2 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

Die schwierige Jagd nach Mikroplastik

Mit Hydrozyklonen und Kieselgelen gegen die Verschmutzung: Kreative Unternehmer wie Sebastian Porkert wollen kleinste Kunststoffpartikel wieder aus der Welt schaffen. Sie befinden sich inzwischen überall: im Wasser, im Essen, im Menschen.


Was haben der Rhein, der Starnberger See und Würmer gemein? Die Antwort: In allen dreien haben Wissenschaftler kleine Plastikpartikel gefunden. Und nicht nur dort: Mikroplastik ist überall auf der Welt ein Problem; fast alle Lebewesen sind davon betroffen.

330 000 Tonnen Mikroplastik entstehen in Deutschland jedes Jahr, wie Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in einem Gutachten aus dem Jahr 2018 zusammengefasst haben.


Mikroplastik im Wasser, Mikroplastik in Tieren - das geht gar nicht, findet Sebastian Porkert. Der 35-jährige Bayer will die kleinen Kunststoffteile aus dem Wasserkreislauf holen. Der Ansatz seines Start-ups Ecofario: Kläranlagen.


Das Problem steckt schon im Namen: Mikro - die Plastikteilchen sind kleiner als fünf Millimeter. Mit dem bloßen Auge sind sie oft kaum zu erkennen. Noch schwerer ist es, sie aus dem Wasser zu fischen.


Mikroplastik entsteht zum Beispiel durch die Verwitterung von Farbe oder größeren Kunststoffteilen im Meer: Plastiktüten, Plastikflaschen, Plastikverpackungen. Mit der Zeit wird dieser Müll spröde, verwittert und zerfällt zu Mikroplastik. Insgesamt gelangen jährlich zwischen vier und zwölf Millionen Tonnen Kunststoff in die Meere, schätzen amerikanische Wissenschaftler.


Die Menschen essen im Schnitt fünf Gramm Mikroplastik pro Woche - eine Kreditkarte

Es gibt aber auch andere Quellen: Abrieb von Autoreifen, Fasern von Synthetikkleidung oder Kosmetika. „Ein ökologisches Desaster", warnt deswegen die Umweltschutzorganisation BUND. In ihrem Einkaufsratgeber „Mikroplastik und andere Kunststoffe in Kosmetika" hat die Organisation auf 32 Seiten zusammengetragen, welche Kosmetikprodukte Mikroplastik enthalten: Cremes, Duschgels, Shampoos, Make-up, Lippenstifte, Nagellack, Rasierschaum, Deodorants - die Liste ist lang.


Der Mikroplastik-Kreislauf beginnt zum Teil im Bad - und macht auch vor dem menschlichen Darm nicht Halt: Nach Angaben der Umweltorganisation WWF nehmen Menschen pro Woche im globalen Durchschnitt bis zu fünf Gramm Mikroplastik auf. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte.


Im Meer wirke Mikroplastik wie ein Magnet, sagen die Umweltschützer von BUND. An vielen der Teilchen haften Umweltgifte. Fressen Tiere das Mikroplastik, können die Schadstoffe in ihrem Verdauungstrakt freigesetzt werden. Über die Tiere gelangen Mikroplastik und Schadstoffe zum Menschen.


Ecofario will Kläranlagen mit einer Technik zur Entfernung von Mikroplastik ausstatten

Noch ist unklar, welche Folgen das hat: „Kunststoffemissionen haben Wirkungen auf Organismen, den Menschen und Ökosysteme, deren Ausmaß sich bisher nicht abschätzen lässt", so die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik.

Trotz der Unsicherheit wollen oder können viele Menschen nicht auf Produkte verzichten, die Mikroplastik enthalten. Ecofario-Geschäftsführer Sebastian Porkert setzt deswegen auf besondere Filter in den Kläranlagen: „Wir wollen garantieren, dass künftig kein Mikroplastik mehr über unser Abwasser den Weg in die Natur findet und somit unsere Kinder und künftige Generationen eine mikroplastikfreie und intakte Umwelt vorfinden können."


Und so funktioniert es: In kommunalen und industriellen Kläranlagen will Ecofario modifizierte Hydrozyklone installieren. Das sind vertikale Rohre, durch die Abwasser mit Mikroplastik fließt. Das Wasser fließt von oben rotierend durch das Rohr nach unten. In dieser Spirale entstehen extrem hohe Fliehkräfte: So werden leichte und schwerere Teile voneinander getrennt. Mit Hilfe der Zentrifugalkraft wird das Mikroplastik also aus dem Wasser gefiltert.


Schon jetzt gibt es Filter in Kläranlagen. Bislang wird Mikroplastik dort mit Mikro-, Nano- und Ultrafiltration vom Abwasser getrennt. Das Wasser wird dabei durch eine Membran gedrückt, an der die Teilchen hängenbleiben. Das funktioniert für einen hohen Anteil des Mikroplastiks im Wasser - für bis zu zehn Prozent allerdings nicht.


Außerdem kann das Mikroplastik, auch wenn es gefiltert wurde, wieder in den Wasserkreislauf gelangen: Denn hierzulande wird etwa ein Drittel des kommunalen Klärschlamms als Dünger auf die Felder ausgebracht. Von dort wandert das Mikroplastik ins Grundwasser.


Sebastian Porkert will es besser machen, günstiger und effizienter. Sein ehrgeiziges Ziel ist es, jede Kläranlage mit der Ecofario-Technologie auszustatten. Zu Beginn seines Berufslebens arbeitet Porkert mit einem ganz anderen Material: Papier. Er promoviert in Papiertechnik, ist Verfahrenstechniker für großindustrielle Prozesse. Immer öfter stößt er in der Presse auf Mikroplastik. Das Problem beschäftigt ihn. Dann, irgendwann, nachts, die Idee: „Boah, so musst du's machen." Das war 2013.


Vor zwei Jahren wurde die Idee dann zur GmbH. Gemeinsam mit seinem Kollegen Adrian Scholl und dem Team aus zwei weiteren Gründungsmitgliedern und zwei Angestellten steckt Sebastian Porkert viel Zeit und Geld in das Start-up. In Teilzeit - denn nebenbei arbeiten er und Scholl in anderen Berufen. „Irgendwie müssen wir unsere Familien ernähren", sagt Porkert. Aber es geht voran: Im Juli hat das Ecofario-Team die erste Pilotanlage in Betrieb genommen, im September soll sie für erste Tests in der Kläranlage in Eching am Ammersee im realen Umfeld installiert werden.


Neben Ecofario arbeiten auch Klass Filter und Wasser 3.0 am Mikroplastik-Problem

Anfang 2021 will Porkert seinen ersten Kunden gewonnen haben und etwa 500 000 Euro Umsatz machen. Der Fünfjahresplan ist noch ambitionierter: Ecofario soll den Markt der Mikrofiltration mit rund 25 industriellen Großanlagen „disruptiv aufmischen".


Das sind ehrgeizige Ziele, denn es gibt Konkurrenten: Klass Filter zum Beispiel, ein Familienunternehmen aus Oberbayern. Gemeinsam mit Wissenschaftlern des Aachener Fraunhofer Instituts für Lasertechnik arbeitet auch Klass an einem Zyklonfilter, der Mikroplastik aus dem Wasser holen soll. Wie Ecofario setzt also auch die oberbayrische Konkurrenz auf die Zentrifugalkraft. Das Forschungsprojekt ist bis Juni 2021 angesetzt und läuft nach Angaben der Firma „sehr vielversprechend".


An einem völlig anderen Verfahren arbeitet Wasser 3.0. Das Karlsruher Start-up macht die kleinen Mikroplastik-Teilchen einfach größer: Das Team um Gründerin Katrin Schuhen spritzt eine Lösung aus Hybridkieselgelen ins Wasser. Diese Lösung ist laut Wasser 3.0 „ökotoxikologisch unbedenklich" und wirkt wie Kleber: Die Plastikteile verklumpen und schwimmen - so groß wie Tischtennisbälle - an der Oberfläche.


Katrin Schuhen war Juniorprofessorin für Organische und Ökologische Chemie der Universität Koblenz-Landau. Erst im Mai 2018 tauschte sie den Lehrstuhl an der Uni gegen das Start-up-Büro der gemeinnützigen GmbH. Seit Juli 2019 ist die erste Pilotanlage im Einsatz. In den kommenden Wochen will Schuhen Langzeitstudien starten.


Kommen sich die beiden Start-ups in die Quere? Sebastian Porkert glaubt das nicht: „Der Markt ist so groß, Konkurrenz ist da kein Problem." Zur Zeit verhandelt Ecofario mit Investoren und strategischen Partnern. „Bisher sind wir komplett mit Eigenkapital finanziert", sagt Porkert. Um die Geschäftsfähigkeit zu sichern, habe eine Privatperson dem jungen Unternehmen „ein sehr gutes Darlehen" gegeben.


Die Chancen, Investoren zu finden, stehen gut: Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis hat Sebastian Porkert und sein Team mit dem „Next Economy Award" ausgezeichnet; das Wirtschaftsministerium half bei der Patentierung der Technologie.


Sebastian Porkert weiß aber auch, dass Ecofario alleine die Welt nicht retten kann: „Um garantieren zu können, dass die Menschheit auch in 100 Jahren noch sicher, wohl ernährt und in Frieden existieren kann, müssen wir alle unser Verhalten ändern." (Steffen Herrmann)

Zum Original