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Politik-PR für Peking: Die China-Schönschreiber

Ist das Propaganda? Oder Journalismus? Eine finnische Firma produziert chinafreundliche Nachrichten für ganz Europa. Sie ist sogar an Medien in vielen europäischen Ländern beteiligt - bald auch in Deutschland. Das Geld dafür kommt aus Peking.

Das soll sie also sein, "Chinas Propagandazentrale" für die westliche Welt, als die sie die finnische Tageszeitung "Helsingin Sanomat" beschrieben hat: Rund 30 junge Männer und Frauen sitzen vor Monitoren, schreiben Texte, editieren Bilder und schneiden Videos. Es könnte eine typische Nachrichtenredaktion irgendwo in Europa sein - wären da nicht Hunderte Videos und DVDs mit chinesischen Titeln, eine kleine Drachenstatue mit chinesischen Schriftzeichen und an der Wand eine Landkarte mit den chinesischen Provinzen.

Hier in Tampere, mit über 217.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Finnlands, hat das Medienunternehmen Gbtimes sein Hauptquartier. Die Mitarbeiter produzieren Nachrichten und Artikel über und aus China: Es geht um den ersten chinesischen Kaiser Qin Shihuangdi, um Chinas Gründe für das Veto im Syrien-Konflikt und um die traditionelle chinesische Feuertherapie. Gbtimes sendet diese Inhalte in 15 Länder, darunter Frankreich, Italien, Portugal, Ungarn und Ägypten. Das Unternehmen will, so steht es auf seiner Homepage, "die Kommunikation und das Verständnis zwischen China und dem Rest der Welt fördern". Was dort nicht steht: Gbtimes wird maßgeblich vom chinesischen Staat finanziert.

"Es ist ein wenig wie Geldwäsche"

Seit 2007 gehört Gbtimes zu 60 Prozent der Gougang Century Media Consultancy. An ihr ist über eine Holding maßgeblich beteiligt: China Radio International (CRI) - Chinas staatlich finanziertes Radio fürs Ausland. Der finnische Kommunikationswissenschaftler Heikki Luostarinen sagt, dass China Medienunternehmen braucht, die nicht nach China aussehen. "Es ist ein wenig wie Geldwäsche. Sie suchen nach Orten, wo die Spuren von Propaganda einfach verdeckt werden können."

In Finnland gehört dem Unternehmen der Radiosender Classic. Viele Finnen wissen das nicht - erzählt man es ihnen, geht den meisten ein Licht auf: "Ah, deswegen lief da neulich ein Bericht über Taxifahrer in Peking!" Oder: "Ich hab' mich schon gewundert, warum ich da immer so viel über Chinas Geschichte höre."

In Italien überträgt Gbtimes seit zwei Jahren über den Sender Radio Globale nonstop sein eigenes Programm. Auch in Griechenland (Orange 93.2) und Mazedonien (Classic FM) sendet das Unternehmen ganztägig. In Litauen kooperiert Gbtimes mit Relax FM, in Ungarn mit Klasszik Radio, in Serbien mit Radio Tri - mit jeweils zehn Stunden Sendezeit am Tag. In Frankreich läuft auf dem Sender BFM Business alle sieben Tage das Programm "Chine Hebdo".

150 Mitarbeiter in 15 europäischen und afrikanischen Ländern produzieren nach Unternehmensangaben die Inhalte fürs Radio und die Homepage www.gbtimes.com, die in elf Sprachen übersetzt wird und nach Unternehmensangaben rund 200.000 Besucher pro Monat hat. Im Jahr 2015, so der Firmenplan, soll Gbtimes in 35 Ländern vertreten sein, darunter auch Deutschland.

Der Unterschied zwischen Propaganda und Bildung

Henrik Resman, 50, ist Vize-Präsident und für das internationale Geschäft von Gbtimes verantwortlich, er kümmert sich außerdem um die Pressearbeit des Unternehmens. Kurze Haare, wenige Falten, starker Händedruck und ein klarer, durchdringender Blick lassen den erfahrenen Manager erkennen. "Mit plumper Propaganda würden wir gar nichts erreichen", sagt er. "Die Menschen im Westen sind dafür viel zu medienkritisch. Wir wollen beide Seiten darstellen. Schwarz und Weiß gibt es nicht."

Das Motto von Gbtimes lautet "The Third Angle", "Der dritte Blickwinkel". Leser, Zuhörer und Zuschauer sollen sowohl die westliche als auch die chinesische Sichtweise kennenlernen und sich ihre eigene Meinung bilden. Viele Inhalte von Gbtimes beschäftigen sich daher nicht mit Politik, sondern mit Kultur: Es geht um chinesisches Essen, chinesische Musik und den chinesischen Lebensstil. "China ist mehr als nur Menschenrechte und Wirtschaft", sagt Resman, "und das wollen wir zeigen."

Ist das schon Propaganda? Oder noch Public Relations, also PR? Oder gar: Journalismus?

Im Fall des Whistleblowers Edward Snowden etwa informiert Gbtimes alles in allem vollständig über den Fall. Es kommen - verglichen mit europäischen und amerikanischen Medien - lediglich mehr Stimmen und Nachrichtenquellen aus China zu Wort. Diese haben auf Gbtimes mindestens die gleiche Wertigkeit wie westliche Quellen: So wird beispielsweise das Statement von Hongkongs Regierung, die USA hätten nicht genügend Dokumente bereitgestellt, um Snowden festzuhalten, zitiert und nicht angefochten.

Auch die Europäische Union kofinanziert Nachrichtenmedien - zum Beispiel den Radiosender Euranet oder den Fernsehkanal Euronews. Der wirtschaftsliberale Think-Tank Timbro aus Schweden hatte der EU im Jahr 2009 daher "Propaganda" vorgeworfen. Die Sender verwahrten sich gegen diese Kritik. Warum zögern viele, Europäische Union und Propaganda in Verbindung zu bringen, während man bei China schnell mit dem Wort zur Hand ist?

Eine Erklärung dafür liefert Edward Louis Bernays, einer der Väter der modernen PR, in seinem 1923 erschienenen Buch "Crystallizing Public Opinion": "Der einzige Unterschied zwischen Propaganda und Bildung ist der Blickwinkel. Wenn etwas vertreten wird, woran wir glauben, ist es Bildung. Wenn etwas vertreten wird, woran wir nicht glauben, ist es Propaganda." Eine Position, die dem Geist der westlichen Aufklärung widerspricht, eine pointierte Provokation, sicherlich.

Gbtimes-Chef Henrik Resman sieht die Sache pragmatischer. Er sagt, sein Unternehmen produziere eine Mischung aus PR und Journalismus: "Auf der einen Seite wollen wir informieren, auf der anderen Seite wollen wir bestimmte Messages verbreiten." Am Ende jedoch, so Resman, sei vor allem eines wichtig: dass die Firma profitabel ist.

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