Das ist Wahnsinn. Völliger Wahnsinn. Und das auf 6,2 Kilometern, bei über 250 km/h, eingezwängt zwischen schwarz-gelben Leitplanken, mit etlichen blinden Kurven, aber ohne nennenswerte Auslaufzonen und Sturzräume. Klingt wie der ultimative Stadtkurs. Und genau das ist er auch, der Guia Circuit in Macau. Dort, wo Glücksspiel und Risikobereitschaft zu Hause sind, wird einmal im Jahr das wohl verrückteste Rennwochenende überhaupt ausgetragen. Es ist einmalig im Motorsport, wie auch die Rennstrecke. Denn nirgendwo sonst befahren Formel-3-Fahrzeuge, GT-Autos, Tourenwagen und Motorräder denselben Stadtkurs. Und nirgendwo sonst gleicht eine Rennveranstaltung so sehr einem Ritt auf Messers Schneide. In jeder einzelnen Runde.
Willkommen in Macau. Dem asiatischen Las Vegas, das sein US-amerikanisches Vorbild aber schon längst hinter sich gelassen hat. Mehr Kasinos, mehr Hotels, mehr Umsatz. Einfach alles eine Nummer größer, prachtvoller, verrückter. Und in jedem Jahr noch krasser, stets überraschend und eines ganz sicher nicht: gewöhnlich. Wie die Rennen auf dem Guia Circuit, die mich auch in diesem Jahr wieder in Atem gehalten haben. Allen voran natürlich der berühmte Formel-3-Grand-Prix, der als inoffizielle Formel-3-Weltmeisterschaft gilt. Bei dem die Stars von morgen schon heute zu sehen sind. Allerdings auf einer Strecke, die den Anschein macht, von gestern zu sein. Und sehr gefährlich. Denn ein kleiner Fehler genügt, und es tut richtig weh. Nicht selten endet ein Macau-Auftritt im örtlichen Krankenhaus.
Die Rennfahrer nehmen es gelassen. Mehr noch: Sie brennen in jedem Jahr regelrecht darauf, in Macau zu fahren. Und am Abend trifft man sie scherzend an der Hotelbar, wo die Motorrad-Piloten (meine großen Helden in Macau!) von Kratzern am Helm und an der Lederkombi berichten. Weil sie im Training an den Leitplanken entlanggeschrammt sind. Für die Automobil-Kollegen gilt: Eine schnelle Runde war nur dann eine schnelle Runde, wenn mindestens ein Rückspiegel nicht mehr da ist. Und ist der Schriftzug des Herstellers auf der Reifenflanke nicht mehr zu lesen, fühlt sich ein Formel-3-Fahrer wie im siebten Himmel. Auch ich als Berichterstatter habe meine Macau-Highlights: Es ist die jeweils erste Rennrunde, wenn einem die ganze Dimension dieser Rennveranstaltung bewusst wird. Und ich bin einfach nur erleichtert, wenn schwere Unfälle ausbleiben und ich stattdessen vom ganz normalen Wahnsinn auf der Strecke berichten kann.
So wie in diesem Jahr, beim 60. Jubiläum der Traditionsveranstaltung und meinem bereits sechsten Besuch am legendären Guia Circuit. In dieser völlig verrückten Spielerstadt. Und auch wenn mein kleiner Ausflug ins MGM-Kasino nach der großen Saison-Abschlussparty am Sonntagabend nur zum gigantischen Umsatz Macaus beigetragen hat, halte ich es wie der frühere Tourenwagen-Weltmeister Gabriele Tarquini. Er sagt: „Macau ist in jeglicher Hinsicht ein großes Glücksspiel. Wir alle sind uns des Risikos bewusst. Das Ding ist aber: Wir lieben es." Und deshalb freue ich mich schon jetzt darauf, auch im kommenden Jahr wieder dorthin zu reisen, wo der Wahnsinn zu Hause ist - auf und neben der Rennstrecke.