Der Sänger Max Rieger will nicht mehr davon profitieren, für ein Arschloch gehalten zu werden. Auf seinem neuen Soloalbum dichtet er in schlichten, entwaffnenden Zeilen.
Max Rieger sitzt in einem karg eingerichteten Berliner Altbauzimmer und raucht. Entspannt, ja fast schon ausgeglichen wirkt er, während er ausführt, warum er beim neuen Album seines Soloprojekts All diese Gewalt so vieles anders gemacht hat: «Es fühlt sich plötzlich eklig an, so zu texten», sagt Rieger, der auch Sänger der Rockband Die Nerven ist, mit Blick auf sein früheres Werk. Bisher verstand er sich bestens darauf, innere Zustände in grosse Begriffe und vielsagende Andeutungen zu verpacken. Auf seinem letzten Soloalbum, «Welt in Klammern», klang das zum Beispiel so: «Ich kann es spüren, hinter den Dingen, unter der Struktur, dreht sich immer weiter, verweigert seine Form, verneint seine Figur.»
«Ich finde es nicht mehr zeitgemäss, sich abzuheben und elitär zu sein», erklärt Rieger seinen Sinneswandel. «Ich habe gemerkt, wie in rechten Diskursen mit Sprache umgegangen wird, wie sie eine starke Emotionalität bekommt und so zu einer Waffe wird. Deshalb wollte ich in eine andere Richtung gehen.» Und so überrascht das neue All-diese-Gewalt-Album «Andere» mit haufenreimweise angeordneter Schlichtheit und entwaffnenden Zeilen wie: «Tief im Innern bin ich dein, aber ich weiss es darf nicht sein, in meiner Brust da wohnt ein Stein, niemals gedacht jemals so fern von dir zu sein». Weg ist die inszenierte Unnahbarkeit, mit der der hünenhafte Sänger auch mal Zuhörer von der Bühne herab zusammenstauchte oder Interviewpartner ins Leere laufen liess. «Ich profitiere ehrlicherweise davon, dass viele Leute denken, ich sei ein Arschloch. Das ist immer auch eine Art, sich zu schützen, denn ich muss mich nicht selbst preisgeben.»
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