Stefan Rochow

Journalist und Medienunternehmer, Schwerin

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Die Würde der Toten

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Sven Petke bezieht sich in seiner Argumentation auf Papst Franziskus. Foto: dpa

Kein Gesetzentwurf in Brandenburg ist im Moment so umstritten wie die geplanten Änderungen des Bestattungsrechts. Am kommenden Freitag wird voraussichtlich abgestimmt werden. Der Fraktionszwang wird dann aufgehoben sein, da es eine Gewissensentscheidung ist.


Es geht um zwei Punkte, die die Gemüter erhitzen. So möchte der Gesetzentwurf ein Geburtsgewicht von mindestens 500 Gramm bei Totgeburten festlegen, damit eine Bestattungspflicht besteht. Die Kirchen widersprechen. „Jede Begrenzung auf eine Grammzahl ist willkürlich gesetzt.", sagt Berlins Erzbischof Heiner Koch. Die Erfahrung in der Seelsorge zeigten, dass trauernde Eltern den Verlust ihres Kindes als Katastrophe empfinden. „Eltern brauchen einen Ort zum Trauern, unabhängig davon, wann sie ihr Kind verloren haben", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Koch mit Markus Dröge, dem Bischof der Evangelischen Kirche. Im Innenausschuss gab es nun einen Kompromiss: SPD, Linke und Grüne stellten den Antrag, dass die Bestattung von Totgeburten auch unter der zu beschließenden Gramm-Grenze möglich sein soll. Krankenhäuser sollen verpflichtet werden, Eltern über diese Option zu informieren.


Schwieriger wird die Frage, ob nach dem Tod Teile der Asche entnommen werden dürfen, um daraus sogenannte Erinnerungsdiamanten herzustellen. Bisher muss die Totenasche immer komplett beigesetzt werden. „Die Entnahme einer geringfügigen Menge der Totenasche ist zulässig, wenn dies dem schriftlich verfügten Wunsch der verstorbenen Person entspricht und der Verwendungszweck dem sittlichen Empfinden der Allgemeinheit nicht widerspricht", heißt es im Entwurf der Landesregierung. Die Opposition sieht dieses Vorhaben kritisch. Schon bei der Einbringung des Entwurfs im vergangenen Jahr begründete CDU-Politiker Sven Petke die Ablehnung mit einem Zitat von Papst Franziskus. Dieser habe die politischen Verantwortungsträger aufgefordert, zwei Dinge nicht zu vergessen: Die Würde des Menschen und das Gemeinwohl. Die CDU lehne es ab, Asche eines Verstorbenen für die Pressung eines Diamanten zu verwenden. Im Innenausschuss brachte die Leiterin des Katholischen Büros Berlin-Brandenburg Martina Köppen die Bedenken auf den Punkt. „Der tote Leib ist nicht nur eine Hülle, sondern verkörpert in seiner Gesamtheit die Personalität des Menschen vor und nach dem Tode, und seine Würde ist zu achten."


Die Juristin kritisiert drei unbestimmte Begriffe im Gesetz: Der Wunsch des Verstorbenen, die Menge der Asche und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit. Hier liege ein Einfalltor für Missbrauch. Darüber hinaus könne auch die Kontrolle nicht gewährleistet werden. „Lassen Sie es lieber!" so Köppen. „Wir reden nicht über ein Backrezept - eine Messerspitze Mehl oder ähnliches - sondern über ein Bestattungsgesetz und die Frage, ob man ein bisschen Asche entnehmen darf."

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