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Staatsfonds CIC: Chinas Milliarden-Monster

Er hortet Hunderte Milliarden Dollar, kauft Firmen in der ganzen Welt: Der chinesische Staatsfonds CIC ist mächtiger als manche Regierung. Der Westen beäugt den Megakonzern mit Sorge. Doch wie gefährlich ist er wirklich?

Man kann die Geschichte so erzählen: In China gibt es eine geheimnisumwitterte Zentrale der Macht, die den Westen das Fürchten lehrt. Sie häuft Milliarden von Dollar an, um weltweit Firmen zu kaufen, ihnen die Technologie zu stehlen und Einfluss auf Regierungen zu nehmen. Die Rede ist von der China Investment Corporation (CIC), dem Staatsfonds der Volksrepublik. Chinas Milliarden-Monster.

Man kann aber auch genauer hinsehen, so wie es diverse Ökonomen getan haben. Sie kommen zu dem Schluss: Die Angst vor der CIC ist nicht berechtigt. In einer Analyse von Sandra Heep heißt es, die Sorgen des Westens seien "Ausdruck einer Verunsicherung, die aus dem zunehmenden wirtschaftlichen Gewicht der Volksrepublik China und der weltwirtschaftlichen Kräfteverschiebung resultiert".

Heep ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am German Institute of Global and Area Studies und hat sich eingehend mit der CIC beschäftigt. Sie war in China, hat dort mit zahlreichen Experten gesprochen. Das Ergebnis ihrer Forschung: Die CIC verfügt zwar über gewaltige Geldmengen - mittlerweile ist von 200 bis 300 Milliarden Dollar die Rede. Doch eine Strategie der Industriespionage und politischen Einflussnahme ist nicht zu erkennen.

Helmut Reisen von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) forscht ebenfalls zum Thema Staatsfonds. Auch er hält nicht viel von Verschwörungstheorien: Die Bedenken gegen die CIC seien "hauptsächlich ideologische Befürchtungen".

Die Chinesen holten sich bei McKinsey Rat

Die Ängste werden wohl von der Struktur der CIC genährt: Es gibt zwar einen Vorstand und einen Aufsichtsrat, die Mitglieder sind jedoch allesamt hochkarätige Politiker. Offiziell untersteht der Fonds den Weisungen des Staatsrats, aber auch das Finanzministerium hat Einfluss - schließlich ist es der Geldgeber.

Der Verdacht liegt da nahe, dass die CIC politische Interessen verfolgt. Doch Heep widerspricht: "Es wäre ziemlich unklug, einen so prominenten Player mit solchen Aufgaben zu betrauen." Tatsächlich könnte ein unbekanntes chinesisches Unternehmen viel effizienter spionieren oder politische Entscheidungen im Westen beeinflussen. Wieso sollte dies also die CIC tun? Heep schließt zwar nicht aus, dass der Staatsfonds eines Tages seine Strategie ändern könnte. Doch aus heutiger Sicht sei dies nicht zu befürchten.

Dollar-Flut und Inflationsangst

Was will die CIC also dann? Einerseits braucht die Zentralbank Geld, um die Inflation zu bekämpfen (siehe Kasten). Dieses Geld soll durch die Rendite der CIC erwirtschaftet werden. Andererseits spülen Chinas Exporte der Volksrepublik gigantische Mengen an Euro, Yen und vor allem Dollar in die Kasse. Dieses Geld will irgendwie angelegt werden - ein weiterer Grund für die Existenz des Staatsfonds.

Bei der Entwicklung der CIC nahmen die Chinesen sogar westliche Hilfe in Anspruch: McKinsey beriet den Staatsrat bei der Planung. Am 29. September 2007 nahm die CIC dann die Arbeit auf, an ihrer Spitze stehen seither Lou Jiwei und Gao Xiqing, beide ehemalige Staatsfunktionäre mit einer langen politischen Karriere.

Gleich zweimal haben sich die Chinesen verzockt

Ihre Aufgabe: Sie sollen Devisenreserven in ausländische Anlagen investieren, um der Volksrepublik so eine möglichst hohe Rendite zu bescheren. Laut Geschäftsbericht der CIC aus dem Jahr 2008 begann der Fonds mit 200 Milliarden Dollar. Die Hälfte wurde unter anderem dazu gebraucht, die heimischen maroden Banken mit frischem Geld zu versorgen, die andere Hälfte sollte für Investmentgeschäfte im Ausland genutzt werden.

Mit ihren ersten Aktionen bewiesen die Chinesen allerdings kein glückliches Händchen: Drei Milliarden Dollar steckten sie in die Investmentgruppe Blackstone, 5,6 Milliarden in die US-Bank Morgan Stanley - beide stürzten in der Finanzkrise phänomenal ab. Nach diesem Schock stand die CIC in der chinesischen Öffentlichkeit unter Kritik. Daraufhin setzte der Fonds hauptsächlich auf Rohstoffe. Das bringt mehr Rendite und erhöht - angenehmer Nebeneffekt - die Versorgungssicherheit der Volksrepublik.

Mittlerweile sind Chinas Devisenreserven auf drei Billionen Dollar angewachsen, und ein Ende ist nicht in Sicht. Bald soll die CIC laut "Financial Times" erneut aufgestockt werden, als Extrasumme werden 200 Milliarden Dollar genannt. Im Vergleich zu den gesamten, riesigen Devisenreserven bleibt die CIC aber eher klein. Warum steckt China also nicht noch mehr Geld in seinen Fonds?

"Ein Grund ist sicher, dass Einkäufe im Ausland argwöhnisch betrachtet werden", sagt Reisen. "Chinas Bevölkerung fragt sich: Warum wird das Geld nicht hier ausgegeben?" Andererseits: Wenn die Devisenreserven zu hoch werden, droht im Inland Inflation. Ebenfalls Zündstoff für soziale Unruhen.

Transparenz ist in China keine Tugend

Hauptkritikpunkt im Westen ist die Undurchsichtigkeit der CIC. Die Beratungsfirma Geoeconimca vergleicht 26 Staatsfonds jährlich auf ihre Transparenz, derzeit steht China auf Platz sechs. Das ist aber nicht besonders aussagekräftig: "Staatsfonds sind generell nicht für ihre Transparenz bekannt", sagt Reisen.

Trotzdem hat der Experte nur selten von schlechten Erfahrungen mit Staatsfonds gehört. Im Gegenteil: "Staatsfonds sind alles andere als nervöse Investoren", sagt Reisen. Das heißt: Sie halten den Firmen, in die sie investieren, die Treue. In der Regel seien Unternehmen, an denen solche Fonds beteiligt sind, zufrieden.

Ursprünglich gab es in China auch Überlegungen, nicht nur renditewirksam zu wirtschaften - sondern mit der CIC auch politische Interessen zu verfolgen. In dem Aufsatz von Sandra Heep steht, dass der Masterplan von McKinsey eine Tochtergesellschaft vorgesehen hatte, die ausschließlich strategisch investieren sollte. "Dieser Vorschlag", schreibt Heep, "stieß jedoch auch unter Befürwortern strategischer Investitionen auf Ablehnung, da befürchtet wurde, dass seine Realisierung die kritische Aufmerksamkeit im Ausland, der sich die CIC ohnehin ausgesetzt sieht, unnötig verstärken würde."

Das chinesische Milliarden-Monster ist - zumindest bislang - ziemlich scheu.

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