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Pistole auf die PLO-Brust

Pistole auf die PLO-Brust Susanne Knaul, Jerusalem Musaab Firas al-Tamimi war gerade 17 Jahre als, als ihn israelische Soldaten diese Woche bei einer Demonstration nördlich von Ramallah mit Gewehrkugeln niederstreckten. Al-Tamimi ist der 14. Palästinenser, der seit der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, bei Protesten sein Leben lässt. Trump wollte erklärtermaßen einen Jahrhundert-Deal und als Friedensstifter im Nahen Osten Geschichte machen. Er erreichte genau das Gegenteil. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) erklärte ihn als Vermittler bei Friedensgesprächen für untauglich. Per Twitter drohte Trump nun, die finanzielle Hilfe an die Palästinenser einzustellen. Wozu, fragte er, sollten die USA „Hunderte von Millionen Dollar“ zahlen, wenn sie dafür „weder Anerkennung noch Respekt“ zurückbekämen. Unterdessen prescht Israels Regierung mit der Rückendeckung aus Übersee voran, um Tatsachen zu schaffen, die die Zweistaatenlösung untergraben. Die Annektierung von Teilen des besetzten Palästinensergebietes schwebt nunmehr nicht nur der Siedlerpartei Israel ist unser Heim vor, sondern auch dem Zentralrat des Likud. Außerdem soll ein Gesetz garantieren, dass für künftige Kompromisse in Jerusalems eine Dreiviertelmehrheit in der Knesset (Parlament) voraussetzt. Laut jüngstem Twitter-Eintrag Donald Trumps ist Jerusalem ohnehin „off the table“, vom Tisch. Zehn Länder, darunter Tschechien und Guatemala, kündigten an, auf den Spuren der USA ihre Botschaften nach Jerusalem verlegen zu wollen. Die große Mehrheit denkt anders. 128 UN-Mitgliedsstaaten positionierten sich im Dezember gegen Trumps Jerusalem- Erklärung. Vor Journalisten in New York bestätigte die amerikanische Botschafterin Nikki Haley, dass Trump auch die Beiträge zur UNRWA, der UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge streichen will, „bis die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückkehren“. Mit umgerechnet rund 300 Millionen Euro jährlich an die UNRWA und trägt damit knapp ein Drittel der Gesamtkosten für die Schulen in den Flüchtlingslagern und die medizinische Versorgung der ärmsten Palästinenser. Neben den Behörden ist die UNRWA größter Arbeitgeber im Gazastreifen. Nach eigenen Angaben unterstützt die Organisation rund fünf Millionen Flüchtlinge in den Palästinensergebieten, in Jordanien, Syrien und im Libanon. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas lässt sich von den Drohungen vorerst nicht beeindrucken. „Jerusalem und seine heiligen Stätten stehen nicht zum Verkauf, nicht für Gold und nicht für Silber“, ließ er ausrichten. Ein Wehmutstropfen für Netanjahu, der so unbedingte Sympathie im Weißen Haus genießt wie nie zuvor in seiner langen Amtszeit, ist die Antihaltung vom Rest der Welt. Ganze neun Staaten stimmten gegen die Resolution der UN-Generalversammlung zur Trump-Erklärung. Selbst Tschechien enthielt sich am Ende. Federica Mogherini, die EU-Außenbeauftragte, rief die Tschechen unmittelbar nach ihrer Ankündigung, mit der tschechischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem umzuziehen, zur Disziplin, und die Regierung in Prag versprach, die Umzugspläne vorläufig auf Eis zu legen. Israels internationales Standing steht ganz oben auf der Agenda von Regierungschef Netanjahu, der gleichzeitig das Amt des Außenministers innehat. Nicht weniger als 30 Reisen in insgesamt 37 Länder hat Netanjahu seit Beginn der laufenden Regierungsperiode unternommen, sechs Kontinente in einem Jahr. Nur zur Antarktis sei er noch nicht gekommen, „aber wie ich höre, sind die Pinguine enthusiastische Unterstützer Israels“, witzelte er im Herbst vor der UN-Generalversammlung. Sehr fruchtbar sind Netanjahus diplomatische Anstrengungen indes nicht. Weder Russland, das Netanjahu fünf Mal besuchte, noch afrikanische Staaten, stimmten für Israel. Ebenso distanzierten sich Griechenland, Zypern und Italien sowie die Visegrád-Gruppe – allesamt besuchte Netanjahu in jüngerer Vergangenheit. Abgesehen von den USA, von Canada und einer Hand voll kleinerer Inselstaaten hält sich die Sympathie für Israel in Grenzen. Dr. Nimron Goren vom Israelischen Institut für Regionale Außenpolitik Mitvim macht „Israels Politik gegenüber den Palästinensern“ für die internationale Isolation des Staates verantwortlich. „Die Erfahrung zeigt, dass eine diplomatische Renaissance, wie sie sich der Regierungschef erhofft, erst stattfindet, wenn sich Israel überzeugend zum Frieden verpflichtet und Schritte in dieser Richtung unternimmt.“ Die palästinensische Führung zelebrierte das Abstimmungsergebnis in New York, das allerdings nur von symbolischer Bedeutung ist und nicht bindend. Hanan Aschrawi vom PLO-Exekutivrat forderte die Formierung einer internationalen Koalition der Friedenswilligen. Nach Ansicht des israelischen Politologen Menachem Klein von der Bar- Ilan Universität bei Tel Aviv stehen die Chancen dafür derzeit nicht günstig. „Anstelle von Obama haben wir Trump. Die EU ist zerstritten, der Brexit beschäftigt die Briten, und Deutschland hat Koalitionsprobleme.“ In Europa bestehe derzeit kein Konsens und „keine einzige politische Maßnahme, um Druck auf Israel auszuüben“. Immerhin verurteilte eine EU-Delegation diese Woche eine erste Abstimmung in der Knesset zur erleichterten Todesstrafe für Terroristen. Die Todesstrafe, so heißt es in der Stellungnahme der EU-Delegierten, sei unmenschlich und habe „keinen nachgewiesenen Abschreckungseffekt“.