Hallo Sven, Wer bist Du eigentlich?
Sven: Der Mann aus dem Nichts.
Was machst Du eigentlich so den lieben langenTag?
Sven: Generell oder gerade?
Eine Gegenfrage. Sehr gut. Ernsthaft, was machst Du eigentlich so?
Sven: Ich kenne diesen ganzen Medienzirkus gut. Gut, aus privatem und beruflichem Interesse, vor und hinter den Kulissen, deshalb bin ich immer sehr bedacht in dem was ich von mir preisgebe. Ich stelle mir oft die Frage, was das Alles soll, was man so tut und um die Frage vielleicht mal beantwortet zu bekommen habe ich ein Projekt gestartet was "mein Berlin“ heißt.
Du kommst aus Berlin, wie sehr haben Dich deine Wurzeln und deine Herkunft zu dem Menschen gemacht, der Du heute bist?
Sven: Mich hat es sehr stark geprägt, dass ich halt in einem Bezirk aufgewachsen bin und vor allem in einer Gegend mit sehr hohem Anteil von türkisch- , arabisch-, italienisch- und koreanisch-stämmigen Menschen und Kindern, mit denen ich immer auf dem Hof gespielt habe. Das hat mich sehr stark geprägt, viele Kulturen kennenlernen zu dürfen.
Dann war ich auf einer Integrationsschule. Wir hatten immer ein behindertes Kind in der Klasse, was körperlich behindert war aber nicht geistig.
Deshalb waren wir auch schon als Kinder sehr gut darauf eingestellt, dass dies zum Leben dazugehört. Auch bin ich durch meine Eltern sehr tolerant erzogen worden. Das heißt, sie haben mir immer gesagt, dass alle Menschen gleich sind und dass man den Menschen mit Respekt begegnen
soll. Und so diese ganze Mischung, wie ich aufgewachsen bin, durch die Gegend, durch die Ansicht meiner Eltern, bin ich zu dem geworden, wer ich bin. Wie ich höre ein toleranter Mensch, der Menschen probiert zu nehmen, wie sie sind.
Dein neues Projekt MBLN, was ist das eigentlich?
Sven: Es ist ein Interviewprojekt, was fortlaufend ist und ich mein Leben lang durchführen möchte. Worum es geht ist ganz einfach.
Es geht um den Menschen an sich. Das heißt: Ich interviewe alle Menschen, die mir begegnen und die mir in meinemnormalen Alltag nicht begegnen würden.
Dann bin ich auf der Suche nach Leuten aus dem illegalen Milieu und Leuten aus der Adelsszene, die probiere ich alle vor die Linse zu bekommen, um Ihnen ganz normale Fragen zu stellen. Warum sie so sind, wie sie sind oder warum sie so leben, wie sie leben?
Oder ja, was sie zu dem gemacht oder gebracht hat, was sie sich gerade ermöglicht haben, ja das ist so mein Projekt. Um sozusagen eine Gleichstellung probeweise darzustellen, indem ich eben alle Menschen vor der Kamera gleich behandle, ihnen ähnliche Fragen stelle und probiere dadurch eine Vielfalt zu zeigen, die eineStadt halt hat.
Aber gleichzeitig auch zu zeigen, dass wir alle die gleichen Sehnsüchte und Wünsche haben, um die es sich immer wieder dreht.
Wir fantasieren jetzt mal, Du gehst durch den Lidl,siehst die Leute an der Kasse stehen und denkst: “Wir stehen in einer gemeinsamen Schlange, ich würde gerne mehr über die Verkäuferin erfahren...“ ist so deine Idee zu MBLN entstanden?
Sven: (lacht) Insiderwissen?
Die Idee ist anders entstanden und zwar gab´s nen Punkt, wo ich einfach keine Lust mehr hatte für andere Leute zu arbeiten, vor allen Dingen „mediale“ Jobs zu machen, die immer ins Leere laufen. Im Sinne von, sie berühren Leute nur temporär, nur kurzzeitig und das war mir zu wenig. Ich dachte mir, wenn ich schon aus dem Medienbereich komme und wenn ich schon immer an den Menschen interessiert war,dann probiere doch was zu kreieren, das wirklich Bestand hat und immer aktuell bleibt.
Und genau das ist eben ein fortlaufendes Interviewprojekt und dadurch erst hat sich sowas ergeben wie, dass ich wirklich nochmal eine neue Sicht auf den Alltag habe und auf die Menschen, die mir begegnen und dann kommen natürlich Situationen zustande wie, wie denkt eigentlich eine Kassiererin? Ja, wie empfindet sie ihren Job?
Wie ist sie dazu gekommen und wie sieht sie ihreFamilie? Oder wie sieht das Umfeld sie in diesem Job?
Das sind Fragen, die mich dann einfach definitiv interessieren.
Wenn man dadurch vielleicht öfters auch gewisse Klischees brechen kann, indem eben die Kassiererin eventuell sagt, dass sie eigentlich Managerin ist, aber jetzt einen Mann geheiratet hat, der wohlhabend ist und sie einfach so nen Job macht, um ein bisschen Geld zu machen und weil sie Langeweile hat.
Das gibt es sicherlich auch und das wäre eben ganz schön einige Menschen wieder dazu zu bringen sich miteinander auseinander zu setzen
und nicht immer vorurteilig jemanden zu beurteilen.
Und so kam mein Projekt zustande, wie ich es gerade erwähnt habe.
Wie finanzierst du dein Projekt, wer steht hinter Dir
und woher nimmst Du diese ganze Energie?
Sven: Die Energie nehme ich mir vom Leben an sich.
Ich glaube ganz stark an Energien in den letzten Jahren, ich bekomme Energie von meinem
Gegenüber, den Leuten, die ich interviewe, ich kriege ganz viel positives Feedback und da kommen
wir auch gleich zur Frage wer hinter mir steht, das sind Freunde, Bekannte und Familie.
Überwiegend sind es Freunde, die hinter mir stehen, weil ich mit Ihnen schon einige Projekte
machen durfte in der Vergangenheit, wir uns auch auf einer ganz anderen Ebene treffen, menschlich
wie beruflich, und sie beides sehen und daran glauben, dass es Potential hat.
Mittlerweile, durch meine Screenings, die ich veranstalte, gibt es auch viele fremde Menschen,
denen ich begegnet bin, also die mir fremd waren und mir aber positive Resonanz gegeben haben. Und aus dem allen schöpfe ich sozusagen auch die Energie.
Zu den Förderern meines Projektes...ich habe eine Facebook-Seite, dadurch habe ich Unterstützung bekommen, durch Menschen, für die ich dann werbe und diese wiederum für mich, es gibt außerdem einen großen Copyshop in Berlin, der mir Plakate und das alles, was ich diesbezüglich brauche, druckt. Außerdem habe ich eine Designagentur, die kostenlos meine Website macht, eine tolle, tolle Truppe...in Zukunft will ich immer weiter gehen und Größeres machen, jetzt habe ich gerade Gespräche mit "Just Music“, die gibt es auch in Hamburg.
Diese Firma verkauft Instrumente und was man alles so braucht umMusik zu machen.
Mit denen bin ich gerade in Verhandlungen, ja das ist vielleicht die Antwort auf
deine Frage, ich weiß es nicht...
Du bist momentan auf Hartz 4. Wie reagieren die
Menschen um Dich herum auf diese Tatsache?
Sven: Das Lustige ist ja, dass dies Arbeitslosengeld 2 ist und der Gesellschaft als Hartz 4 ins Gedächtnis gebrannt wurde.
Wie die Menschen darauf reagieren ist interessant, aber noch viel interessanter ist, dass ich die Antworten nicht immer gleich so gebe wie man sie will (lacht) – aber so bin ich halt und das macht mich vielleicht auchgerade aus, in naher Zukunft und generell, sehenwir einfach mal was passiert.
Aber letztendlich war es für mich erst mal eine große Hürde es Leuten kund zu tun, dass ich auf Hartz 4 bin. Denn normalerweise musst Du das niemandem sagen, es hat niemanden zu interessieren.
Es interessiert die Leute ja auch nicht "wirklich“. Aber durch das Projekt kommt natürlich die Frage: wie finanzierst du dieses Projekt?
Als erstes sage ich immer: das ist mein eigenes Equipment.
Ich kann alles was ich da mache, das heißt ich brauche niemanden, muss keinen anstellen oder mir etwas leihen. Trotzdem kommen dann die Fragen und bis vor kurzem habe ich noch gesagt, dass ich Freiberufler bin – was ja auch stimmt und ich halt „irgendwelche Projekte“ mache, mit denen ich mich über Wasser halte, nebenbei.
Das heißt Musikvideos oder sonstiges. Aber jetzt, seit ein paar Wochen sage ich, dassich auf Arbeitslosengeld 2 bin und das Lustigeist..die Reaktion (jetzt kommen wir zur Antwort) ist: positiv.
Die Leute finden es durchweg positiv, weil sie meinen Enthusiasmus anscheinend fühlen können.
Ja, sie geben mir dadurch auch wieder Halt das durchzuziehen, aber ich bekomme einfach nur positive Reaktionen. Weil sie da anscheinend ein hochwertiges Produkt sehen, mit einem inhaltlichen Kontext, der sie berührt, das sehen sie als sehr wertvoll an. Deswegen können Sie auch nachvollziehen, dass ich alle Energie in mein Projekt stecke, um damit nach vorne zu kommen und deshalb nur positive Resonanzen, sogar von Menschen, denen ich zum ersten Mal begegnet bin beim Screening.
Wie ist es für Dich, immer wieder bei deinen Vorführungen auf dem Prüfstand zu sein und Abzuwarten, wie die Menschen auf deine Interviews reagieren?
Sven: Ich liebe es! Das ist wie Geburtstag feiern!
Weil ich einfach jedes Mal Menschen sehe, die ich lange nicht gesehen hab oder selten sehe und neue Menschen kennenlernen darf. Die Reaktion von den Menschen, dass ich das Screening mache, ist schon sehr toll, wenn sie es dann gesehen haben und danach noch Gespräche stattfinden, Diskussionsrunden, dann ist es noch toller.
Auch wenn ich konstruktive Kritik bekomme, finde ich das gut, auch wenn es selten vorkommt. Also was mir aufgefallen ist, wenn man etwas macht, dass Menschen ganz generell nicht erst mal fragen was hast Du denn bzw. wen hast Du denn interviewt, sondern erst mal das, was sie sehen, als komplettes Ding wahrnehmen - darauf reagieren, aber nicht fragen: "Hast Du eigentlich noch mehr?!“ Und deswegen bin ich da relativ entspannt, weil ichAntworten geben kann. Aber es ist immer wieder eine interessante Erfahrung wie Menschen reagieren, wie Menschen
Dinge wahrnehmen.
Warst Du schon immer ein neugieriger Mensch?
Sven: Ich glaube jeder Mensch ist neugierig! Und von daher ist meine Antwort ein JA.
Ich bekomme bei Dir den Eindruck, dass Du Menschen mit deinen Fragen nicht bedrängst, aber immer unheimlich intime Einblicke bekommst, in ihre Seele, ihr Herz und ihr Leben. Wie machst Dudas?
Sven: Ich muss ehrlich sagen, ich habe noch gar keine Idee, von der Wahrnehmung, die Du hast, weil ich noch kein Interview wirklich fertig geschnitten habe, was jetzt passiert die Tage. Aber, dein Eindruck, den Du hast, den haben mir andere Menschen auch schon mitgeteilt. Dass es etwas
sehr Intimes ist, an dem sie teilhaben und wie ich es schaffe, diese Frage ist, denke ich, relativ einfach zu beantworten, indem ich einfach Mensch bin.
Indem ich mein Gegenüber auch als Menschen sehe und ihn respektiere, für das was er ist und wenn Du da vorurteilsfrei ran gehst, dann öffnen die Leute einfach ihr Herz und lassen einfach dich ein bisschen an ihrem Leben teilhaben.
Und das wiederum ist eine unglaubliche Erfahrung für mich, dass es in meinem Leben vor dem Projekt nicht nur so passiert ist, sondern dass es gerade jetzt sogar mit Kamera und Mikrofon passiert, sogar mit Unterschrift! Die Leute vertrauen mir und machen einfach mit!
Was war das emotionalste Interview, das Du geführt hast und wieso?
Sven: Ich muss sagen, dass mich alle Interviews auf eine gewisse Art stark berühren. Ich kann sagen, dass ich oft verschiedene AHA-Effekte habe, die mich berühren und kann das auch nicht auf einer Skala messen. Dennoch spiegele ich mich immer wieder in den Menschen und das können wir glaube ich alle als Menschen feststellen. Mit den Menschen, mit denen wir uns austauschen, mit denen wir reden, spiegeln wir uns, wir gleichen sie ab, nehmen Dinge wahr, die wir von uns selbst kennen.
Es gibt aber eine Geschichte, die ich jetzt mal kurz erzählen kann, von Ercan aus Kreuzberg, der das "Kaffee Kotti“ gegründet hat und er ist Sozialarbeiter und das was er gesagt hat, das bin so ich, im Sinne von tolerant, das hat mich sehr berührt und das habe ich ihm auch direkt nach dem Dreh vor Ort gesagt, dass ich ihn sehr dafür respektiere was er sagt.
Ebenso die Geschichte eines SEK Beamten, der ein Trauma hat.
Ihm kamen bei dem Interview kurz die Tränen und er musste schlucken und das hat mich eben auch sehr stark berührt, weil ein gestandener Mann mir sein Herzöffnet und die Stärke hat dies zu zeigen.
Fühlst Du dich gerade wohl bei dem Interview? Wie wäre es, wenn Du einer der Befragten wärst bei MBLN, würdest du auch so offen sein?
Sven: Ich fühle mich gerade wie auf Kanal 7. Das heißt, wie als hätte ich bei mir auf den Knopf gedrückt und ich rede und denke ganz anders. Aber ja, ich bin entspannt!
Und wenn ich einer der Befragten wäre, natürlich würde ich da ganz offen sein!
Gibt es Fragen die Du nicht beantwortest?
Sven: Das ist immer eine Frage des Kontexts und wer mir gegenüber sitzt, ganz klar. Ich denke diese Frage kann jeder für sich selbst beantworten.
Was fasziniert Dich an Menschen?
Sven: Das Äußere in Verbindung mit dem Inneren.
Wie sehr uns unser Aussehen, was uns gegeben wurde prägt und wie sehr wir versuchen mit dem, was wir haben, das Beste draus zu machen.
Gefühle, Ansichten Anderer eben. Die Umstände in denen man aufwächst finde ich super interessant, die Umstände in denen man halt lebt, die einen prägen und geprägt haben, diese ganzen Nuancen finde ich absolut spannend!
Wenn Du zurückblickst in die Vergangenheit, gab es da einen Moment, den Du nie erleben wolltest?
Sven: Eigentlich nicht. Nö, kann ich so nicht sagen.Es gibt keinen Moment, den ich nicht so erleben wollte. Ich bin glücklich darüber wer ich bin.
Sven: Die Unberechenbarkeit der Natur und die Unberechenbarkeit des Menschen.
Wann und wo ist deine nächste MBLN-Vorführung
und was erwartet uns dort?
Sven: Meine nächste ist im „Delicious Donuts“ in Berlin. Das ist ein Kultschuppen, kann man sagen, der in den letzten Jahren in Verruf geraten ist und nun eine Bar geworden ist.
Das Screening ist dort am 3.März um 20:00Uhr.
Das Schöne ist, dass ich mit meinem Projekt eine neue Ära einleiten werde, da der Club wieder ein Club werden will, mit einem neuen Gesicht sozusagen und da freue ich mich, dass sie mich gefragt haben, weil mein Projekt eine gewisse Ernsthaftigkeit rüber bringt.
Ich mache hierfür extra eine Installation für die Schaufenster dort, das heißt ich mache einminütige Video - Portraits von den DJ's und deren Lieblingsalben. Dazu kommen noch meine zusammengeschnittenen Interviews mit verschiedenen Personen, verschiedenen Fragen.
Anschließend gibt es dann eine Diskussion. Das erwartet Euch bei meinen Screenings.
Möchtest Du mit deiner Interviewreihe expandieren und das Projekt in anderen Städten weiterführen? Zum Beispiel hier bei uns in Hamburg?
Sven: Ja, möchte ich! Denn ich möchte wissen, ob ich recht habe mit dem Gedanken, dass wir alle
Hamburg ist definitiv mein nächstes Ziel, auch weil es
Denkst Du, wir Menschen haben alle, egal wo auf der Welt, die selben Wünsche und Bedürfnisse?
Sven: Ja! Definitiv! Wir wollen alle geliebt werden,wir wollen alle lieben.
Wir wollen teilen, unsere Ängste, unsere Wünsche, unsere Erlebnisse.
Wie hat mal ein sehr weiser Mensch in meinem Leben gesagt: "Das Wichtigste für einen Menschen ist sich mitzuteilen“.
Was wünschst Du dir für deine Zukunft?
Sven: Dass sie in den nächsten 50 Jahren nicht endet.
So und jetzt darfst Du mir noch eine kurze Frage stellen, ganz ohne Vorgabe.
Sven: Das ist schön von Dir! Was haben meine Antworten gerade bei Dir für einen Eindruck hinterlassen?
SB: Einen sehr authentischen.
Sven, vielen Dank für das Gespräch! Ich freu mich Dich in Hamburg zu sehen!
Das Interview führte Stephanie Bastian