Stephan Kroener

Freier Journalist und Historiker, Freiburg

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Artikel

Ein Blogger bei den FARC

Was nimmt man mit, wenn man in ein Guerillacamp eingeladen wird? Vor dieser Frage stehe ich gerade und verteile um mich herum Klamotten und Trekking-Zubehör. Vor ein paar Tagen habe ich die Bestätigung von einer gewissen „Milena" erhalten, dass ich als Blogger an der zehnten und wohl letzten FARC-Konferenz teilnehmen darf.

Meine Euphorie für diese vermeintliche Exklusivität hat sich schnell wieder gelegt, nachdem ich in die WhatsApp-Gruppe für die „Pressevertreter" aufgenommen wurde. Hunderte Journalisten tauschen sich dort über Transport und Unterkunft aus. Dass wir eigentlich gar nicht wissen wo es hingeht, macht die Sache auch nicht wirklich attraktiver. Es muss sich um einen Ort handeln, der irgendwo im Dschungel von Caquetá liegt, einem Departamento im Süden Kolumbiens, dass etwa die Größe Süddeutschlands hat oder besser die Ostdeutschlands ohne Thüringen. Dabei leben da aber nur etwas weniger als 500.000 Menschen und davon die meisten in der Provinzhauptstadt Florencia, die sich wie Schutz suchend an die Grenze zu den stärker bevölkerten Zonen des Landes drückt.

„Codewort Konferenz"

Am Busbahnhof in der Hauptstadt Bogotá muss man zu einer kleinen Transportgesellschaft gehen, ein „Codewort" nennen - das mit „Konferenz" nicht sehr fantasievoll gewählt wurde - und bekommt ein relativ günstiges Ticket ausgestellt. Relativ für eine 14-Stunden Fahrt - 14 kolumbianische Stunden, das heißt, es kann sehr viel länger dauern.

Von Bogotá geht es nach San Vicente de Caguán an die Grenze zum Caquetá. Dort sollen die Teilnehmer auf sogenannte Chivas verteilt werden, kleine offene Busse, deren Holzbänke schmerzlich berüchtigt sind. Mit diesen Chivas soll es über eine unbefestigte Straße in den Dschungel gehen. Nach weiteren ungenauen sechs Stunden wird man dann hoffentlich den „geheimen" Ort der Konferenz erreicht haben.

San Vicente de Caguán

Der erste Treffpunkt, San Vicente de Caguán, war vor knapp 20 Jahren schon einmal Ort von Friedensgesprächen. Der damalige kolumbianische Präsident entmilitarisierte hierfür ein 42.000km² große Fläche, in der die Guerilla sich frei bewegen konnte. Für viele Kolumbianer steht Caguán deswegen immer noch als Sinnbild für Gesetzlosigkeit, für Entführungen und Drogengeschäfte. Nachdem die damaligen Friedensgespräche grandios scheiterten, wurde der Caguán in einer gewaltigen Militäroperation mehr oder weniger zurückerobert.

Seit 2012 verhandelte die kolumbianische Regierung erneut mit der FARC-Guerilla und konnte vor knapp einem Monat den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen bekanntgeben. Die Regierung rief hierfür die Bevölkerung für den zweiten Oktober zu einem Referendum auf, um über das Abschlussdokument abstimmen zu lassen. Die FARC ihrerseits organisierte als Gegenpol zum Referendum ihre letzte Konferenz als bewaffnete Organisation, auf der formal die Ergebnisse der Verhandlungen erklärt und die Zukunftspläne der Guerilla als legale politische Partei diskutiert werden sollen.

200 Guerilleros vs. 1.000 Journalisten

Rund 200 bewaffnete Guerilleros werden sich außerdem den Fragen der knapp 1.000 Journalisten stellen müssen, die aus dem In- und Ausland anreisen. Die Sicherheit der Konferenzteilnehmer wird zum ersten Mal von der kolumbianischen Armee gewährleistet. Die größte Gefahr droht dabei von rechten Paramilitärs auszugehen, die ebenfalls in der Zone aktiv sind. Viele in der Bevölkerung sehen den Frieden zwischen Regierung und FARC als Sieg der Guerilleros über den Staat. Bei einigen Analysten wächst deswegen die Sorge, dass radikale Teile der Bevölkerung sich den rechten Paramilitärs anschließen und so Kolumbien erneut in einen Kreislauf der Gewalt stürzen könnten.

Ich meinerseits hoffe darauf, heil im Caquetá anzukommen und auf ein erstes Interview mit einem Guerillero. Die Anzahl der Journalisten lässt dabei einen harten Kampf unter den Pressevertretern befürchten. Sobald ich meinen Rucksack endlich mal fertig gepackt habe, muss ich mich deshalb mit der Frage beschäftigen, was man jemanden fragt, der seit Jahren im Dschungel gegen einen übermächtigen Staat kämpft, in den er sich jetzt (re)-integrieren soll.

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