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Finanzieller Abgrund beim Hessentag

Profislackliner Lukas Irmler hat den Hessentag 2017 mit seiner Darbietung eröffnet. Finanziell gesehen wurde das Landesfest zu einem Drahtseilakt, der nicht gut ausging. Foto: Maik Reuß

Das Ausrichten des Hessentags 2017 kommt Rüsselsheim teuer zu stehen. Ein Jahr später steht fest: Das Minus beträgt mehrere Millionen Euro. Foto: Maik ReußProfislackliner Lukas Irmler hat den Hessentag 2017 mit seiner Darbietung eröffnet. Finanziell gesehen wurde das Landesfest zu einem Drahtseilakt, der nicht gut ausging. Rüsselsheim.


Knapp anderthalb Millionen Besucher haben im Juni vergangenen Jahres in Rüsselsheim den Hessentag gefeiert. Ob bei Konzerten, Sportveranstaltungen oder dem großen Umzug zum Schluss: In der Stadt herrschte Ausnahmezustand. Das Landesfest, das zehn Tage dauert, soll sich in den gastgebenden Kommunen angesichts der im Vorfeld getätigten Investitionen auch noch in zehn Jahren positiv bemerkbar machen. In Rüsselsheim könnte das allerdings auch im negativen Sinn der Fall sein. Denn wie die Pressestelle im Rathaus am Donnerstag mitteilte, hinterlässt das Fest ein Defizit von 4,6 Millionen Euro.


Vorlage nach den Ferien


Zwar wird wegen der angesichts des Terrors in Europa erhöhten Kosten für die Sicherheit erwartet, dass das Land noch 900 000 Euro erstattet, doch einen Millionen-Minus bleibt so oder so. Neben den Sicherheitskosten dürften dabei die schleppenden Ticketverkäufe bei den Konzerten eine Rolle spielen.

Dass der Hessentag die Stadt teuer zu stehen kommt, ist keine Überraschung. Millionen-Defizite für die ausrichtenden Kommunen sind beim Landesfest in den vergangenen Jahren die Regel gewesen.
Der damalige Rüsselsheimer Oberbürgermeister Patrick Burghardt (CDU) hatte sich vor dem Hessentags noch überzeugt gezeigt, dass die Stadt ohne ein Defizit bei der Ausrichtung des Landesfests auskommen werde. Nachdem Burghardt Ende vergangenen Jahres als Oberbürgermeister nicht wiedergewählt wurde, arbeitet er mittlerweile als Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Auf das nun doch zustande gekommene Defizit angesprochen, ließ eine Ministeriumssprecherin ausrichten, dass Burghardt sich nicht mehr zu politischen Fragen in Rüsselsheim äußere.

Die Stadtverordneten sollen jetzt eine tabellarische Übersicht zum Defizit bekommen. Eine umfassende Vorlage, die derzeit zur vorläufigen Endabrechnung erarbeitet werde, will der Magistrat ihnen nach den Herbstferien vorlegen.


CDU „sehr verwundert"


In der Rüsselsheimer CDU ist man über das Vorgehen des Magistrats „sehr verwundert". Den Stadtverordneten hätten am Donnerstag keine Informationen zur vorläufigen Endabrechnung vorgelegen. Dabei habe der Magistrat zuletzt am Dienstagvormittag getagt. „Die jetzt veröffentlichte Information zum Defizit des Hessentages hätte der Oberbürgermeister demnach am Dienstag im Haupt- und Finanzausschuss bekanntgeben können", ärgert sich Parteichef Thorsten Weber. Dieses Gremium mit einer Presseerklärung zu übergehen, mit dem Hinweis, es gebe in der nächsten Sitzungsrunde eine Vorlage mit Zahlen, sei „schlicht unredlich".

  

Mit der vorläufigen Endabrechnung des Hessentags hat der Magistrat auch über die Endabrechnung des Kunstpfads am Mainvorland beraten.

Inhaltlich könne man erst Stellung nehmen, da sind sich alle Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung einig, wenn eine detaillierte Auflistung der einzelnen Kosten vorliegt. „Wir weisen aber darauf hin, dass der damalige Oberbürgermeister Patrick Burghardt bereits Anfang Juni 2017 (am 9. Juni 2017 begann der Hessentag, d. Red) öffentlich darauf hingewiesen hat, dass es ein Defizit geben wird", sagt Weber für die CDU.
Terroranschläge in Europa hätten zusätzliche Aufgaben im Bereich der Sicherheit gefordert, die zuvor nicht kalkuliert worden seien. Hier seien schon im Jahr 2017 Mehrkosten von zwei Millionen Euro angekündigt worden. Weiterhin gibt Weber die Investitionen in die städtische Infrastruktur zu bedenken, die es ohne den Hessentag nicht gegeben hätte.

Details abwarten


Abdullah Sert (FDP) verweist wie Weber darauf, dass Mehrkosten vom damaligen Oberbürgermeister aufgrund erhöhter Sicherheitsanforderungen bereits angekündigt worden seien - ebenso wie eine mögliche Beteiligung des Landes an diesen.

Für die WsR Fraktion ist bei der Abrechnung die Berechnung der für den Hessentag eingesetzten Personalstunden von „ganz erheblicher Bedeutung", wie Fraktionschef Joachim Walczuch mitteilt.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Sanaa Boukayeo zeigt sich erschrocken darüber, dass zum schon angekündigten Defizit, sie spricht von 2,7 Millionen Euro, noch mal ein „Batzen" hinzugekommen sei. „Das bestätigt uns in unserer Befürchtung, dass es keinen kostenneutralen Hessentag gibt", äußert sie sich.

Für ihr Pendant bei den Grünen, Maria Schmitz-Henkes, war der Hessentag ein „tolles Fest, dass uns allen gut gefallen hat". Von der „versprochenen Null" sei man allerdings Millionen von Euros entfernt. „Das wird eine Belastung für die Stadt", ist Schmitz-Henkes sicher.

Heinz-Jürgen Krug (Linke / Liste Solidarität) macht deutlich, dass seine Fraktion vom Defizit „auch in dieser Höhe" wenig überrascht ist.

Dass ein Hessentag für die ausrichtende Kommune mit finanziellen Verlusten verbunden ist, bestätigt das Beispiel Korbach. Dort ging der Hessentag in diesem Jahr über die Bühne. Das Minus soll allerdings nur 2,5 Millionen Euro betragen - bis jetzt.

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