„Warnung! Dies ist keine waffenfreie Zone", schreit es in großen Buchstaben vom Schild draußen neben dem Eingang. Im Schaufenster liegen Revolver, Jagdgewehre und Karbidlampen, umringt von amerikanischen Fahnen. Aber das ist kein Waffengeschäft, sondern ein Burger-Restaurant: Der „Shooters Grill" liegt in der Kleinstadt Rifle im US-Bundesstaat Colorado. Rifle, wie Gewehr. So heißt die Stadt wirklich.
Bei „Shooters", wie Einheimische das Lokal nennen, sind Schießeisen so wichtig wie die Waffeleisen in der Küche. Eine Pappfigur des Präsidenten begrüßt vorne die Gäste, man kann T-Shirts erwerben, auf denen für „Gott, Waffen und Trump" geworben wird. Die freundliche Kellnerin hält einen Notizblock in der Hand, an ihrem Gürtel hängt eine Beretta, Kaliber 40. „Manche Kunden geben uns Munition als Trinkgeld", sagt die junge Frau und zwinkert mir zu.
„Hier würde niemand einen Überfall wagen"Im „Shooters" ist das gesamte Personal bewaffnet, der Colt an der Hüfte gehört hier zum festen Programm. Die Gerichte heißen „Smoking Gun"-Steaks, „M16-Burritos" und „Swiss & Wesson"-Sandwiches (mit Schweizer Käse), die Vorspeisen werden als „Schießübungen" bezeichnet. Das kommt bei den Gästen gut an. „Wir fühlen uns hier sehr wohl", sagt Ken Kriz, ein Vietnamkriegsveteran, der hier regelmäßig speist. Seine Frau Karma stimmt zu: „Das ist der sicherste Ort der Stadt. Hier würde niemand einen Überfall wagen."
Die Kellnerinnen, der Papp-Trump, die Speisekarte: all das klingt nach einem lustigen Werbe-Gag, nach Fotomotiven, die sich bei Facebook und Instagram gut machen und neue Kundschaft anlocken. Das ist die eine Seite. Aber hinter dem Restaurantkonzept steckt eine politische Dimension. Das „Shooters" setzt im Kleinen all die Forderungen um, die die mächtige Waffenlobby für das gesamte Land fordert: keinerlei Beschränkungen, keine Verbote, kein schlechtes Gewissen.
Rund 300 Millionen Waffen sind in den Vereinigten Staaten im Umlauf, statistisch kommt auf fast jeden Einwohner ein Gewehr oder eine Pistole. Großstädte wie Chicago oder Baltimore, in denen jedes Jahr Hunderte durch Schießereien sterben, gehen vermehrt dazu über, Pistolen in Restaurants, Kneipen und Shoppingzentren zu verbieten. Die Supermarktkette Walmart zog im vergangenen Jahr nach, die mächtige Lobbygruppe „National Rifle Association" (NRA) schäumte vor Wut. Statt Kriminelle anzuprangern, kriminalisiere der Konzern unbescholtene Bürger. Schon bald, prophezeite die NRA, würden die Menschen anderswo einkaufen - in Geschäften, „die Amerikas fundamentale Freiheiten unterstützen". Besonders in ländlichen Regionen ist der zweite Zusatz der amerikanischen Verfassung, der allen Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Waffenbesitz garantiert, heilig.
„Wir wachsen mit dieser Mentalität auf, für uns ist das ganz normal", sagt Barbara Clifton, die Bürgermeisterin von Rifle. Sie hält ihr 10.000-Einwohner-Örtchen nicht für besonders konservativ: Der Müll wird getrennt, Marihuana ist legal, die Dächer der städtischen Gebäude sind mit Solarpanels gepflastert. Nur beim Thema Waffen verstünden die Einheimischen keinen Spaß: „Wir haben sogar zwei Stadträte, die bewaffnet zu unseren Sitzungen kommen."
Diese Mentalität ist für Außenstehende schwer nachvollziehbar, hatte doch gerade Colorado in jüngerer Vergangenheit diverse Opfer durch bewaffnete Attentäter zu beklagen: Weltweit erregte etwa 1999 der Amoklauf in der Columbine-Highschool mit 15 Toten Aufsehen, 2012 das Kino-Massaker von Aurora, bei dem zwölf Menschen starben. „Solche Vorfälle haben wir hier zum Glück nicht", sagt Bürgermeisterin Clifton. Es gebe keine Gegend in Rifle, durch die sie nachts nicht allein laufen würde. Und wenn doch einmal etwas passiert? „Dann weiß ich mich zu wehren." Sie besitzt einen Waffenschein, der ihr das verdeckte Tragen einer Pistole erlaubt (für das offene Tragen braucht man in Colorado keine Genehmigung).