Ein Stück Stoff kann alles ändern. Das hat Ele am eigenen Leib erfahren. Ein Kopftuch hat das Leben der jungen Frau verändert. Nichts ist mehr wie vorher: Sie ist ihren Job los, hat sich von ihrem Mann und ihrem alten Freundeskreis getrennt. Als alleinerziehende Mutter lebt sie mit ihren Kindern von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld. Für den Islam hat sie vieles aufgegeben. Dennoch sagt sie, dass sie noch nie so glücklich war.
Heute ist Ele streng religiös, ordnet ihr Leben festen Geboten unter und richtet ihren Alltag an der Glaubenspraxis aus. Sie betet fünf Mal am Tag. Manchmal auch in einer Umkleidekabine bei C&A, wenn es nicht anders geht. Für jede Frage, sei sie auch noch so banal, konsultiert sie Ratgeberliteratur, weil sie nichts falsch machen will. Sie verzichtet auf bestimmte Lebensmittel und studiert dafür jedes Etikett ganz genau. Kontakt zu Männern versucht sie zu vermeiden, denn das ziemt sich für ihre neue Lebensweise nicht. Sie kleidet sich so, dass nur Hände und Gesicht zu sehen sind.
Warum tut sie sich das an, könnte man fragen? Was bewegt in Deutschland lebende Menschen wie Ele dazu, zum Islam zu konvertieren? Warum schließen sich manche freiwillig sogar einer besonders strengen Form wie dem Salafismus an?
Die Journalistin Susanne Kaiser hat Geschichten von Menschen wie Ele eingefangen. Wer sind die jungen, zum Islam konvertierten Frauen und Männer? Was bewegt sie zu einem für Außenstehende unverständlichen und unpraktischen Lebensentwurf? Ihre Motive sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. In jeder Lebensgeschichte finden sich Brüche, Beweggründe und Erfahrungen, die eine solche Entscheidung erklären können. Eines jedoch haben die Konvertierten gemeinsam: Sie alle haben ihr Leben radikal geändert. Im Gegensatz zu dem, was in den Medien als „radikalisierte Muslime“ verhandelt wird, ist ihr neues Leben von einer weniger spektakulären Radikalität. Sie sind nicht gewaltbereit, sie wollen keinen Gottesstaat errichten und auch nicht der „Mehrheitsgesellschaft“ schaden. Im Gegenteil: Die Hinwendung zum Islam soll ihnen helfen, ihr Leben in den Griff zu bekommen und etwas aus sich zu machen. Sie sehen sich als festen Teil der Gesellschaft und möchten mit ihren Ideen dazu beitragen, diese zum Besseren zu wenden. In diesem Buch kommen sie zu Wort.
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