Stephan Kroener

Freier Journalist und Historiker, Freiburg

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Bürgerkrieg in Kolumbien"Es wird noch einmal viele Tote geben"

Bürgerkrieg in Kolumbien"Es wird noch einmal viele Tote geben"

Wer es noch nicht gelesen hat. Hier das Interview von Karin Janker über meine Erfahrungen und Einschätzungen der derzeitigen Lage in Kolumbien. Bürgerkrieg in Kolumbien„Es wird noch einmal viele Tote geben" Die Zeile ist etwas reißerisch geworden, aber so ist das nun mal im Online-Journalismus.

Auf Facebook sah ich mich wegen dieser Überschrift harscher Kritik ausgesetzt. Hier meine Stellungnahme: „Es ist schwierig den Ist-Zustand in diesen Tagen zu beschreiben, da der Friedensvertrag unterzeichnet und damit der Bürgerkrieg als Konflikt zwischen Regierung und FARC eigentlich abgeschlossen ist. Wir befinden uns aber zurzeit in einer Übergangsphase und können noch nicht sagen, wohin es geht. Der Titel Bürgerkrieg bezieht sich eher auf eine historische Tatsache. Die Aussage „es wird noch mal viele Tote geben" nimmt Bezug auf das Misstrauen der Bevölkerung und der Guerilleros.

Die Zahl der Morde an MenschenrechtsverteidigerInnen, über 50 allein dieses Jahr, zeigt, dass dieses Misstrauen nicht unbegründet ist. Ein weiterer Punkt ist der historische nachweisliche politicidio gegen die Unión Patriotica, es ist leider zu erwarten, dass etwas ähnliches auch der neuzugründenden FARC-Partei passieren könnte. Neoparamilitärische Gruppen haben sowas in die Richtung auch schon angekündigt. Außerdem wissen wir heute noch nicht - oder nicht mehr-, ob es wirklich zu einem stabilen Frieden kommen wird. Deswegen ist die Aussage als Titel berechtigt."

„Es ist eine Diskussion, ob der Ausruck Bürgerkrieg gerechtfertigt ist, meiner Meinung nach kann man den internen Konflikt in bestimmten Etappen der letzten 50 Jahre durchaus als Bürgerkrieg bezeichnen, will mich da aber auch nicht festlegen und man kann darüber streiten.

Worüber man nicht streiten kann, ist die Herkunft der Guerilla als Bauernarmee, hierzu einfach mal Marquetalia googeln. Die Guerilla auf eine gewaltbereite Gruppe beziehungsweise Terroristen abzustufen, verfehlt die Realität des Landes. Schau dir die Situation in Meta, Guaviare oder im Caquetá an, sprich mit den Leuten, mit der Zivilbevölkerung genauso wie mit den Guerilleros und dir wird schnell klar werden, dass es sich bei den FARC nicht um einfache Kriminelle oder Terroristen handelt.

Das Problem ist der nicht-vorhandene-Staat in diesen und vielen anderen Regionen, deshalb wird man die FARC auch nie militärisch vernichten können. Man muss endlich die sozialen Ursachen dieses Krieges angehen und das ausgehandelte Friedensabkommen hätte ein Ansatz dazu sein können.

Dass die FARC Terrorakte verübt haben, bestreitet dabei niemand, aber dieser Terror ging von beiden Seiten aus, von der Armee wie von der Guerilla, und beide verschonten dabei die Zivilbevölkerung nicht, die in diesem Krieg 80% der Opfer zu betrauern hat. Die FARC haben einen deutlichen Friedenswillen in den Verhandlungen gezeigt, genauso wie auch die Regierung Santos.

Eine andere Frage ist, aus welchem Antrieb heraus beide Seiten dies taten. Es ist nicht richtig, dass die Bevölkerung nur vier Wochen Zeit hatte sich zu informieren, viele Details aus dem Abkommen waren schon bekannt, und Santos hat auch immer wieder betont, dass er die Kolumbianer zu dem Abkommen befragen wird."

Veröffentlicht in Allgemein, Friedensbewegung, Havanna und das Plebiscito
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