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Politische Bildung auf YouTube: Zwischen Beutelsbacher Konsens und LeFloid

YouTuber wie LeFLoid sind für Jugendliche wichtige Informationsquellen. – CC BY 2.0 via flickr/re:publica

Fast zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland nutzen Youtube als Informationsquelle. Für die politische Bildungsarbeit ergeben sich dadurch neue Chancen, die Zielgruppe zu erreichen. Doch das ist schwieriger als gedacht.

Für Medienpädagogen stellen sich durch Plattformen wie YouTube knifflige Fragen. Eine davon dreht sich um das Thema, wie politische Bildung durch Webvideos gelingen kann. Bei Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren ist die Video-Plattform bei einer Befragung des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest auf Platz zwei der Informationsquellen gelandet. Rund 60 Prozent gaben an, sich täglich oder mehrmals pro Woche auf YouTube zu informieren. Auf Platz eins landeten Suchmaschinen mit knapp über 80 Prozent der Nennungen. Zum Vergleich: Klassische Online-Nachrichtenportale kommen insgesamt nur auf 21,5 Prozent.


Medienpädagogen stellen sich erst jetzt auf die Generation Youtube ein

Politische Bildung soll gesellschaftliche und politische Teilhabe ermöglichen. Medienpädagogen versuchen, dieses Ziel zum Beispiel mit der Erstellung von Medien zu erreichen. Bisher tun sie sich aber schwer, auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren.

Man kann die Art der politischen Bildung mit Webvideos in zwei Kategorien unterscheiden. Zum einen soll der Zuschauer gebildet werden. Das geschieht zum Beispiel durch Erklärvideos von YouTubern. Zum anderen soll beim Produzenten ein Bildungsprozess einsetzen. Viele Angebote laufen so ab, dass über einem Zeitraum von beispielsweise einer Woche ein Workshop stattfindet. Dort wird ein Video erstellt und hochgeladen. Anschließend kümmert sich niemand mehr darum. Webvideos leben aber von der Interaktion der Nutzer, die erst nach der Veröffentlichung stattfindet. Auch bei der Frage, ob YouTube eine geeignete Plattform dafür ist oder man nicht lieber eine Alternative nutzen soll, herrscht Uneinigkeit.


„Das, was YouTuber machen, ist schwierig nachzubilden"

In der Medienpädagogik gibt es erste Ansätze, um diesen Problemen zu begegnen. Das Netzwerk „bewegtbildung.net" zum Beispiel versucht, Bildungsprojekte mit Webvideos zu realisieren. Gleichzeitig sollen Akteure aus der Wissenschaft, der Bildung und Medienpädagogik sowie aus sozialen Netzwerken zusammengebracht werden. So sollen neue Formate für die Bildungsarbeit mit Webvideos entstehen. Bewegtbildung.net ist ein gemeinsames Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung und „mediale pfade.org" - einem Verein für Medienbildung.


Auf einer Fachtagung des Netzwerks zum Thema „Webvideo, Medienarbeit und politische Bildung im Social Web" ging es auch um die Frage, ob politische Bildung mit Webvideos funktionieren kann. Daniel Seitz, der Projektverantwortliche bei mediale pfade.org, sieht einige Hürden bei diesem Thema:


Die klassische räumliche Nähe bei der Bildungsarbeit fehlt bei Webvideos. Auch die Interaktion nach der Veröffentlichung ist bisher nicht gegeben. Im Internet läuft das anders, viel personalisierter ab. Das, was YouTuber machen, ist schwierig nachzubilden in der politischen Bildung. Dort funktioniert Bildung stark über Personen, nicht über Inhalte. Politische Bildung definiert sich aber durch die Inhalte.


Seiner Meinung nach steckt in den Interaktionen nach der Veröffentlichung bisher ungenutztes Potenzial. Politische Bildung funktioniert nämlich nur durch die Auseinandersetzung mit den gezeigten Themen. Durch Kommentare unter dem Video oder interaktivem Storytelling kann diese Interaktion entstehen. Die Chance von Webvideos liegt darin, gleichzeitig die Zuschauer und die Produzenten ansprechen zu können.


Mit Fakten gegen Fakes

Dass Webvideos auch Gefahren bergen, weiß Andre Wolf von Mimikama e. V. Er beschäftigt sich hauptberuflich mit dem Widerlegen von Internetfakes. Seit 2011 recherchiert er Gerüchten im Internet hinterher und versucht so, politische Bildung zu betreiben. Vor allem im rechten Spektrum wird oft mit Fakes oder Manipulationen gearbeitet. Auf solche Dinge kann aber jeder hereinfallen, wie der Fall des angeblich toten Flüchtlings bei dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales gezeigt hat.


Bisher ist es nur selten vorgekommen, dass jemand durch Andre Wolfs Arbeit seine Meinung änderte. Daher besteht das Ziel seiner Arbeit darin, langfristig Informationskompetenz zu vermitteln. „Die Leute sollen das Internet bewusst nutzen können. Sie sollen Inhalte, die sie empfangen, verstehen und hinterfragen können und nicht blind Sachen teilen, die nicht stimmen." Deshalb sollten zuerst solche Kompetenzen gelehrt werden, um politische Bildung mit Webvideos zu ermöglichen.


Mit YouTubern den Beutelsbacher Konsens umsetzen

Bei staatlicher Unterstützung von Online-Inhalten könnte der Gedanke an Propaganda aufkommen. Die Arbeit von bewegtbildung.net ist allerdings dem Beutelsbacher Konsens verpflichtet. In ihm sind die Grundsätze der politischen Bildung festgelegt. Dort findet sich ein sogenanntes Überwältigungsverbot. Es besagt, dass der Bildende anderen nicht seine eigene Meinung aufzwingen darf. Daniel Seitz erklärt, wie das im Zusammenhang mit Webvideos funktioniert:


Natürlich könnte ich mit einem YouTuber zusammenarbeiten, der seine eigene Meinung in einem Video einbringt. Die darf aber nicht alleine stehen bleiben, es gibt nämlich auch das Kontroversitätsgebot, das besagt, dass ich alle Meinungen präsentieren muss, die zu einem Thema diskutiert werden. Unser Job ist es, alle Perspektiven aufzuzeigen. Die Adressaten müssen dann selbstständig entscheiden, wo sie sich positionieren wollen.


Man muss hier allerdings unterscheiden zwischen Medienpädagogik und politischer Bildung. Der Beutelsbacher Konsens ist nämlich in der Pädagogik nicht weit verbreitet. Und selbst in der politischen Bildung gibt er nur eine Orientierung, was man tun sollte. Projekte, die sich nicht auf solche Richtlinien stützen, sollten weiterhin kritisch beäugt werden.

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