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Psychologie: Die besten Mittel trägt man in sich

Der Corona-Winter kommt und wir können ihn überflügeln: mit emotionaler Granularität und anderen inneren Kräften. Zehn Anregungen von Glücksforschern für mehr Zuversicht.

Wie kommen wir trotz Corona gemeinsam gut durch die dunkle Jahreszeit? Unser Schwerpunkt "Kopf hoch" widmet sich den Herausforderungen in diesem Herbst und Winter.

Ausgerechnet im Corona-Winter über das Glücklichsein nachzudenken, kann eigentlich keine gute Idee sein. Nicht nur, weil es draußen kalt und dunkel ist. Die Pandemie und die nötigen Schutzbestimmungen bedrohen gleich drei Stützpfeiler des psychischen Wohlbefindens: das Gefühl, Kontrolle über das eigene Leben zu haben, das Gefühl, frei zu sein, und das Gefühl, mit anderen verbunden zu sein. Wie soll da gute Laune aufkommen?

Eine gute Nachricht kommt aus Trier, von Michaela Brohm-Badry, einer Motivationsforscherin, die dort an der Universität das erfüllte Leben erforscht. Sie sagt: "Glücklich zu sein, hat mit äußeren Bedingungen fast nichts zu tun."

So sei die Corona-Krise zwar eine Gefahr für das Glück - zugleich aber auch eine Chance für das Glück. Fest steht eines, sagt Brohm-Badry: "Wir dürfen jetzt nur nicht abrutschen in passive Hilflosigkeitsgefühle." Die folgenden zehn Anregungen von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern können dabei vielleicht helfen.

1. Eigene Stärken erkunden

Wenn Menschen sich ohnmächtig und verletzlich fühlen, ist es umso wichtiger, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, meint der Psychologe René Proyer von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Welche guten Eigenschaften habe ich und wie kann ich sie noch bewusster ausleben? Bin ich ein dankbarer Mensch? Besonders freundlich oder kreativ? Kann ich gut im Team arbeiten, anderen vergeben oder sie zum Lachen bringen? "Jeder Mensch hat solche individuellen Charakterstärken", sagt Proyer. In der Positiven Psychologie heißen sie Signaturstärken. Sie gelten als ein Schlüssel zur Zufriedenheit.

Die positive Wirkung hat Proyer zusammen mit Willibald Ruch von der Universität Zürich und weiteren Kolleginnen untersucht. Ihre Versuchspersonen lernten mithilfe eines psychologischen Tests ihre persönlichen Stärken kennen und sollten dann eine Woche lang üben, diese Eigenschaften im Alltag noch stärker auszuleben (Journal of Happiness Studies: Gander et al., 2013). Wer im Privatleben besonders humorvoll war, konnte etwa versuchen, diese Seite auch im Job mehr einzubringen. Und dankbare Personen wurden ermutigt, ihre Dankbarkeit den Mitmenschen noch deutlicher zu zeigen - etwa mit Briefen oder freundlichen Gesten. Die Wirkung war beeindruckend: Noch sechs Monate nach der Übung fühlten sich die Probanden wohler und weniger deprimiert als Teilnehmer aus einer Kontrollgruppe, die eine andere Intervention durchlaufen hatten. Für Proyer keine Überraschung: "Die Signaturstärken leiten uns da hin, Dinge zu tun, die positive Gefühle auslösen." Entscheidend sei, das Passende für sich zu finden, denn die Schlüssel zum Glücklichsein verbergen sich für jeden woanders. Nur wissen viele nicht, wo die eigenen Stärken liegen.

Wer seine Charakterstärken testen möchte, kann einen psychologischen Fragebogen der Universität Zürich nutzen. Diesen durchzugehen, dauert etwa eine halbe Stunde, im Anschluss bekommt man eine Rangliste der persönlichen Stärken. Proyer empfiehlt: "Nehmen Sie von dieser Liste die ersten fünf Eigenschaften und versuchen Sie, diese bewusster in Ihr Leben zu integrieren." (...)

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