8 Abos und 8 Abonnenten
Artikel

Marokko will Proteste im Keim ersticken

Zwischen 2016 und 2017 demonstrierten monatelang Tausende von Marokkanerinnen und Marokkanern in der Küstenstadt Hoceima. (Bild: Youssef Boudlal / Reuters)

In Hoceima schlägt das Herz der Protestbewegung Marokkos. Deshalb lässt die Regierung die Stadt seit zwei Jahren vom Militär belagern

Die Menschen in der Küstenstadt Hoceima fordern einfach nur grundsätzliche Rechte und Freiheiten für alle. Doch der Staat geht mit aller Härte gegen Protestierende vor und lässt sie im Gefängnis foltern.



Der erste Eindruck aus der Ferne: Hoceima muss gefährlich sein. Dass die Küstenstadt näher rückt, merkt man daran, dass die Strassensperren der Polizei immer dichter stehen. Die Berge des Rif im Norden Marokkos waren schon immer eine aufrührerische Gegend. In den Gesichtern der Beamten lässt sich lesen: Die Lage ist ernst. Sie sind extra aus weiter entfernten Städten beordert worden. Manche sind in voller Montur, schwarz, mit Schusswesten, Schlagstock hinterm Rücken oder Maschinengewehr im Anschlag. Die Behörden fahren hier grösstmögliche Sicherheitsmassnahmen auf. Ein Zeltlager aus schwarzen Militärjurten mitten in der Stadt vermittelt das Gefühl: Polizei und Militär haben alles unter Kontrolle.

Doch der zweite Eindruck in Hoceima gibt Rätsel auf. Junge Leute in Jeans schlendern die Strassen entlang, Frauen in Djellabas gehen zum Einkaufen. Männer sitzen in Cafés und rauchen, diskutieren oder schauen gemeinsam Fussball. Wofür brauchen die Sicherheitskräfte ein Heerlager, hier mitten im friedlichen Alltagstreiben? Wovor hat die marokkanische Regierung so grosse Angst, dass sie diese Stadt seit mehr als zwei Jahren belagern lässt? Denn so lange ist es her, dass ein Fischhändler in einem Müllwagen zu Tode gequetscht wurde, weil er seinem von der Polizei konfiszierten Fang hinterhersprang. Der Vorfall trieb die Leute im Rif in Massen auf die Strasse. Sie forderten ein Ende willkürlicher Polizeigewalt sowie ein Spital, eine Universität und ein paar Fabriken. Die Protestbewegung, die daraus entstand und deren Herz Hoceima werden sollte, wird in Marokko nur Hirak genannt, "Bewegung".


Zum Original