Aufträge werden abgesagt, Geschäfte und Restaurants müssen ganz oder teilweise schließen, Kundinnen und Kunden bleiben weg: Die Coronakrise trifft die Wirtschaft hart - und mit ihr junge Menschen, die sich gerade erst selbstständig gemacht haben oder ins Berufsleben einsteigen. Viele von ihnen wissen nicht, wie es nach der Krise weitergeht, oder wie sie diese überhaupt überstehen sollen.
In den vergangenen Tagen war immer wieder von Wirtschaftshilfen, Kurzarbeit und Kreditprogrammen die Rede. Am Donnerstag wurde schließlich bekannt, dass die Bundesregierung ein Rettungspaket für Solo-Selbstständige und andere Kleinstunternehmer plant, insgesamt sollen 40 Milliarden Euro bereitgestellt werden ( SPIEGEL). Ein bisschen Hoffnung für viele Verzweifelte. Und trotzdem: Die Unsicherheit bleibt.
Wir haben mit vier jungen Menschen über die Auswirkungen der Krise gesprochen - und wie es ihnen damit geht.
"Seit das Coronavirus in den Medien ist, geht der Umsatz in meinem Restaurant zurück: Zuerst waren es 25 Prozent weniger, dann 50 Prozent und jetzt sind es ungefähr 80 Prozent. Ich bin komplett überfordert mit der Situation. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, wache schweißgebadet auf und habe oft Bauchschmerzen. Es fühlt sich an wie ein schlechter Traum, aus dem ich jeden Moment aufwachen könnte.
Ich habe diese Woche innerhalb eines Tages einen Lieferservice aufgebaut, um all die Menschen in Quarantäne zu beliefern - oder in den Büros und Unternehmen, in denen es mittlerweile keine Kantine mehr gibt. Und auch, um die Personalkosten zu decken. Der Service wird bisher gut angenommen - ich vermute, dass viele unserer Kundinnen und Kunden nicht nur bestellen, weil sie hungrig sind, sondern auch, weil sie uns unterstützen wollen.
Es ist merkwürdig, abends Nachrichten zu schauen und so zu erfahren, was sich als nächstes ändert. Ich bekomme keine Informationen von der Stadt und weiß nicht, wie ich mich als Arbeitgeberin verhalten soll. Seit ein paar Tagen kann ich keine Arbeitsstunden an meine Aushilfen mehr vergeben, sonst müsste ich meine festangestellten Mitarbeitenden entlassen. Gerade warte ich auf eine Rückmeldung von der Agentur für Arbeit, um Kurzarbeit für die Aushilfen zu beantragen.
Viele Angestellte in der Gastronomie sind auf Trinkgeld angewiesen, das fällt momentan komplett weg. Meine festangestellten Mitarbeitenden bekommen auch deshalb noch ihren vollen Lohn von mir, immerhin gehören sie zu meinem Betrieb. Sie geben mir viel, wenn es gut läuft, deshalb will ich ihnen auch etwas geben, wenn es schlecht läuft. Außerdem will ich nicht zu kurzfristig denken und all meine Mitarbeitenden entlassen. Denn wenn mein Restaurant die Krise überlebt, werde ich sie brauchen.
Es tut weh zu sehen, wie das eigene Lebenswerk zugrunde geht. Restaurants, Cafés, Kinos und Theater - diese Einrichtungen gestalten unser aller Leben. Diese Krise betrifft uns alle. Ich glaube, vielen Menschen ist nicht bewusst, wie wichtig sie als Kundinnen und Kunden sind. Deshalb sollten die Menschen, bei denen es finanziell möglich ist, die Betriebe und Einrichtungen weiter unterstützen - indem sie bestellen oder ein Theaterticket nach einer abgesagten Vorstellung nicht zurückerstatten lassen."
"Ich bin seit Ende vergangenen Jahres mit meinem Studium fertig und sollte im April meinen neuen Job als Projektkoordinatorin anfangen. Das Unternehmen schien spannend, das Team nett und die Vorstellungsgespräche liefen super - den Vertrag hatte ich auch schon unterschrieben.
Vergangenen Freitag rief mich meine zukünftige Chefin an: Die Veranstaltungsbranche sei stark betroffen, die meisten Events seien abgesagt worden und das Unternehmen würde große Verluste machen. Sie sagte auch, dass sie mich - sofern ich den Job überhaupt antreten würde - auf jeden Fall innerhalb der Probezeit kündigen müsse. Sie könne sich meine Position aktuell einfach nicht mehr leisten.
Ich hatte mich so auf den Job gefreut. Bis zum Zeitpunkt des Anrufs hatte ich den Ernst der Krise noch gar nicht realisiert. Jetzt fühle ich mich ziemlich scheiße. Ich denke, dass ich die Probezeit dennoch antreten werde. Eine Alternative habe ich aktuell nicht, und so bekomme ich immerhin noch ein Monatsgehalt. Ich habe nämlich gerade keine andere Einkommensquelle - und weiß auch nicht, wann ich eine haben werde."
"Unser Laden liegt am Marktplatz von Saarbrücken und ist gut zu erreichen. In den vergangenen Tagen war die Stadt aber fast komplett leer, dementsprechend kamen kaum Kundinnen und Kunden zu uns. Seit Beginn der Coronakrise sitzen wir auf unserer Ware. Jetzt dürfen wir gar nicht mehr öffnen.
Was als nächstes passiert, erfahren wir nur aus den Nachrichten. Dabei fällt es uns oft schwer zu unterscheiden, was stimmt und was nicht. Dass wir unseren Laden vorerst schließen müssen, haben wir auch aus den Medien erfahren. Wir hatten davor schon befürchtet, dass es soweit kommen würde.
Uns ist aufgefallen, dass einige Onlineshops die Krise nutzen und ihre Ware schon verfrüht im Sale anbieten. Im Einzelhandel können wir damit nicht mithalten, unser Budget und unsere Marge sind nicht groß genug.
Wegen der Coronakrise haben wir nun zwar einen schwierigen Start, wir versuchen uns deshalb aber nicht entmutigen zu lassen. Klar haben wir Angst, aber wir verstehen all die Vorsichtsmaßnahmen auch, Gesundheit geht schließlich vor. Wir hoffen nur, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht entlassen müssen. Dass die Löhne durch Kurzarbeit von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden können, beruhigt uns zwar, aber wir haben auch sonst viele Ausgaben. Wie wir unsere Fixkosten für den Laden bezahlen, wissen wir noch nicht. Wir haben einen kleinen finanziellen Puffer und die Kosten für die Frühjahr- und Sommerkollektion schon beglichen, sollte die Krise aber andauern, wird es schwierig.
Für unser Geschäft ist es trotzdem besser, dass diese Maßnahmen jetzt, also am Anfang der Saison, ergriffen werden und nicht mittendrin. In ein paar Wochen können wir dann hoffentlich versuchen, den Verlust auszugleichen - bei gutem Wetter kauft man sowieso gern Schuhe. Wir planen auch schon ein Fest nach der Krise, mit all den Geschäften in unserer Nachbarschaft."
"In den vergangenen zwei Wochen bin ich von Tag zu Tag angespannter geworden. Ich wollte mir sogar eine Nachrichtensperre erteilen, weil ich den Newsfeed der Nachrichtenseiten alle paar Minuten aktualisiere. Das hab ich aber bisher nicht geschafft. Meine Stimmung wird immer schlimmer, vor allem wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen spreche, bei denen alle Aufträge abgesagt wurden. Ich weiß nicht, was passieren wird. Zwar habe ich einen kleinen finanziellen Puffer, der - wenn ich wenig Geld ausgebe - vielleicht für drei oder vier Monate reicht. Spätestens dann muss ich aber wieder regelmäßig arbeiten, andernfalls weiß ich nicht, woher das Geld kommen soll.
Ich verdiene mein Geld hauptsächlich als freier Mitarbeiter für eine Nachrichtensendung. Die wird noch gedreht, und ich habe nun auch einige Schichten zugeteilt bekommen. Die Nachrichten müssen schließlich gesendet werden. Im Sommer sollte ich aber eigentlich in Frankreich und Italien drehen - es gibt zwar noch keine Infos, ich rechne aber nicht damit, dass die Drehs stattfinden können. Reisen ist schließlich im Moment nicht möglich. Auf die Mails an meine Auftraggeber bekomme ich keine Antwort. Ich schätze die wissen auch noch nicht mehr.
Ich hoffe, dass die Menschen in den kommenden zwei Wochen zuhause bleiben, damit sich die Situation normalisiert und wieder Ruhe einkehren kann. Dass sich Politikerinnen und Politiker jetzt auf ein großes Rettungspaket geeinigt haben, ist aber schon mal eine Erleichterung."