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Sportsucht: Kann Laufen süchtig machen?

Manche Menschen müssen jeden Tag laufen. Wenn nicht, werden sie unruhig, gereizt, manche verfallen gar in eine Depression. Ab wann Laufen zum Problem wird.

Um vier Uhr früh, wenn andere noch schliefen, stand Andrea Petruschke auf. Sie zog Sportbekleidung und Turnschuhe an, steckte den Schlüssel in die Jackentasche und lief los. Sie rannte dann zwei Stunden, an sieben Tagen in der Woche – auch bei Regen. Wie viele Kilometer sie täglich zurücklegte, weiß sie nicht mehr. Denn Petruschke trainierte nicht für einen Wettkampf, sondern weil sie laufen musste. Konnte die junge Frau, damals 21 Jahre alt und in einer Ausbildung zur Physiotherapeutin, ihr tägliches Programm mal nicht durchziehen, wurde sie unruhig, fühlte sich körperlich angespannt und konnte sich schlecht konzentrieren. Zwei Jahre lang ging das so. Dann kam sie in die Klinik. "Es war ein innerer Zwang", sagt Petruschke, heute 58 Jahre alt.

Dass Petruschkes Geschichte keine Ausnahme ist, zeigt ein Blick in die Wissenschaft. Dort gibt es immer wieder Fallbeschreibungen von Menschen, die dem Drang – oder eben: dem Zwang – zu Laufen nicht widerstehen können. 

Erstmals beschrieben wurde das Suchtpotenzial, das Bewegung haben kann, im Jahr 1970 von dem US-amerikanischen Psychiater Frederick Baekeland. In einer Studie wollte er eigentlich die Auswirkungen von Bewegung auf den Schlaf untersuchen. Als er einige seiner Probanden bat, auf ihre tägliche Dosis Sport zu verzichten, fiel das einigen jedoch extrem schwer. Sie schiefen schlecht, wachten in der Nacht auf, verloren den Appetit, fühlten sich sexuell angespannt. Das brachte Baekeland dazu, über das Suchtpotenzial von Bewegung nachzudenken (Archives Of General Psychiatry: Baekeland, 1970). Im Jahr 1984 sprachen die Forscher Sachs und Pargman dann erstmals auch von einer "running addiction" – einer "Laufsucht" (University of Nebraska Press: Sachs et. al., 1984). (...)

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