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Mit Höhenangst hoch hinaus

Im Gespräch: Bernd Stiller (l.), Vereinsvorsitzender vom Wettermuseum, und Extremsportler Marc Hauser © Foto: MOZ/Jörn Tornow

Der Extremsportler Marc Hauser hat am Dienstag dem Lindenberger Wettermuseum einen Besuch abgestattet. Seine Mission: Informationen sammeln zum Jetstream. Der 46-jährige Schweizer will aus einem Heißluftballon springen und sich horizontal treiben lassen.

Was passiert bei zu wenig Sauerstoff im menschlichen Körper? Diese Frage hat sich der Schweizer Marc Hauser notgedrungen gestellt. Denn er plant, mit einem Fallschirm aus einem Heißluftballon zu springen - aus einer Höhe von 10 000 Metern. Doch damit nicht genug. Der 46-Jährige möchte im freien Fall den Jetstream nutzen und rausfinden, wie weit und schnell ein Mensch ohne Hilfsmittel (sprich ohne zusätzlichen Auftrieb und ohne einen Flügelanzug) horizontal fliegen kann.

Doch zurück zur Ausgangsfrage. Marc Hauser hat bei Sauerstoffmangel angefangen zu singen. In einer Unterdruckkammer in der Schweiz wurde er, begleitet durch einen Fliegerarzt, in eine Höhenlage von 9000 Meter versetzt. Dort sollte er beginnend mit 1000 in dreier Schritten zurückrechnen. Was anfangs noch funktionierte wurde zunehmend zur Tortur, die Schrift immer krakeliger. Noch ein Flugzeug zeichnen können? Fehlanzeige. "Man konnte zusehen, wie er kontinuierlich verblödet", erklärt Claudio von Planta lachend. Er begleitet den Abenteurer für eine Dokumentation für den Fernsehsender BBC World News. Der Besuch in der Unterdruckkammer erfüllte seinen Zweck. Marc Heuser kennt nun die Symptome, auf die es zu achten gilt, bevor jemand wegen des geringen Sauerstoffs bewusstlos wird.

Für den Sprung arbeitet der Schweizer mit verschiedenen Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz zusammen. Eine Sauerstofflösung hat beispielsweise EMS Wenoll entwickelt. Über einen Schlauch wird ihm beim Sprung Sauerstoff in den Helm geleitet. Und wann der Sprung nun absolviert werden kann? Konkret beantworten kann der Extremsportler die Frage nicht. "Spätestens Anfang März", informiert er. Bernd Stiller, Vereinsvorsitzender vom Wettermuseum und Meteorologe, nickt. Jetstreams, so wie der Schweizer sie für seinen Flug nutzen möchte, gibt es in der Region zwischen Oktober und März in einer Höhe von etwa 8000 bis 10 000 Metern. Sie bilden sich infolge globaler Ausgleichsbewegungen zwischen verschiedenen Temperaturregionen und stellen die stärksten natürlich auftretenden Winde dar. Kann man diese Höhenwinde nicht auch für die Energiegewinnung nutzen, fragt sich Marc Heuser und greift auf Erkenntnisse des Unternehmens TwingTec aus der Schweiz zurück. Der 46-Jährige vermutet ungenutztes Potential.

Seit gut sechs Jahren tüftelt er an seinem Vorhaben. 2012 ist ihm bereits ein Weltrekord geglückt. Mit 304 Stundenkilometern ist er - ebenfalls horizontal - über Empuriabrava in Spanien geflogen. 10 000 Meter Höhe sind aber ein anderes Kaliber. "Der Heißluftballon kommt dabei an seine Grenze", erklärt er. 1992 ist Marc Hauser zum ersten Mal Fallschirm gesprungen, über das Segel- und Motorflugzeugfliegen ist er zu dem Sport gekommen. "Eigentlich bin ich ein Angsthase mit Höhenangst", sagt er selbst von sich. Doch er ist nicht nur Angsthase, sondern auch Motivationsredner, der über Mut spricht. "Auch mit Angst kann man Dinge tun", weiß er inzwischen.

Der Heißluftballon für den Sprung soll in Süddeutschland starten. Nach einer Stunde Aufstieg plant Marc Heuser seinen Absprung über der Schweiz, der Ballon soll dann nach Italien ziehen. Laut Bernd Stiller kann ein Starkwindband drei bis vier Tage im Voraus vorhergesagt werden. Eine Sache nimmt der Schweizer aus Lindenberg auf jeden Fall mit: Hier wurde 1919 der Höhen-Weltrekord im Drachenaufstieg mit 9740 Metern aufgestellt. Soll heißen: So hoch aufzusteigen, ist definitiv möglich.


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