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Krebserkrankung: "Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft uns Schwachen Schutz bietet"

Lars Penke ist 26 Jahre alt. Aufgrund einer aggressiven Form von Blutkrebs bekam er letztes Jahr eine Stammzellspende. Deshalb zählt er während der Coronavirus-Pandemie zur Risikogruppe.

Wenn ich hier in Hamburg aus meinem Wohnzimmerfenster rausschaue, sehe ich viele Leute in den Cafés sitzen. Ich denke, viele Menschen sehen sich nicht in der Verantwortung, sie wissen, dass das Coronavirus für sie selbst nicht allzu gefährlich ist. Übertragen sie ihn allerdings auf Menschen wie mich, dann kann das lebensbedrohlich werden. Umso mehr Infizierte, desto weniger kann gewährleistet werden, dass wir die intensivmedizinische Betreuung bekommen, die wir so dringend brauchen. Und gleichzeitig betreffen medizinische Engpässe dann wiederum alle.

Ich bin Teil der Risikogruppe, da mein gesamtes Immunsystem erst neu lernen muss mit Viren und Bakterien umgehen. Auch sonst muss ich mich vor Viren schützen, aber Covid-19 ist schon etwas anderes. Es ist ansteckender und dadurch präsenter. Ich halte mich mittlerweile nur noch zu Hause auf. Meine Freundin übernimmt das Einkaufen, aber auch das werden wir bald an Freunde und Familie abgeben müssen. Die Gefahr, dass sie das Virus mit in die Wohnung bringt, ist zu groß. Wie lange das so funktionieren kann, weiß ich nicht.

Am 6. März 2019 schenkte mir ein anonymer Stammzellspender aus Berlin ein neues selbstbestimmtes Leben. An diesem Tag begann meine Stammzelltherapie und ich habe ihn wie einen Geburtstag gefeiert. Seitdem weiß ich, wie wichtig es ist, dass wir als Gesellschaft nicht nur an uns selbst denken, sondern helfen, wo wir können. Nicht nur in Zeiten von Corona.

Ich habe ein hepatosplenisches T-Zell-Lymphom im Stadium 4B, eine hoch aggressive Form von Blutkrebs. Angefangen hat alles vor anderthalb Jahren in Brasilien: Ich war 25 Jahre alt und für mein letztes Mastersemester von Lissabon nach Rio de Janeiro gezogen. Von dem Land bekam ich jedoch wenig mit. Die kleinste Anstrengung verursachte hohes Fieber. Dazu schwoll meine Milz von ihren üblichen zwölf auf gut 24 Zentimeter Durchmesser an und ich verlor massiv an Gewicht. Die Ärzte waren ratlos. Als ich Einblutungen in den Augen bekam, fiel erstmals der Verdacht auf Leukämie - Blutkrebs. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits so geschwächt und blutarm, dass ich ins Krankenhaus musste. Mit meiner Freundin, die gerade zu Besuch war, entschied ich, dass es Zeit war, nach Hause zu fliegen.

Eigentlich wollten wir gemeinsam für ein paar Monate zurück nach Lissabon. Die Wohnung hatten wir bereits gefunden, den Mietvertrag unterschrieben, die Koffer quasi schon gepackt. Statt Pastel de Nata und Bacalhau gab es dann sechs Monate Chemo, Bestrahlung und das Warten auf die richtigen Stammzellen. (...)

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