Tamara Marszalkowski

Freie Journalistin, Frankfurt am Main

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DAS HANDY ALS HEILSBRINGER

Dann wiederum gibt es die Menschen, die sich dem Kult um das Abbilden des eigenen Gesichts und Körpers mit größter Leidenschaft hingeben: dem Selfie. Für manche ein alarmierendes Anzeichen eines um sich greifenden Narzissmus, für anderen eine Möglichkeit, sich einer perfekten und heilen Illusion hinzugeben. Die Künstlerin Laurel Nakadate unterwandert die Auflagen der dauerfröhlichen Selfie-Gemeinschaft und des Gebotes einer erfolgreichen Selbstvermarktung, indem sie sich jeden Tag weinend fotografiert. Auch Alberto Frigo unterwandert die Selbstinszenierung des Selfie-Kults, indem er jahrelang alles fotografiert, was er in seine rechte Hand nimmt. Doch wie mit allen Eigentümlichkeiten und Ideen, finden sich auch im weltweiten Netz immer irgendwelche Gleichgesinnte. Und so wächst die Anhängerschaft um das so genannte "Lifelogging", der kompletten Aufzeichnung des eigenen Lebens.

Ob man nun eher nach dem Hipster kommt, der Handy-bejahenden Kunstfigur des 21. Jahrhunderts oder nach dem berühmten Kaninchen vor der Schlange -- hier also der Hamster -- man sollte das eigene Smartphone in dieser Ausstellung auf keinem Fall im Schließfach lassen. Denn einige der Arbeiten funktionieren nur mit dem Handy des Besuchers und sind schon gar nicht im White Cube anzutreffen. Steht der Besucher vor einer blanken Wand, an der Router hängen, muss er zu seinem eigenen Smartphone greifen, sich in das vor ihm befindliche W-Lan-Netz einloggen und seinen Browser öffnen, um sich die Exponate anschauen zu können. Man sollte sich also für ein paar Stunden vom Bann des Mobiltelefons hypnotisieren lassen und mit bläulich beleuchtetem Gesicht in die Ausstellung „Hamster Hipster Handy" des Museums Angewandte Kunst gehen.

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