Svana Kühn

Redakteurin Politik und Gesellschaft / Content Managerin, Osnabrück

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Kontrollverlust in einer Explosion der Farben

Farbflecken mit sanften Verläufen und dann wieder harte Kanten - Künstler Giacomo Santiago Rogado will mit seiner Kunst das Auge fordern und zu Assoziationen anregen.

Delmenhorst. Die aktuelle Ausstellung in der Städtischen Galerie Delmenhorst soll die Augen fordern. Mit einer Mischung aus Formen und Farben beweist der Luzerner Künstler Giacomo Santiago Rogado ein Faible für abstrakte und experimentierfreudige Malerei.


Fasziniert von Formen, Farben, Kanten und Brüchen kreiert Giacomo Santiago Rogado Bilder, die einem regelrecht entgegenleuchten. Andere wirken wiederum zurückhaltend, haben eine Sogwirkung und ziehen den Betrachter in ihren Bann.


Die aktuelle Ausstellung in der Städtischen Galerie Delmenhorst trägt den Titel "Anfang von etwas". Sie zeigt Bilder, die der Luzerner Künstler eigens für Haus Coburg angefertigt hat. Dafür habe man sich stark mit den Räumen beschäftigt, sagt Annett Reckert, langjährige Leiterin der Städtischen Galerie. Also damit, wie die Bilder in den Räumen, aber auch in Zusammenspiel miteinander wirken. "Jeder Raum hat eine eigene Stimmung. Es ergibt sich ein Rhythmus." "Das ist wie, wenn man Wörter zusammensetzt und am Ende ein schöner Satz entsteht", ergänzt der Künstler.


Giacomo Santiago Rogado wurde 1979 in Luzern in der Schweiz geboren und führt ein Atelier in Berlin. Die aktuelle Ausstellung in der Städtischen Galerie ist seine erste institutionalisierte Einzelausstellung in Deutschland. Gefördert wird sie vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, der Kultur­stiftung der Öffentlichen Olden­burg und vom Freundeskreis Haus Coburg. 


In seiner Kunst gehe es darum loszulassen, offen zu sein und sich nicht von der Mode leiten zu lassen, so Rogado. Seine Bilder sollen eine eigene Erfahrung sein – haben kein Label. Man wolle die Assoziationen der Betrachter nicht steuern. Ihm sei wichtig, dass das Auge gefordert wird.


Das erste Bild, das die Besucherinnen und Besucher zu sehen bekommen, erinnert Rogado selbst an ein Walfischmaul. "Es fühlt sich an, als würde ich einem Wal in den Mund springen." Für Reckert eröffnen sich mikrokosmische Assoziationsfelder. "Dieses Bild zum Beispiel", sagt sie und deutet auf ein Werk, auf dem unterschiedliche Rottöne ineinander verlaufen und an einigen Stellen aufreißen – als würde Sonnenlicht durch rote Wolken fallen. "Das erinnert mich an das Pulsieren in den Adern.“ „Aber manche Werke hinterlassen auch so eine richtig schöne Ratlosigkeit“, ergänzt sie.


Rogado arbeite prozessorientiert – mit Acrylfarben, Ölen, Tinkturen und Schablonen. Für seine Bilder verwendet er vorwiegend Baumwolltücher. Zuerst wird das Material in Farbbädern eingefärbt. "Da verliere ich total die Kontrolle", sagt er. "Und dann versuche ich sie mir Stück für Stück zurückzuholen." Konkret heißt das, die fließenden Formen, die entstehen, herauszulesen und in geometrische Formen zu übersetzen. Es entsteht ein Zusammenspiel aus klaren Kanten und Farbflecken mit sanften und ausgefransten Verläufen.


Die aktuelle Ausstellung läuft vom 23. Januar bis zum 28. März, wobei zurzeit noch nicht klar ist, wann die Galerie wieder Besucher empfangen darf. Einen ersten Einblick wolle man den kunstinteressierten Delmenhorsterinnen und Delmenhorstern aber dennoch geben: Am Freitag, 29. Januar, soll ein Online-Gespräch mit dem Künstler stattfinden. Der Link wird über die Website der Galerie und den Newsletter bekannt gegeben. Zudem soll auch ein Buch erscheinen, das gegen Ende der Ausstellung in der Städtischen Galerie erhältlich sein wird. Für Reckert, die die Städtische Galerie Ende Februar verlässt, wird es die letzte Ausstellung sein: "Ein Schlussakkord, wie ich ihn mir besser nicht hätte wünschen können."

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