1 Abo und 5 Abonnenten
Artikel

Ebow: "Einige tragen Prada, und die Welt geht unter"

ZEIT Campus: Ebow, warum hast du dir dieses zwölf Quadratmeter große Zimmer für das Interview ausgesucht?

Ebow: Vor zweieinhalb Jahren sind meine damalige Freundin und ich in diese Wohnung gezogen. Sie hat im Raum nebenan an ihrer Videokunst und ihren Installationen gearbeitet. Ich habe hier in diesem Zimmer mein viertes Album aufgenommen, das gerade erschienen ist. Mittlerweile bin ich ausgezogen, und wir haben das Zimmer untervermietet. Es erinnert mich an eine krasse Zeit.

ZEIT Campus: Warum krass?

Ebow: Im Winter 2020 saßen meine Ex-Freundin und ich quasi in dieser Wohnung fest. Berlin, oder eigentlich ganz Deutschland, war mal wieder im Lockdown, wir gingen fast nie vor die Tür. Clubs und Bars, Theater hatten ja geschlossen. Im Januar hatte ich sogar Corona, zum Glück einen leichten Verlauf. Um irgendwas zu tun, habe ich Songs geschrieben, aufgenommen und produziert. Als ich wieder gesund war, sind ab und an Freund:innen vorbeikommen, haben sich meine Beats angehört und ein bisschen abgehangen. Auch mein Produzent Jonas war immer mal wieder da.

ZEIT Campus: Schwer vorstellbar, dass du hier an der Karl-Marx-Straße das Album aufgenommen hast. Ich find's ganz schön laut.

Ebow: Ja, das war aber gut. Ich war ja sonst total isoliert von äußeren Einflüssen. Das, was draußen vor meinem Fenster abgegangen ist, die Musik, die aus den Lautsprechern der Autos an der Kreuzung wummerte, oder die Gespräche der Leute auf der Straße, das war meine einzige Inspiration. So ist mir auch die Idee für die Songzeilen von Araba gekommen, dem türkischen Wort für Auto: "Mama, wir sind blessed. Machen Tracks, on Tracks, on Tracks / Fahre durch die Straßen 300 km/h / Kanaks pumpen mich im Ara-ara-ara araba", also mit pumpen meine ich hören. Die Demo-Versionen aller zehn Tracks auf dem Album sind auf diesen zwölf Quadratmetern entstanden.

Newsletter

ZEIT CAMPUS-Newsletter

Studieren, Leben, Arbeiten: Hol' dir die besten Texte von ZEIT CAMPUS in dein Postfach! Jeden Dienstag frisch aus der Redaktion.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

ZEIT Campus: Bist du im Selfmade-Studio auch an deine Grenzen gekommen?

Ebow: Ja, bei Tracks wie Shy. Da rappe ich darüber, dass ich jemanden im Club heiß finde. Den Text hatte ich schon lange in meinem Kopf und wollte ihn endlich mal produzieren. Nur war ich ja zu der Zeit nie in Clubs. Also hab ich mit meinem besten Freund Drinks gemixt, getanzt und Musik gehört, alles Mögliche, von Usher bis zu der Frankfurter Rapperin Liz. Wir sind dann hier voll abgegangen bis drei Uhr morgens.

ZEIT Campus: Hast du dich nie eingeengt gefühlt?

Ebow: Ich kann gut auf wenig Raum leben und arbeiten, die Routine hier während der Pandemie hat mir sogar gutgetan. Am Anfang habe ich den Tag noch mit Yoga gestartet, dafür hatte ich mir eine Fitness-App runtergeladen. Dann habe ich gern mal eine Stunde gefrühstückt, das brauche ich einfach. Ich liebe Sauerteigbrot, Wurst und Bergkäse, das ist wohl das Bayerische in mir, ich bin ja in München geboren. Oft esse ich dazu auch Oliven und weißen Käse, das ist dann wohl das Alevitische, das ich von meiner Mutter und meinem Vater hab, die in der Türkei geboren wurden. Danach bin ich in mein kleines Studio, habe mir angehört, was ich am Tag zuvor aufgenommen hatte. Oder ich war auf einer Internetseite, auf der man Beats für bestimmte Moods finden kann. Dann habe ich neue Songs geschrieben und aufgenommen und sie wieder durchgehört. So ging das jeden Tag, fünf Monate lang, bis Mitternacht. Ich habe in der Zeit total in mir geruht.

ZEIT Campus: In dem Track "Canê" geht es ganz im Gegenteil darum, dass Menschen sich hin- und hergerissen fühlen. Das wirkt wie der Soundtrack der Gegenwart.

Ebow: Viele hören sexistische Songs von Rappern und sind trotzdem feministisch. Einige tragen Prada, und die Welt geht unter. Viele gehen in Kneipen, und es ist Pandemie. Aber wir können uns nicht von irgendwelchen Widersprüchen abhalten lassen, wir leben ja alle.

ZEIT Campus: In "Prada Bag" geht es darum, wie Menschen andere Menschen mit Migrationsgeschichte für dicke Autos oder Markentaschen kritisieren, ohne ihre Privilegien zu reflektieren. Hast du einen politischen Auftrag?

Ebow: Nein, ich schreibe einfach über Dinge, die mich als Person beschäftigen, und ich lasse mir da auch von keinem reinreden. Themen wie white supremacy oder Rassismus finde ich wichtig, die verkaufen sich natürlich nicht so gut. Aber ich will ja mit meinen Songs auch gar nicht in die .

Zum Original