" - "Je suis Charlie"

Damals haben die Kurden für uns alle gekämpft und jetzt lässt man sie einfach fallen - das gehört sich nicht.

Wie wichtig diese Befreiung durch die Kurden für Europa war, erklärt Yücel mit einem Zitat von Stéphane Charbonnier. Der damalige Chefredakteur der Satirezeitschrift Charlie Hebdo schrieb im Oktober 2014 in einem kurzen Text die Zeilen: "Aujourd'hui, je suis kurde" - "Heute bin ich Kurde."

Knapp vier Monate später wurden der Chefredakteur und seine Kollegen in Paris ermordet. "Dem Ruf 'Je suis Charlie', an den wir uns alle erinnern können, ging voraus: 'Je suis kurde'", erklärt Yücel. Und so stellt der Journalist und Autor einen Zusammenhang zwischen den aktuellen Ereignissen in Nordsyrien und den Attentaten der letzten Jahre in Europa her. "Die Kurden haben den Kopf hingehalten. Damals haben die Kurden für uns alle gekämpft und jetzt lässt man sie einfach fallen - das gehört sich nicht." Deutliche Worte - wie sie Düzen Tekkal versprochen hat.

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