Stefan Rochow

Journalist und Medienunternehmer, Schwerin

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Ein „evangelikaler Katholik"

US-Vizepräsident Mike Pence bei der Vereidigung. Foto: dpa

US-Vizepräsident Mike Pence ist der eigentlich starke Mann hinter Trump – Ein Porträt. Von Stefan Rochow

Seit seinem Amtsantritt steht Donald Trump wie niemand sonst im Fokus der Öffentlichkeit. Sein Vizepräsident Mike Pence tritt dabei in den Schatten. Dabei ist Pence der eigentliche starke Mann in der Administration Trump. Er zieht die Fäden in der neuen amerikanischen Regierung und könnte einer der mächtigsten Stellvertreter in der US-Geschichte werden.

Immerhin einer, der was von Politik versteht. Das war die Reaktion vieler Republikaner, als Trump im Wahlkampf den damaligen Gouverneur des Bundesstaates Indiana als seinen „Running Mate“ präsentierte, also als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten. Für Pence selber war seine Entscheidung, sich an die Seite Trumps zu stellen, ein Pokerspiel, dass er auch haushoch hätte verlieren können. Selbst Parteifreunde bei den Republikanern sprachen damals von einem Himmelfahrtskommando. Mike Pence verzichtete darauf, sich als Gouverneur von Indiana um die anstehende Wiederwahl zu bewerben und setzte alles es auf eine Karte. Am Ende hat die Karte Trump gestochen und Pence das politische Pokerspiel gewonnen.


Der US-Vizepräsident verkörpert alle die Eigenschaften, die Donald Trump zu fehlen scheinen. Im Wahlkampf hielt er die Republikaner zusammen, von denen viele den populistischen Milliardär aus New York ablehnten. Er holte auch die Trump-Gegner bei den Republikanern wieder ins Boot, insbesondere die Tea-Party-Bewegung, die von Anfang an mit dem Präsidentschaftskandidaten Trump fremdelte. Sie sahen in Trump einen verkappten Linksliberalen und verweigerten ihm daher die Unterstützung. Bei den evangelikalen Christen machte Pence ebenfalls gut Wetter und überzeugte die für die Wahl wichtige Wählergruppe davon, dass die christliche „Bekehrung“ Trumps kein Politikschauspiel ist. Gerade der Umstand, dass Trump dreimal verheiratet und bis in die 1990er Jahre hinein ein Abtreibungsbefürworter gewesen ist, schürte das Misstrauen dieser Wählergruppe gegen den Unternehmer.


Ohne Mike Pence wäre Trump nie dahin gekommen, wo er jetzt steht. Dafür verpfändete der Vizepräsident seine Popularität und seinen guten Ruf bei der konservativen Wählerschicht. Pence vertrauten diese Menschen. Donald Trump gaben sie deshalb am Ende den Vertrauensvorschuss, der ihn zum Präsidenten der USA machte. Über sich selbst sagte der Vizepräsident einmal: „Ich bin Christ, Konservativer und Republikaner – in dieser Reihenfolge.“


Mike Pence wuchs als Sohn irischer Einwanderer in einem katholischen Elternhaus auf und wollte ursprünglich Priester werden. Nach seinem Abschluss am Hanover College und einem Jurastudium an der Indiana University School of Law in Indianapolis arbeitete er als Anwalt und später als Talk-Show-Moderator. Mike Pence und seine Frau Karen, mit der er seit dem Jahr 1985 verheiratet ist, haben drei Kinder. Er konvertierte zur evangelikalen Grace Evangelical Church und engagiert sich mit seiner Familie bis heute für diese Kirche. In einem Interview bezeichnete er sich selber einmal als „wiedergeborener Christ“ und „evangelikaler Katholik“, womit er ausdrücken wollte, dass er nach wie vor die katholische Prägung seines Elternhauses schätzt.


Seine politische Karriere begann im Jahr 1986, als er sich das erste Mal für die Republikaner um einen Sitz im US-Repräsentantenhaus bewarb. Ebenso wie zwei Jahre später verlor er die Wahl gegen seinen demokratischen Gegenkandidaten und Amtsinhaber Philip R. Sharp. Erst im Jahr 2000 trat er dann wieder für die Wahl in das Repräsentantenhaus an und wurde dieses Mal gewählt. In seinen zwölf Jahren im Repräsentantenhaus stellte sich Pence mit seinem Abstimmungsverhalten stets auf die Seite des Lebensrechts und des Schutzes von Ehe und Familie. Bei seinen Gegnern brachte ihm das den Ruf eines konservativen Hardliners ein.


Im Frühjahr 2012 wurde Pence von seiner Partei für die anstehenden Gouverneurswahlen in Indiana nominiert. Mit 49,6 Prozent konnte er sich dabei gegen seinen Kontrahenten John R. Gregg, der 46,4 Prozent der Stimmen erhielt, durchsetzen. Als Gouverneur von Indiana war er maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Bundesstaat heute das konsequenteste Anti-Abtreibungs-Gesetz der USA hat. Die Tötung des ungeborenen Kindes wird dort aufgrund einer Behinderung ebenso verboten wie wegen des Geschlechts oder der Rasse. Bei der Unterzeichnung des Gesetzes sagte Pence: „Ich unterschreibe dieses Gesetz mit einem Gebet, dass Gott diese wertvollen Kinder weiter schützen möge.“ Über Indiana hinaus brachte ihm seine Politik als Gouverneur viele Sympathien ein.


Der neue US-Vizepräsident gilt als Anhänger der Tea-Party-Bewegung und damit als Befürworter eines schlanken Staates. Öffentliche Ausgaben wurden während seiner Amtszeit konsequent gekürzt. Er forderte die Einführung einer Schuldenbremse für Indiana, die in der Verfassung des Staates verankert werden soll. Derzeit befindet sich dieses Ansinnen in der parlamentarischen Beratung und hat bereits eine Kammer erfolgreich passiert. Trotz seines Sparkurses gelang es Pence, die bundesstaatlichen Zuschüsse für das Bildungswesen zu erhöhen. „Ich bin stolz, dass ich aus einem Staat komme, der funktioniert. Indiana hat ausgeglichene Haushalte. Wir haben Steuern gekürzt und Rekordinvestitionen in Bildung und Infrastruktur gemacht. Ich beende meine Amtszeit mit zwei Milliarden Dollar auf der Bank“, sagte Pence selber über seine Arbeit als Gouverneur.


Pence's Erfahrung als Gouverneur und Kongressabgeordneter könnten Trump nutzen. Vor allem aus seiner Zeit im Kongress bringt Pence nützliche Kontakte in die Arbeit der Trump-Administration ein. Er könnte helfen, Trumps belastetes Verhältnis zu den Republikanern im Kongress zu verbessern. Paul Ryan, mächtiger Sprecher des Repräsentantenhauses, der Abstand zum schillernden Milliardär wahrt, bezeichnet sich selber als „großen Fan“ von Pence. Trump hat gerade lernen müssen, das sich ein demokratisches Land nicht alleine durch Dekrete regieren lässt. Mike Pence könnte ihm die dazu notwendigen Mehrheiten im Kongress organisieren.


Pence ist in der neuen US-Regierung aber auch der notwendige Gegenpart zu Trump. Sein nüchternes und zurückhaltendes Temperament, mit dem er aber durchaus versiert seine Positionen vertritt, kann manches runterkochen, was sein Chef mit seinem hitzigen Temperament hochkocht. Dabei zeigt er auch Haltung, wenn es darauf ankommt. Als im Wahlkampf das unsägliche Video über Trumps Frauenäußerungen auftauchte, verurteilte er die Sprüche umgehend öffentlich. Zudem sagte er eine gemeinsame Veranstaltung mit Trump ab. Pence selbst hat einmal gesagt, sein Vorbild sei Dick Cheney, der Vize von George W. Bush. Cheney galt ja als graue Eminenz und wahrer Entscheider hinter Bush.

Zum Original